Das Silbermeer- Reich
Die Fahrt war wunderschön. Bald verschwanden die Klippen und sie waren draußen auf dem offenen Meer. Die Sonne wärmte angenehm doch es war auch nicht zu heiß. Ein sanftes Lüftchen wehte ihnen um die Ohren. Die Muschel- Kutsche glitt leise über das Wasser. Die drei fühlten sich glücklich und frei und dösten ein Bisschen vor sich hin. Bald vernahmen sie wieder den wundervollen Klang der Wasserfeen, welche auf den Schaumkämmen des Fahrwassers ritten. Wie in der Nacht zuvor, schauten sie den süssen Wesen begeistert zu. Auch einige Undinen und sogar einige wenige Meerjungfrauen, schauten kurz vorbei. Für die Geschwister war das alles wir ein wunderbarer, unwirklicher Traum und sie nahmen all das Herrliche, tief bewegt, in sich auf.
Schliesslich nickten die drei, begleitet vom wundersamen Gesang erneut ein wenig ein. Als sie wieder erwachten, stand die Sonne bereits ziemlich tief am Horizont. Benjamin schaute erstaunt hinaus auf das Meer. Dieses hatte irgendwie eine andere, eine etwas silbernere Farbe angenommen. Auch der Himmel war irgendwie silbern, jedoch nicht wie an einem Regentag. Er schimmerte wundersam, wie silbernes mit Licht hinterlegtes Perlmutt. Die Sonne leuchtete hier wieder etwas intensiver. «Ich glaube, wir sind bald da!» rief der Junge. Es dauerte dann auch nicht mehr lange, bis sie in der Ferne Land erblickten. Die Klippen sahen aus, wie grau glänzendes Metall. Es gab Bäume und Sträucher mit blau- grünen und silbernen Blättern. Der Strand zog sich wie ein hellblaues Band, dem glitzernden Meer entlang. Es war ein schöner Anblick.
Nicht allzu weit vom Ufer entfernt, hörten die Delfine auf einmal auf zu schwimmen. Sie mussten an ihrem Ziel angekommen sein! Angestrengt schauten die drei hinunter ins Wasser. Fast unmittelbar unter ihnen, lag ein dunkler Fleck. «Das muss Niksanas Schloss sein!» rief Pia. «Holen wir die Beeren raus und schauen mal nach!» Benjamin griff in seine Tasche und reichte zuerst Ismala, eine der roten Wunderfrüchte. «Damit kannst du unter Wasser atmen und sehen. Sogar sprechen, ist damit möglich.» Die Königin nahm die Beere entgegen und stecke sie sich etwas zögernd in den Mund. Pia und Benjamin taten es ihr nach. Dann packten sie alles zusammen und sprangen ins Wasser. Ismala folgte ihnen, ebenfalls nach kurzem Zögern. Kaum hatten sie die Muschel Kutsche verlassen, wendeten die Delfine und schwammen davon. Die drei sahen nur noch, wie sie tauchten und dann waren sie und die Kutsche verschwunden! «Das war's dann wohl!» sprach Benjamin, etwas wehmütig. «Nun sind wir wieder auf uns allein gestellt. Starten wir also Niksana einen Besuch ab!»
Sie tauchten etwas weiter hinunter und Ismala stellte erstaunt fest, dass sie tatsächlich unter Wasser sehen konnte. Nun da sie keinen Fisch mehr war, war das ein wahres Wunder! Tatsächlich entdeckten sie gleich darauf ein weiteres Schloss zu ihren Füssen. Seine Zinnen waren aus reinstem Silber. Während die Freunde darauf zu schwammen, kam ihnen auf einmal eine ganze Horde Meerjungfrauen und Wassermänner entgegen! Alle hatten Fischschwänze, die in allen Regenbogenfarben leuchteten. Die jungen Mädchen hielten in den Händen Kränze aus Blumen und Pflanzen. Freudig rufend, kamen sie Auf die Geschwister und die Königin zu geschwommen und legten ihnen die Kränze um den Hals. «Seid willkommen bei uns!» riefen alle im Chor. Die drei Neuankömmlinge waren ganz überwältigt, von so einem Empfang und schwammen mit den Meerwesen mit, welche sie direkt zum Eingangs Portal des Silberschlosses geleiteten. Niksana erwartet euch!» sprach einer der Wassermänner «kommt mit!» Die drei taten wie ihnen geheissen. Der Rest der Wassergeister blieb draußen. Durch mehrere prunkvolle Hallen, gelangten sie in den Thron- Saal. Auf einem Thron aus ziseliertem Silber, sass ein muskulöser Wassermann, mit dunkelblauem Fischschwanz, schwarze Locken und einer, mit Saphiren besetzten, Goldkrone. Auf seiner Brust baumelte eine schwere Kette, mit einem Abbild des Medaillons der vier Naturgewalten. Niksana war noch einiges jünger, als Nikso. Seine Augen blickten aber ebenso gütig und intelligent. Neben ihm sass, auf einem anderen Thron, die Meereskönigin, mit einem grünem Fischschwanz und ebensolchen Haaren. Sie war sehr schön und ebenfalls noch ziemlich jung. «Seid willkommen!» sprach Niksana. «Es ist uns eine Ehre, so einem wichtigen Besuch bei uns empfangen zu dürfen.» «So wichtig ist dieser Besuch, nun auch wieder nicht!» erwiderte Benjamin etwas spöttisch. «Wir sind nur einfache Menschen.» Sie ist jedoch kein Mensch und sie ist eine Königin.» Mit diesen Worten, zeigte Niksana auf Ismala. «Ja, das stimmt allerdings,» bestätigte Benjamin etwas verlegen. Der König wandte sich an Nofretes Mutter und fragte: «Woher kommt ihr?» «Aus einem weit entfernten Land, dem Land der hundert Juwelen, welches euch aber vermutlich unbekannt ist, denn es liegt in einer anderen Dimension.» «Das müsst ihr uns näher erklären!» sprach die Meereskönigin. Und so begann Ismala alles zu erzählen, was sich zugetragen hatte. «Diese Kinder hier, haben mir meine ursprüngliche Gestalt wiedergegeben,» sagte sie am Ende. «Sie werden mich und alle meines Volkes, wieder zurück nach Hause bringen.»
«Von den Menschenkindern, haben wir wohl gehört,» meinte der König. In seiner Stimme schwang grosser Respekt mit. «Sie sind von großer Wichtigkeit, deshalb sind sie mittlerweile beinahe überall in den Welten bekannt.» Benjamin und Pia waren sehr erstaunt über diese Worte. War es tatsächlich möglich, dass sie bereits so berühmt waren? Es war beinahe peinlich.
Niksana lächelte, als er ihre verlegenen Gesicht sah und sprach: «Es ist etwas ganz Besonderes, wenn Menschen in unsere Welt gelangen. Denn durch ihre grobstoffliche Natur, ist das sonst sehr schwierig. Allerdings haben Menschen eigene, ganz besondere Fähigkeiten. Viele in meiner Welt glauben sogar, dass sie Mensch werden müssen, um in die höchsten Ebenen des Omniversums aufzusteigen.» «Das glaube ich kaum!» gab Benjamin ironisch zurück. «Wir Menschen sind eher eine zerstörerische, ziemlich unreife Rasse. Uns fehlt der Zugang zu so vielem, das sieht man nun ja an all den Wundern, die wir hier schon gesehen haben. Der Einklang, in welchem die Naturgeister miteinander leben, ist um so vieles fortschrittlicher! Wenn wir das beobachten, weckt dies eher das Gefühl in mir, dass die Menschen es schlussendlich schwerer haben werden, in die höchsten Ebenen aufzusteigen.» «Ein jedes Lebewesen hat seine ganz eigene Bestimmung,» sprach Niksana. «Das Problem der Menschen ist wohl vor allem, dass sie Ihren Ursprung vergessen haben, dass sie sich getrennt fühlen, vom Rest der Schöpfung.» «Alles nur Arroganz und Überheblichkeit!» meinte Benjamin bitter.» « Enttäuschung spricht aus deinen Worten. Dabei gibt es so wunderbare Menschen. Ihr gehört zu ihnen, seid aufrichtig und offen für alles Lebendige. In euch ist doch eigentlich so viel Liebe für die Schöpfung und ihre Geschöpfe. Viele Menschen haben jedoch ihren Glauben an sich selbst und den Glauben an andere verloren, weil die vergängliche Welt, ihnen oft so schwere Bürden auferlegt.
Und dennoch, wächst so mancher über sich hinaus und leistet Unglaubliches. Ihr Geist ist sehr komplex und sehr lernfähig.» «Das Gefühl habe ich eher weniger,» gab Benjamin zurück. «Du hältst nicht sehr viel von deiner eigenen Rasse, nicht wahr?» stellte Niksana fest.» «So kann man es auch nicht gerade sagen. Aber ich sehe die Menschheit realistisch, ich sehe was in der Welt geschieht und oftmals frage ich mich, warum alles so ist, wie es ist und nicht so wunderbar sein kann, wie hier in der Märchenwelt, wo jeder für den anderen da ist, wo man im Einklang lebt mit der Natur und ihrer Kreatur. Die Menschen haben vergessen, worauf es wirklich ankommt und verlieren sich so immer mehr in der materiellen Welt und in deren materiellen Fesseln.»