Vorsichtig öffnete sie die Augen. „Immer noch da.“
Die Frühlingssonne strahlte warm auf ihre weiße Bettdecke. Staubpartikel tanzten in den hellen Strahlen.
Hastig wirbelten sie durcheinander, als ein Luftzug durch das Zimmer zog. „Guten Morgen! Na, gut geschlafen?“ Ein Frau in weißem Kittel wirbelte mit dem antiseptischen Geruch des Ganges um das Bett und stellte das Tablett auf den Nachttisch. „Heute gibt es Toastbrot und Marmelade.“
„Ich habe aber gar keinen Hunger.“ Mühsam schob sie die Bettdecke von ihrem Oberkörper.
„Sie müssen etwas essen.“ Das Fenster quietschte und kalte Morgenluft vertrieb den Duft des Desinfektionsmittels.
„Aber die Rinde ist zu hart. Könnte ich einen Kräutertee haben?“ Bitterkeit stieg in ihr auf. Warum?
„Heute gibt es Kamillentee.“ Dumpf schepperte der Deckel des Brottellers auf dem Besuchertisch. Es musste also wieder schnell gehen. Die Schwester stellte das Bett auf Sitzposition.
„Lassen Sie es stehen. Ich esse später.“ Sie hustete angestrengt. Die morgendliche Frische reizte ihre Lunge.
„Ich schicke Ihnen unsere Praktikantin. Die wird Ihnen beim Essen helfen.“ Hastig zog die Schwester die Bettdecke soweit nach unten, dass sich die Kühle über ihren ganzen Oberkörper legen konnte.
„Ich will aber jetzt nichts essen. Ich haben keinen Hunger.“ Ein weiterer Hustenanfall kündigte sich an. Sie rang nach Atem. Warum!
„Sie wissen genau, dass Sie zu den Tabletten etwas essen sollen.“ Eilig schüttelte die Schwester die morgendliche Dosis in die Hand und hielt sie ihr hin.
„Die runde nehme ich heute nicht. Ich fühle mich so aufgebläht. Sie macht es nur schlimmer.“ Mit Grauen dachte sie an den Nachmittag, an dem sich ihr Bauch wieder wie mit einem Ballon gefüllt anfühlen würde. Und dieser drückte dann auf die Lunge und das Atmen wäre noch schwerer. Kein Telefonat würde sie führen können.
„Keine Widerrede. Die Praktikantin kommt gleich.“ Und damit rauschte sie wieder aus dem Zimmer.
Seufzend schloss sie die Augen. Bilder ihrer Wohnung tauchten auf. Das blaue Sofa. Etwas durchgesessen, im Laufe der Jahre, aber bequem. Die Stehlampe aus den 70ern. Ein Geschenk ihrer Tochter zum 50 Geburtstag. Ihr hatte sie noch nie gefallen. Aber seit dem Tod ihres einzigen Kindes hatte sie sie jeden Tag abgestaubt. Ihre Urenkel hatte sie vor ein paar Jahren mit Schleifenbändern dekoriert, damit sie etwas fröhlicher aussah. Ihnen gefiel das Matschbraun auch nicht. Ihre Besuche waren selten geworden, denn ihr Vater hatte eine Stelle irgendwo in der Schweiz angenommen. Die Große besuchte inzwischen die 2. Klasse, der Kleine würde im Herbst in die Schule kommen. Und bei 10 Stunden Anreise war ein Wochenende einfach zu kurz.
Schwungvoll stieß jemand die Zimmertür auf. „So, Frau Fischer, dann wollen wir uns mal das Frühstück schmecken lassen.“
Warum?! Noch 14 Stunden, die sie wach sein musste.