Die Sphärenwanderung strengte Ululala diesmal mehr an, als sonst und als er sich im Raum der Stille wiederfand, legte er sich auf die Kissen, die dort auf dem Boden herumlagen und schlief sogleich ein.
Als er wieder erwachte, fühlte er sich ein wenig ausgeruhter, aber noch immer sehr schwach. Er schleppte sich die Treppen hinunter, welche zum grossen Salon führten und traf dort auf Lumniuz. Als dieser den Magier erblickte, schaute er ihm besorgt entgegen und lief zu ihm hin, um ihn zu stützen.
«Meister!» sprach er «du bist schon zurück? Ist das Fest denn schon vorbei?»
«Noch nicht ganz, aber das alles wurde etwas zu viel für mich.» Ululala liess sich von dem Erdgnomen zu einem Stuhl führen und sank dann müde in dessen weiche Polster. «Du siehst erschöpft aus Meister,» meinte Lumniuz.
«Das bin ich auch. Ich merke wie meine Kräfte schwinden Lumniuz, täglich fühle ich mich älter und älter.»
«Das tut mir sehr leid Meister, soll ich dir etwas Tee bringen?»
«Ja gerne,» erwiderte der Magier dankbar. Lumniuz eilte davon und kam schliesslich mit einem Tablett zurück, auf dem Teegeschirr, eine Kanne Tee und etwas Gebäck standen.
Ululala lächelte den Gnom zu. «Es ist schön, dass du hier bist,» sprach er. «Du tust so viel für mich und ich habe mich gar nie richtig bei dir bedankt.»
«Doch, doch, du hast dich schon oft bedankt Meister. Aber wenn du das auch nicht getan hättest, ich mache das alles gerne für dich, denn auch du tust immer viel für mich.»
«Du bist ein guter Junge Lumniuz, darum wollte ich dich etwas fragen.»
«Was denn?»
«Wenn ich mal nicht mehr bin, könntest du dir vorstellen, zusammen mit Hungoloz meine Nachfolge anzutreten?»
Lumniuz musterte seinen Meister etwas erschrocken und erwiderte: «Aber wir haben kaum Kräfte, wie sollen wir andere in den magischen Künsten unterweisen?»
«Ihr beherrscht schon fast alles, was es braucht und für die etwas kniffligeren, magischen Unterweisungen, konnte ich Malek gewinnen. Er ist bereit, hier einen Lehrstuhl anzutreten. Mein ganzes Reich jedoch und all meine Besitztümer, würde ich dir und Hungoloz überschreiben. Ich wüsste sonst niemanden, dem ich mehr vertraue und dem ich das auch zutraue.»
Lumniuz wirkte ziemlich perplex und sprach: «Aber… ich weiss nicht, ob ich so einer grossen Aufgabe gewachsen wäre.»
«Doch, ich glaube das wärst du. Was meinst du dazu?»
«Ach Meister, darüber müsste ich noch etwas nachdenken. So etwas muss gut überlegt sein. Ich bin eigentlich eher für das einfache Leben im Erdreich geeignet.»
«Du könntest das Erdreich auch immer wieder besuchen. Du kannst alles so gestalten, wie es für dich am Besten ist.»
«Hast du darüber schon mit Hungoloz geredet?»
«Wir haben mal darüber gesprochen und ich glaube, dass er es schon tun würde. Ehrlich gesagt, weiss ich sonst nicht, wem ich all das übergeben könnte.»
«Was wäre mit Malek?»
«Ach, er hat genug mit seinem eigenen Reich zu tun und jetzt, da er und Nofrete vermutlich endlich heiraten werden, muss er sich auch noch um das Juwelenreich kümmern.
Das wäre wohl etwas zu viel.»
Nofrete und Malek wollen tatsächlich heiraten?» fragte der Gnom freudig überrascht.
«Ja, Nofrete hat ihm vergeben und auch ihre Familie scheint einverstanden zu sein, dass sie zusammenbleiben.»
«Das sind ja mal schöne Nachrichten.»
«Ja…» erwiderte Ululala still. «Alles hat nun wieder seine Ordnung. Wenn ich strebe, kann ich ganz in Frieden sterben…»
«Ach, Meister! Rede noch nicht von deinem Tod, das macht mich traurig!»
«Es gibt keinen Grund zur Traurigkeit mein Junge,» meinte der Magier und drückte liebevoll den Arm des Erdgnomen. «Denn es ist eine Zeit der Freude! Willst du mich in meine Zauberkammer begleiten, dort werden wir alles für die Zukunft regeln.»
Lumniuz nickte leicht bekümmert und bot dem Magier seinen Arm als Stütze an, zusammen begaben sie sich dann hinauf in die Zauberkammer.
Als es Abend wurde, zog sich Ululala ziemlich früh in seine Schlafräume zurück und sass noch eine lange Zeit, in einem gemütlichen Schaukelstuhl, draussen auf seinem grossen Balkon.
Nachdenklich blickte er hinauf in den beinahe vollen Mond, der sein silbernes Licht auf die, nun vorwiegend dunklen Gemäuer, des Schlosskomplexes warf.
Dieses Licht hatte heute etwas besonders Mystisches, Geheimnisvolles an sich. Alles erschien dem Magier irgendwie unwirklich: Die schwarzen Zinnen und die dunklen Innenhöfe des Schlosses. Es sah vollkommen anders aus als bei Tageslicht. Wie…Schatten der Wirklichkeit- Schemen der Realität.
Auch er Ululala, war nur noch ein Schatten seines einstigen Selbst und manchmal fühlte er sich, wie ein dürres Blatt, das vom Winde hin und her geweht wurde. Die Kontrolle über sein irdisches Dasein, schien ihm immer mehr zu entgleiten. Viel Zeit blieb ihm nicht mehr, das spürte er mehr als deutlich. Die Zeit für das Loslassen war gekommen, doch war er bereits im Stande dies zu tun?
Er dachte an sein Leben zurück und musste auf einmal lächeln. Ja! Denn Sein Weg hätte nicht erfüllter sein können! Alles war gut, die Ordnung des Omniversums war wieder hergestellt und auch sonst, war er in seinen Hunderten von Lebensjahren, sehr glücklich gewesen.
Ihm hatte es an nichts gefehlt. Sein Volk liebte ihn aufrichtig und er konnte sehr viel für jene tun, die seine Unterweisung suchten.
Ululala hatte geliebt, geweint und gelacht. Aber vor allem, hatte sich ganz dem Guten verschrieben, gelernt auf sein Herz zu hören, danach zu handeln und er bereute tatsächlich nichts, das ihm auf seinem Wege begegnet war.
Er hatte dem göttlichen Licht und der ganzen Schöpfung, stets mit aufrichtiger Hingabe gedient. Schon in ganz jungen Jahren, hatte er den Ruf des Ewigen gehört und war ihm voller Vertrauen gefolgt. Er hatte sich bemüht stets wahrhaftig zu reden und zu handeln. Sich selbst bis in den verborgensten Winkel seines Seins erforscht und dadurch stets an Weisheit und Liebesfähigkeit gewonnen…
Der alte Magier lehnte sich mit einem leichten Seufzer zurück und blickte erneut in den Himmel. Tausende von Sternen schmückten den nachtschwarzen Hintergrund. Je dunkler die Welt unter ihm wurde, umso heller schienen diese Sterne zu funkeln. Er wurde richtige hypnotisiert von ihrem Glanz. Und… auf einmal… begannen diese Sterne einen munteren Reigen zu tanzen! Sie bewegten sich hin und her, hin und her und es schwindelte den alten Magier beinahe. Immer näher rückten die Himmelslichter dann zusammen, kamen immer näher und näher, tanzten und hüpften vor den erstaunten Augen des alten Mannes.
Auf einmal kam es diesem vor, als ob er weit in die Ferne schweifen und hinter der irdischen Wirklichkeit, die Welt des Ewigen erblicken würde.
Die Sterne tanzten immer noch! Sie bildeten Figuren und andere leuchtende Bilder.
Entzücken ergriff Ululala und er fiel in eine tiefe Trance. Die Sterne vereinten sich nun alle zu einem leuchtenden Band und schwebten zu ihm herunter. Mit grossen Augen, in denen sich das magische Sternenlicht nun hundertfach brach, blickte er ihnen entgegen.
Goldenes, warmes Licht umfing ihn und er konnte es kaum fassen.
Die Sterne formierten sich nun neu und aus ihnen bildeten sich zarten Wesen, mit schleier-artigen Gewändern und Strahlenkränzen um den Kopf. Ihr Anblick war so voller Schönheit und Anmut, das Ululala kaum den Blick von ihnen wenden konnte. Es waren die Sternenfeen! Endlich waren sie zu ihm gekommen! Sein letzter, grosser Wunsch, war in Erfüllung gegangen!
«Wir wollen dich abholen, grosser Ululala!» wisperten die Feen ihm nun mit ihren zarten Stimmen zu. «Komm! Es wird Zeit!»
«Wo… bringt ihr mich hin?» fragte der alte Magier, obwohl er die Antwort bereits glaubte zu wissen.
«In ein Land, fern von Schwere und Einengungen,» erwiderten die Sternentöchter. «Ein gänzlich neues Leben erwartet dich dort.»
Sie nahmen ihn bei der Hand. Ululala fühlte sich auf einmal ganz leicht. Er blickte auf seinen irdischen Körper, der ihm auf einmal fremd vorkam. Und dann löste sich sein Geist von diesem Körper und die Feen erhoben sich mit ihm in die Lüfte. Alles um ihn war nun so unendlich friedlich und ruhig. Nichts hielt den Magier jetzt noch auf. Er hatte seine alte Hülle, wie eine alte Schlangenhaut abgestreift und schwebte nun voller Glückseligkeit, dem Licht des Ewigen entgegen.
Ululala der grosse Magier des Kristallreiches, hatte die grob-stoffliche Welt verlassen!