Die Zimmer zu denen er sie führte, waren sehr schön eingerichtet und besassen ebenfalls riesige Fensterfronten mit einem Balkon. Als Benjamin und Pia nun auf selbigen hinaustraten, wurde ihnen beinahe schwindlig, so hoch befanden sie sich bereits. Sie blickten der Wand entlang nach oben und stellten fest, dass die endgültige Spitze des Turmes noch ein ganzes Stück über ihnen lag. Den Abschluss bildete eine grosse Kuppel. „Dort oben ist Ululalas Zauberkammer und der Raum der Stille," erklärte ihnen der Waldelf. „Ich darf jetzt auch dort rauf." Bei diesen Worten flammte Stolz in seinen Augen auf.
„Dann bist du also schon bald fertig mit deiner Ausbildung?" fragte Lumniuz. „Ja, schon bald. Sonst dürfte ich Ululalas Zauberkammer noch nicht betreten." „Ist diese Kammer denn geheim?" fragte Benjamin. „Eigentlich schon. Nur wenige haben sie jemals gesehen." „Warum?" „Das ist ein ungeschriebenes Gesetz," antwortete Hungoloz „man muss erst eine Menge lernen, bis einem der Zugang zur Zauberkammer und auch dem Raum der Stille gewährt wird.
Ihr habt doch sicher die Leute welche dort unten leben gesehen. Viele von ihnen würden sich gerne von Ululala unterweisen lassen. Leider kann der Meister nicht alle nehmen. Ich und Lumniuz hatten Glück. Ululala hat uns auserwählt seine Lehrlinge zu sein. Warum, das ist schwer zu sagen. Er hat seine eigene Denkweisen. Jedenfalls ist es eine Ehre Schüler bei ihm zu sein."
„Dann bin ich mal gespannt was Ululala mit uns vorhat,“ murmelte Benjamin. „Weisst du auch nicht mehr darüber Hungoloz?“ „Leider nein, auch wenn ich gerne helfen würde. Jedenfalls müsst ihr eine wichtige Rolle haben, sonst würde euch mein Meister nicht unter seine Fittiche nehmen. Morgen werdet ihr sicher mehr erfahren. Ich wünsche euch angenehme Ruhe.“ Er verbeugte sich galant vor Pia, lächelte ihr nochmals zu und verliess dann zusammen mit dem Erdgnom das Gemach.
Ululala
Der Tag neigte sich schliesslich dem Ende zu. Benjamin und Pia lagen bereits in ihren weichen Betten. Sie hatten die Vorhänge zugezogen. Durch einen Spalt jedoch flutete das Mondlicht herein. Es gab hier auf dieser Welt erstaunlicherweise zwei Monde, einen grossen und daneben einen etwas Kleineren.
Benjamin warf sich unruhig auf seinem Lager hin und her. Er fand einfach keinen Schlaf. So viele Gedanken kreisten in seinem Kopf herum: Was machten sie bloss hier? Was erwartete sie? Was, wenn die Eltern sie doch schon vermissten…? Isobia hatte ihnen zwar versichert, dass für alles gesorgt sei. Konnten sie sich wirklich darauf verlassen?... Seufzend schlug der Junge die weiche Daunendecke mit dem bunten Sternenmuster darauf zur Seite und ging zur Balkontür. Dort angelangt, öffnete er die langen, dunkelroten Gardinen. Das Licht der beiden silbernen Monde, fiel auf das schlafende Gesicht seiner Schwester. Doch diese drehte sich nur auf die andere Seite und schlief weiter. Benjamin trat in die milde Nachtluft hinaus. Alles war wunderbar verzaubert im silbernen Schein der Monde. Er blickte nach unten. Die Schlossmauern sahen jetzt aus wie weisser Kalk. Es brauchte wohl Sonnenlicht, um bei den Gemäuern den schillernden Effekt zu erzeugen. Ganz unten im grossen Hof, brannten noch einige Lichter. Das Blumenbeet war mit einer riesigen Fackeln beleuchtet, welche goldene Funken sprühten. Es hatte unzählige Innenhöfe, dass sah man von hier oben sehr gut. Alles wirkte wie ein breitmaschiges, in Gold und Silber getauchtes Netzwerk. Benjamin erblickte einen Brunnen, welcher in einem anderen Hof lag und von mehreren bunterleuchteten Fontänen gespeist wurde. Zudem gab es noch ein Windspiel mit silbernen Glöckchen und feinen Silberplatten, die sanfte, melodiöse Klänge erzeugten.
Benjamins Blick wanderte wieder hinauf zu den Monden. Wie flüssiges Silber, schien sich ihr Licht über alles zu ergiessen. Doch auf einmal stutzte er! Vor dem grösseren Mond, erschienen wie aus dem Nichts drei kleine, leuchtende Punkte. Diese kamen näher und näher. Benjamin kniff die Augen zusammen, um sicher zu gehen, dass er sich das nicht nur einbildete, oder seine Augen ihm einen Streich spielten. Doch die glänzenden Funken verschwanden nicht. Im Gegenteil, sie wurden immer grösser und grösser. Und...auf einmal erkannte der Junge drei wunderschöne Mädchen mit schimmernden Körpern! Er rieb sich ungläubig die Augen. Diese Wesen erinnerten ihn frappant an die Höhlenelfen, nur waren dieser Geschöpfe weiss-silbern und mit schleierartigen Gewändern umhüllt. Um den Kopf, hatten sie einen Strahlenkranz und glitzernde Sternlein umtanzten sie...Benjamin starrte die Wesen unverwandt an, immer wieder begegneten ihn neue, noch grössere Wunder...
Was sind denn das für wundervolle Geschöpfe?" Diese Frage kam von Pia, welche unbemerkt zu Benjamin getreten war.
Die drei wunderschönen Mädchen, lösten ihren Kreis nun auf und schwebten nun zu ihnen herab. Sie wirkten wie kleine, silbern- blaue Flämmchen. „Seid gegrüsst," sprachen sie „wir sind die Sternenfeen und gekommen, um euch ein Geschenk zu überreichen, das euch auf eurer Mission von Nutzen sein könnte.“ „Was für ein Geschenk?" fragte Benjamin. „Und was wisst ihr über unsere Mission?“
„Die Sterne leuchten überall, deshalb haben wir euren Weg von Anfang an mitverfolgt. Ihr werdet noch viel Prüfungen bestehen müssen. Wir wollten etwas zum Gelingen eures Auftrages beitragen, indem wir euch etwas zu eurem Schutz bringen.“
Erwartungsvoll schauten die Jugendlichen die Sternenfeen an. Diese breiteten, ganz ähnlich wie einst Isobia, ihre Arme aus und beschrieben damit einen Kreis. Die Sterne, die sie bisher umschwebt hatten, ballten sich vor den Augen der Turner Kinder zu einer goldenen Lichtkugel zusammen. Diese wurde nun wie von Geisterhand immer mehr zusammengepresst und in die Länge gezogen, bis aus ihr ein ca. 30 Zentimeter langer Stab entstand. Dieser strahlte nun wie eine Leuchtfeuer auf, sodass Benjamin und Pia richtiggehend geblendet wurden. Hunderte von Sternen schossen plötzlich aus seiner Spitze und umhüllten die Jugendlichen, wie ein glitzernder Schutzwall! Eine der Feen sprach: „Dieser Stab birgt das Licht der Sterne in sich. Wie die Sterne das Dunkel der Nacht erhellen, soll er euch auf eurem Wege leuchten. Wenn euch sein Schein umgibt, wird er euch ein sicherer Schutzschild sein, von welchem alles Übel abprallen wird, dass euch irgendwelchen Schaden zufügen will. Aber Vorsicht! Auch seine Kraft ist begrenzt, also geht sparsam damit um!" Darauf riefen die Sternenfeen: „Sternenglanz, beend deinen Tanz!" In diesem Moment, fuhren die Sterne wieder zurück in den Stab. Er glomm nochmals auf, dann verblasste sein Schein. Am Ende, blieb nur noch ein normaler, hölzerner Stab zurück, welchen die Feen den zwei Turner Kindern überreichten.