Versöhnung
Die kommenden Tage waren erfüllt von Freude und Glück. Alle Verbannten bezogen wieder ihre alten Quartiere und dann wurde ein rauschendes Fest gefeiert, welches mehrere Tage und Nächte andauern sollte. Es wurde gefeiert, getanzt, gelacht und geschlemmt.
Doch jemand fehlte noch immer in der Runde der Feiernden: Es war Malek. Die Geschwister vermissten ihn sehr und auch Damian schien Miros sehr zu fehlen, denn er fragte immer wieder nach ihm. Pia und Benjamin vertrösteten ihn immer mit irgendeiner Ausrede, denn sie ahnten, dass ihr Freund noch den richtigen Moment abwarten wollte, um zu erscheinen. Was er jedoch genau vorhatte, wussten sie nicht. Jedenfalls fehlte er ihnen sehr, besonders wenn sie immer wieder aufgefordert wurden, von all ihren Abenteuern zu berichten. Denn Malek hatte nun mal eine sehr wichtige Rolle in manchen der Geschichten innegehabt. Auch die junge Prinzessin Nofrete, erfuhr durch die Erzählungen der Geschwister sehr viel über die positive Veränderung des Magiers und sie war wirklich sehr beeindruckt von dessen Wirken. Da auch ihr Vater nicht aufhörte, von Miros zu schwärmen und sie ja wusste, dass Miros eigentlich Malek war, wurde sie immer nachdenklicher und irgendwie wünschte sie sich mit der Zeit, ihren einstigen Liebsten doch einmal wieder zu treffen.
Malek beobachtete, für die Augen der anderen unsichtbar, das bunte Treiben auf dem Fest, dass er, zum grossen Teil, mit-ausgerichtet hatte. Lange jedoch, traute er sich nicht, sich den anderen zu zeigen. Als er jedoch sah, dass Nofrete immer mehr nach ihm fragte, auch immer wieder von seinen Abenteuern mit den Kindern hören wollte, beschloss er nochmals einen Anlauf zu wagen, um sich mit ihr zu versöhnen.
Eines Nachts dann, bot sich eine Gelegenheit.
Als die junge Frau sich etwas in ihre Gemächer zurückzog, um sich auszuruhen und gerade durch eines der grossen, offenen Fenster auf die feiernde Menschenmassen im Schlosshof hinunterblickte, da spürte sie auf einmal einen Luftzug, in ihrem Rücken. Sie wandte sich erschrocken um.
Vor ihr stand eine hochgewachsene, schlanke Gestalt, mit einem dunkelblauen Umhang. Einen Augenblick lang, fürchtete sich Nofrete, doch dann sprach die Gestalt mit einer wohlklingenden, ihr nur allzu bekannten Stimme: «Keine Angst! Ich will dir nichts Böses!» Der Neuankömmling schlug nun die Kapuze zurück, die sein Gesicht bisher verborgen hatte und jetzt konnte Nofrete ihren Gegenüber erkennen.
«Malek!» sprach sie «du bist hier?» Sie musterte den Magier aufgeregt.
Malek sah sehr gut aus. Sein Bart war sauber gestutzt und sein kastanienbraunes, nun glänzendes Haar, schulterlang geschnitten. Seine Augen blickten sanft und freundlich, wie einst, als sie noch ein Liebespaar gewesen waren. Kalte und heisse Schauder, rieselten ihr auf einmal über den Rücken.
«Was… tust du hier?» fragte sie mit zitternder Stimme.
«Ich bin gekommen, um dich nochmals um Verzeihung zu bitten. Ich weiss ich habe schreckliche Dinge getan…»
«Ja, das kann man wohl sagen!» stiess Nofrete hervor. Man spürte noch immer deutlich, die tiefe Enttäuschung in ihrer Stimme und Malek gab es einen Stich ins Herz.
«Ich verstehe…, dass du immer noch zornig bist. Man kann es dir nicht verdenken, denn ich habe es verdient. Trotzdem bitte ich dich, um eine zweite Chance. Ich bin wieder der Alte, glaub mir! Ich kann gar nicht ausdrücken, wie leid mir das alles tut.»
Der Magier senkte tief bekümmert den Blick. Waren es Tränen, die in seinen Augen glänzten? Nofrete schaute ihn an und musste aufpassen, nicht das Gleichgewicht zu verlieren. Es wurde ihr auf einmal schwindlig und sie musste sich setzen. Das alles nahm sie wohl doch mehr mit, als sie gedacht hatte.
Malek sank nun vor ihr auf die Knie: «Bitte vergibt mir! Ich habe mich wirklich geändert und ich werde niemals mehr auf den dunklen Pfad zurückkehren. Du weisst, dass ich alles getan habe, um meine Schuld wieder zu sühnen und ich bin noch lange nicht fertig damit. Aber der Gedanke, dass du mich hassen könntest, ist mir einfach unerträglich…»
«Ich… hasse dich nicht,» sprach Nofrete und ihre Stimme bebte leicht. «ich war nur so… schrecklich enttäuscht, so traurig, dass du uns das alles angetan hast, auch weil wir uns einst so geliebt haben. Ich weiss es hat dich sehr verletzt, dass ich damals diesen anderen Mann, auf Wunsch meiner Eltern, beinahe geheiratet hätte, aber du weiss sicher auch, dass ich mich schliesslich doch für dich entscheiden wollte. Dennoch… es fällt mir schwer, dir nach alledem wieder zu vertrauen, auch wenn die vielen Geschichten, die mir die Turner Kinder und all anderen von deinen Taten berichtet haben, wirklich bewundernswert sind. Ich... habe einfach schreckliche Angst, dass du, wenn etwas wieder nicht so gut läuft, erneut auf die dunkle Seite wechselst und das würde ich nicht ein zweites Mal verkraften.»
«Das musst du auch nicht! Bitte glaub mir!»
Die junge Frau kämpfte mit sich. Ihr Herz und ihr Verstand sprachen eine ganz andere Sprache. Sie liebte Malek, trotz allem, noch immer. Aber gleichzeitig beunruhige sie das auch sehr. Denn was, wenn er sie doch wieder enttäuschte, wenn alles was er sagte, nur leeres Geschwätz war?»
«Bitte!» flehte Malek «ich liebe dich doch so sehr und ich möchte nicht, dass wir so auseinander gehen.» Er nahm ihr Hand und blickte sie verzweifelt an.
Die Prinzessin sass reglos da, sie wusste nicht was denken und was fühlen. Alle Gedanken wirbelten durcheinander. Mit aller Kraft versuchte sie gegen die, in ihr wieder aufkeimenden Gefühle für Malek, anzukämpfen. Oder waren diese Gefühle überhaupt jemals weggewesen? Musste sie sich nicht eingestehen, dass sie ihn, auch als er auf den dunklen Pfad abgerutscht war, doch eigentlich nie wirklich aufgehört hatte zu lieben? Und nun kniete dieser, von ihr stets so geliebter Mann, vor ihr und sie schaffte es einfach nicht, ihm wieder zu vertrauen.
Malek sprach nun: «Ich weiss, es ist schwierig für dich und schlussendlich bestimmst du, wie es mit uns weitergeht. Wenn wir wenigstens Freunde bleiben könnten… wäre das sehr schön.»
Freunde bleiben? Dieser Gedanke erschien Nofrete auf einmal so absurd, empfand sie doch noch immer viel mehr als nur freundschaftliche Gefühle für Malek und er liebte sie scheinbar auch noch. Sie wollte ihm so gerne eine weitere Chance geben, aber doch fürchtete sie sich so sehr davor. Sie schwieg einen Moment lang und ihre Hände zitterten leicht.
Etwas fahrig streichelte sie dem Magier über das glatte, glänzende Haar und ehe sie sich versah sagte sie: «Du siehst gut aus… so… wie damals. Nur deine Haare sind etwas kürzer. Auch deine Ausstrahlung… sie ist sehr schön. Beinahe noch strahlender als sie es früher war. Das Feuer der ewig göttlichen Liebe und die Zeit mit Pia und Benjamin, scheinen dich wahrlich sehr verändert zu haben.»
Malek schluckte und blickte zu Nofrete empor. Auch sie erschien ihn schöner als jemals zuvor. Ihr weiches, langes Haar war offen und fiel über ihre zarten Schultern. Sie trug nur ein Nachthemd und darüber ihren, aus Satin gefertigten, Morgenmantel. Ihr Füsse waren nackt und das Weiss ihrer Augen leuchtete im Zwielicht. Ihre ganzen Gebaren drückten Eleganz und Anmut aus. Er liebte alles an ihr: Ihr wundervolles Wesen, ihren Duft ihren Gang, ihren weichen Körper. Ja, sie war seine grosse Liebe!
Als sie ihm nun, mit ihren zarten, langen Fingern über das Haar streichelte, begann sein Herz, wie rasend, zu klopfen und er fühlte sich unbändig zu ihr hingezogen.
Ihr schien es ähnlich zu gehen, denn ihr Atem ging plötzlich ein wenig schneller.
So sprach er, auch um seine Verlegenheit etwas zu überspielen: «Ja, das göttliche Feuer und die beiden Kinder, haben mein Leben wirklich massgeblich verändert, da hast du recht. Es waren auch Pia und Benjamin, welche von Anfang an mich geglaubt haben und sie haben mir ihr Vertrauen geschenkt, obwohl ich das eigentlich gar nicht wirklich verdient hätte.»
«Du liebst die beiden sehr, nicht wahr?»
«Ja, sie sind für mich sowas wie meine eigenen Kinder.»
Nofrete lächelte auf einmal. «Dabei weisst du noch gar nicht, wie es sich wirklich anfühlt, eigene Kinder zu haben.»
«Ich könnte mir auf jeden Fall vorstellen, dass es sich in etwa so anfühlt,» erwiderte Malek nun ebenfalls etwas unbeholfen lächelnd.
«Auch die beiden lieben dich und sie haben wirklich ein unerschütterliches Vertrauen zu dir. Sie haben alles versucht, um mich milde zu stimmen, damit ich dir vergebe.»
«Ja, so sind Pia und Benjamin. Es sind wundervolle und sehr besondere Kinder. Ich habe schon Vieles von ihnen gelernt.»
«Das kann ich mir vorstellen. Doch sie haben auch viel von dir gelernt und sie vermissen dich bei den grossen Feierlichkeiten ziemlich. Auch mein Vater kann nicht verstehen, warum der grosse Miros, den er so verehrt, sich nicht endlich blicken lässt. Du solltest wirklich bald auf dem Fest erscheinen!»
«Du weisst also davon, dass ich mich damals als Miros ausgab?»
«Ja, die Geschwister haben es mir erzählt und mir gleichzeitig das Versprechen abgenommen, dass ich es meinem Vater nicht verrate. Ich habe mich daran gehalten.»
«Dafür bin ich dir sehr dankbar! Ich möchte es Damian einfach gerne selbst sagen. Aber bevor ich das tue, wollte ich zuerst zu dir und dich persönlich um Vergebung bitten.»
«Nun gut, wenn Pia und Benjamin dir vergeben konnten, dann kann ich das wohl auch. Aber bedenke: Solltest du wieder auf die schiefe Bahn gelangen, werde ich dich höchstpersönlich zur Rechenschaft ziehen, klar?» Nofretes Stimme klang entschlossen, jedoch mit einem heiteren Unterton darin.
Malek sprang auf. «Du vergibst mir also?»
«Ja, das tu ich! Das mit dem, nur Freunde sein, funktioniert doch bei uns beiden sowieso nicht!» Sie lachte nun verschmitzt und erhob sich ebenfalls.
«Du… vergibst mir wirklich!?» Malek konnte sein Glück kaum fassen.
«Ja, wie oft muss ich es noch wiederholen? Hör auf zu fragen, bevor ich es mir noch anders überlege.»
«Das ist ja wundervoll!» Stürmisch umarmte der Magier die Prinzessin. Diese liess es geschehen und während dieser Umarmung spürten sie, wie tief sie noch immer verbunden waren. Nun würde alles wieder gut werden, denn nun konnten sie zusammen wieder ganz neu beginnen!