«Wie sollten hier jetzt so schnell als möglich verschwinden!» rief Malek. «Balorions Getreue werden uns über das Blut- Meer tragen. Dort werden wir die Truhe öffnen und ich befreie Balorion aus seinem Gefängnis unter dem Meer!»
«Aber Malek!» rief Pia erneut eindringlich. «Das darfst du nicht tun! Wir dürfen so einen schrecklichen, alten Kriegsgott nicht auf die Welt loslassen!»
«Das werden wir auch nicht. Er und ich haben einen, mit unserem eigenen Blut besiegelten, Vertrag geschlossen. Er wird hier unten bleiben und den Herrn der Finsternis nochmals zum Kampf herausfordern. Diesmal wird es ziemlich sicher gewinnen, denn nun ist der finstere Herrscher geschwächt. Balorion sicherte mir in dem Vertrag zu, dass er die Unterwelt wieder umgestalten wird. So dass sie wieder zu einem weit erträglicheren Ort wird, als bisher.»
«Und du meinst, dass er dazu im Stande ist?»
«Natürlich gibt es keine 100%- ige Garantie dafür, aber ich habe mit ihm gesprochen und ich glaube, dass er es doch besser machen könnte, als der Herr der Finsternis. Er zieht seine Kraft nicht aus dem Leiden der Geschöpfe und wird sie nicht sinnlos quälen.»
«Aber er liebt den Krieg und du weisst, das könnte ein grosse Problem werden.»
«Das ist mir bewusst und darum werden ich auch den Schlüssel zu seinem Gefängnis bei mir verwahren, wenn ich ihn befreit habe. So kann ich ihn jederzeit wieder einschliessen, wenn ich denke, er hält sich nicht an sein Wort. Ich weiss es ist ein gewisses Risiko dabei, doch ich musste ihm etwas bieten, damit er mir hilft.»
«Aber ich weiss nicht, ob der Preis, den wir dadurch zahlen, dann nicht doch zu hoch ist. Wir hätten den Herrn der Finsternis auch so irgendwie besiegt.»
«Ich glaube, den Kampf gegen ihn, überlassen wir jetzt vorerst Balorion.»
«Aber, ob das Problem damit aus der Welt ist?»
«Das wird erst die Zeit zeigen.»
«Also ich weiss nicht…»
«Wir müssen uns jetzt zuerst auf unseren eigentlichen Auftrag konzentrieren. Drei Viertel des Medaillons, haben wir jetzt immerhin schon zusammen und wir sind ganz nahe am Ziel. Es wird Zeit, dass wir die Verbannten endlich nach Hause holen!»
«Malek hat damit nicht ganz unrecht,» sprach Benjamin. «Wir sind schon so nahe am Ziel und vielleicht macht es Balorion doch etwas besser. Die Hauptsache ist, dass er in der Unterwelt bleibt.»
Pia schwieg nachdenklich, irgendwie war sie noch nicht ganz davon überzeugt, dass alles gut gehen würde, aber ihr war auch bewusst, dass es sicher nicht schlecht war, wenn der Herr der Finsternis einen ebenbürtigen Gegner hatte und so beschloss sie einfach abzuwarten, wie sich alles entwickelte.
In Windeseile waren die Freunde über das Meer gereist und liessen sich von Balorions glibbrigen Dienern auf einem einsamen Strand, auf der anderen Seite absetzen. «So und nun versuchen wir dieses Ding mal zu öffnen!» sprach Malek und begann die verschiedensten Zauber auszuprobieren. Lange hatte er keinen Erfolg, doch schliesslich kam ihm ein Spruch in den Sinn, den er damals, als er dem Herrn der Finsternis noch gedient hatte, gelernt hatte. Dieser war in einer uralten Sprache verfasst und gar nicht einfach auszusprechen. «Ich hoffe ich kann diesen Spruch noch und er funktioniert!» sprach der Magier und rezitierte die Formel. Und tatsächlich! Das Schloss der dunklen Kiste, öffnete sich mit einigen klickenden Geräuschen. Aufgeregt fieberten die Freunde dem entgegen, was dort drin alles zu finden sein würde.
In der Kiste befanden sich eine Menge Schlüssel, einer davon, war ein riesiger, Goldener, dessen Griff mit einem Schlangenkopf geschmückt war. «Das muss der Schlüssel zum Abgrund sein! Probieren wir ihn mal aus!» Malek ging hinunter zum Wasser und streckte seine Hand aus, damit der Bart des Schlüssels, das Wasser berührte. Dann sprach er erneut eine uralte Formel. Tatsächlich begann sich das Wasser um den Schlüssel herum in diesem Moment golden zu verfärben und bildete schlussendlich die Silhouette einer Schlange. Die Schlange schwamm davon und machte sich auf den Weg zum Unterwassergefängnis, des grossen Gottes Balorion. Dort formte sie sich wieder zu einem Abbild des Schlüssels, den Malek noch immer bei sich trug, und schloss Balorions Ketten auf.
Der alte Gott, erhob sich nun mit triumphierendem Geschrei, welches man im ganzen, weiten Blut- Meer vernahm. «Endlich bin ich frei!» schrie er mit dröhnender Stimme «Frei!!» Er riss sich von seinen Ketten los und dann machte er sich, umgeben von wirbelndem Wasser und einen unglaublichen Getöse, auf den Weg nach oben. Die ganze Unterwelt erzitterte, unter der nun entfesselten Macht, diese alten Gottes der nun seinem Gefängnis entstieg, wie ein totbringender Schatten. Er war nun, da die Höhle ihn nicht mehr einengte, so riesig, dass er durch das Meer gehen konnte, welches ihm nur bis zu den Hüften reichte. Das war viel grösser, als Malek gedacht hatte und einen kurzen Moment lang, überlegte der Magier, ob er nicht doch einen Fehler begangen hatte. Balorion kam nun auf ihn und die Geschwister zu, welche ihm erschrocken entgegenblickten und bückte sich zu ihnen herunter.
«Ich danke euch, dass ihr mich aus dieser Höhle befreit habt. Nun steht meiner Rache, am Herrn der Finsternis, nichts mehr im Wege.» «Wirst du dich also an unser Abmachung halten?» fragte Malek.
«Ja. Ich errichte hier unten mein neues Reich und dieses wird besser sein als das Bisherige. Ich bin ein Gott, der sich an sein Wort hält, das gehört zu meinem Ehrenkodex…»
Während er das sagte, begann das Wasser um Balorion herum, erneut wild zu schäumen und zu brodeln und auch die weissen Gestalten, welche bisher nur als schleimige, unförmige Kreaturen um ihren Herrn herum geschwommen waren, begannen sich zu verwandeln. Sie nahmen, jetzt da Balorion befreit war, wieder ihre alten Gestalten an, die sie vor der Unterjochung, durch den Herrn der Finsternis gehabt hatten und diese Gestalten waren wahrhaft furchterregend.
Aus ihren Häuptern mit den struppigen Haaren, ragten lange Hörner und aus ihren Mündern, grössere und kleinere Hauer. Ihre Körper waren mit Fell- und Leder Fetzen bekleidet. Ihre Gesichter ähnelten denen von Orcs, aus den alten Sagen. Sie besassen wild dreinblickende Augen und eine breite Stirn. Balorion sprach stolz: Das sind sie nun, meine Diener die Fomorius in ihrer alten Pracht! »
Pia und Benjamin schauten die Kreaturen, mit einer Mischung aus Abscheu und Misstrauen entgegen und auch sie fragten sich einmal mehr, ob Malek wirklich die richtige Entscheidung getroffen hatte. Nun, immerhin hatten sie jetzt den Medaillonsviertel und diese Wesen hier, waren wesentlich an ihrem Erfolg beteiligt gewesen. Sie mussten ihnen also eine gewisse Dankbarkeit zollen. «Wir danken euch, dass ihr uns bei unserer Mission geholfen habt,» sprach Benjamin deshalb höflich. «Ich hoffe, ihr könnt die Unterwelt wirklich zu einem besseren Ort machen.»
«Wir geben unser Bestes. So nun müssen wir aber in die verdammte Stadt und ihren finsteren Herrn herausfordern.» Balorion wandte sich ab und zusammen mit seinen Getreuen machte er sich mit lautem Kriegsgebrüll auf den Weg.
«Ich hoffe einfach, dass das kein Fehler war Malek,» sprach Benjamin, als die Fomoris weg waren. «Das hoffe ich auch. Ansonsten... der Schlüssel ist noch immer in meinen Händen. «Nun müssen wir aber endlich zurück in die Oberwelt!»