In der Unterwelt- Gob der Höllendrache
Vorsichtig näherten sie sich der mächtigen Pforte. Zum Glück noch ziemlich weit entfernt, hörten sie auf einmal ein Brüllen und Kreischen. «Das ist Gob!» sprach Malek auf telepathischem Wege. «Das Brüllen kommt von seinem Tigerkopf, das Kreischen von seinem Menschenkopf.» «Das klingt ja schauerlich,» sprach Pia ängstlich. «Der Höllendrache ist auch eine schauerliche Kreatur. Wir sollten jetzt eigentlich endlich die Waffe finden, die wir gegen ihn einsetzen können.» «Vermutlich finden wir sie jenseits dieser Pforte,» bemerkte Benjamin.
«Ja, ich hoffe nur, wir kommen da auch rein.»
Sie traten an die verschlossene Pforte heran und in diesem Moment schwang diese, wie von Geisterhand, zurück und gab den Blick frei auf eine, mit magischem, silbernen Licht erfüllten Höhle! Das Licht wirkte sehr tröstlich, nach der Düsternis und Tristesse der vorherigen Umgebung. Es kam von einem silbern schimmernden Pfeilbogen, der über einem Art Steinaltar schwebte. Daneben befand sich ein Köcher mit sieben, ebenfalls silbernen Pfeilen darin.
«Das muss die Waffe sein!» rief Malek. «Kann einer von euch mit so etwas umgehen?» Benjamin erwiderte: «Also ich habe schon mal Pfeilbogen geschossen, zusammen mit meinem Vater, aber… das ist schon so lange her.»
«So etwas verlernt man nicht so schnell. Nimm ihn und denk daran, dass du Gob, genau am Ansatz seiner drei Köpfe treffen musst.»
«Aber, wenn nun diese Waffe mit irgendeinem Mechanismus gesichert ist? Vielleicht kommen Spitzen oder Giftpfeile aus der Wand, wenn wir den Bogen wegnehmen, ähnlich wie damals bei Indiana Jones oder irgendein Monster wird freigelassen und stürzt sich auf uns. Vielleicht regnete es auch auf einmal Lava, die Höhle stürzt ein oder sie wird überschwemmt.» Malek lachte: «Du hast da ja eine rege Fantasie, was tödliche Fallen angeht, Ben.»
«Ich bin eben vorsichtig.»
«Vielleicht hast du ja recht. Ich werde also zur Sicherheit einen Schutzschild, um uns herum errichten und sollte uns irgendwie der Weg abgeschnitten werden, kann ich immer noch meine Magie einsetzen. Da drüben, am anderen Ende der Höhle, ist übrigens das zweite Tor. Gob könnte gut dahinter auftauchen. Wir machen uns lieber auf alles gefasst.»
«Okay… dann nehme ich die Waffe also mal an mich. Ich hoffe, wir überstehen das unbeschadet.»
Ganz langsam und vorsichtig, nahm der Junge den silbernen Bogen und den Köcher vom Altar. Kurz darauf, erzitterte tatsächlich der Boden unter ihren Füssen. Die zweite Pforte, welche noch vor ihnen lag, begann sich, beinahe im gleichen Moment, wie eine Zugbrücke abzusenken. Der Boden erzitterte noch mehr und zwischen den Freunden und dem zweiten Tor, riss er plötzlich auf und ein tiefer Graben entstand, in dem ebenfalls Lava brodelte. Hinter dem Tor vernahmen sie nun ganz deutlich das Brüllen und Kreischen von Gob, zu welchem sich nun auch noch ein Zischen gesellt hatte.
«Das Zischen ist von seinem Schlangenkopf!» rief Malek, diesmal nicht nur in Gedanken. «Macht euch bereit! Ich glaube er wird sogleich kommen und der einzige Weg für uns, sowie für ihn, führt über die Zugbrücke. Es ist tatsächlich eine Falle. Das Entfernen des Bogens, löste das Absenken des Tores aus, um Gob auf uns loszulassen. Bleibt stark!»
Die Geschwister fühlten lähmende Furcht in sich aufsteigen, als sich das Tor vor ihnen nun über den Graben legte und in der Finsternis dahinter auf einmal drei Augenpaare auftauchten, die unheimlich leuchteten. Es waren ein Paar Schlangenaugen, ein paar Tigeraugen und ein paar, stark aus dem Gleichgewicht geratene, Menschenaugen:
Wie erstarrt blieben die Freunde stehen, als sich eine riesige Gestalt, immer mehr aus den Schatten schälte. Sie wirkte wie eine Art dreiköpfige Hydra, nur dass seine Köpfe viel schauerlicher anzusehen waren. Das Schlangenhaupt wand sich wie ein eigenes, lebendiges Wesen. Das Tigerhaupt fletschte seinen spitzen Zähne und die Augen, des stark entstellten Menschenhauptes, rollten wie dunkelbraune Kiesel hin und her. Der Körper von Gob allerdings, war der einer grün- braunen Echse. Wahrlich eine schauerliche Gestalt und diese Gestalt kam nun über die Brücke, auf sie zu!
Benjamin legte zitternd den ersten Pfeil auf die Sehne und schoss. Doch er verfehlte Gob! Wieder brüllte und zischte das Monster und kam in einem erstaunlich schnellen Tempo näher.
Sein drei Häupter stiessen zu und verfehlten die drei nur knapp, welche sich mit einem Sprung nach hinten, in Sicherheit brachten.
Malek wirkte einen Zauber, doch Gob liess sich davon kaum beeindrucken. Er war nur schwer zu verwunden. Der Höllendrache wurde dadurch nur zornig und auf einmal schoss Feuer, aus dem Maul des gelbschwarzen Tigerhauptes!
Pia konnte sich etwas zu spät in Sicherheit bringen, wurde von dem Feuerstrahl getroffen und nach hinten geschleudert. Sie blieb jedoch unverletzt und rappelte sich sogleich wieder auf. Die Gewänder erfüllten also ihren Zweck!
Malek wirkte noch ein paar Zauber, um Gob von Benjamin abzulenken, welcher nun erneut einen Pfeil auf die Sehne legte. Der Höllendrache, richtete seine Aufmerksamkeit auf Malek und als er diesen erkannte, wurde er noch angriffslustiger. Der Magier wusste auch warum. Immerhin hatte er den Herrn der Finsternis und damit auch Gob dessen Schosstier, verraten und Verrat musste bestraft werden. Diesmal spukte das stark entstellte Menschenhaupt einen Feuerstrahl gegen Malek. Jener wob seinerseits einen Feuerzauber und sein blaues Feuer traft auf das rot-orange Gobs.
Nun begann ein Kräftemessen, dass seinesgleichen suchte. Der Magier nahm all seine Kraft zusammen und schliesslich loderte eine riesige Stichflamme auf! Gob taumelte überrascht, von der Stärke seines Gegners, zurück.
«Jetzt!» rief Pia ihrem Bruder zu. Benjamin legte an und schoss ein zweites Mal, doch wieder verfehlte er die verwundbare Stelle, am Ansatz von Gobs Köpfen, knapp. Der Drache schüttelte sich zornig und wollte sich nun dem Jungen zuwenden.
Doch Malek handelte blitzschnell und feuerte einen seiner stärksten Zauber auf Gob, welcher nun schmerzerfüllt aufschrie. «Ist das schon alles?» fragte Malek «Du scheinst ziemlich nachgelassen zu haben. Na los! Zeig mir endlich, was du kannst!»
Gob wurde immer zorniger, als würde er die Worte von Malek genau verstehen und schoss sich nun erneut auf selbigen ein.
Das hatte der Zauberer auch beabsichtigt. Er wollte Gob, so gut als möglich, von den Kindern ablenken. Gob begann nun mit dem Schlangenkopf nach Malek zu schnappen, doch er konnte ihn aus irgendeinem Grund, nicht wirklich verletzten. Während Malek sich gegen den einen Kopf zur Wehr setzte, sandten die anderen beiden Monsterköpfe, ihren Feueratem, gegen die beiden Kinder. Doch auch diese blieben unversehrt. Das verwirrte den Drachen und machte ihm irgendwie Angst. Noch nie war er solch hartnäckigen Wesen begegnet.
Benjamin wicht so gut er konnte den Attacken des dreiköpfigen Ungetüms aus und wartete einen weiteren, günstigen Moment ab, um den nächsten Pfeil abzuschiessen. Doch es folgten noch ein paar weitere, erfolglose Versuche. «Kannst du ihn irgendwie ruhigstellen?» rief er Malek zu. «Es muss nur ein paar Sekunden sein!»
Malek nickte und sprach eine Zauberformel. Und tatsächlich! Kurz darauf, war der Drachen für einen Moment lang bewegungsunfähig. «Schnell!» brüllte Malek. «Ich kann ihn nicht lange halten.» Benjamin legten noch einmal an und versuchte sich mit aller Macht zu konzentrieren.
Der Pfeil schnellte von der Sehne und bohrte sich nun endlich in die schuppige Haut des Monsters! Im selben Moment fiel die Betäubung von diesem ab und Gob bäumte sich mit einem markerschütternden Brüllen auf. Der allerletzte Pfeil hatte endlich sein Ziel gefunden!
«Treffer!» schrie Pia begeistert und umarmte ihren Bruder.
Gobs Köpfe schlenkerten wild hin und her und versengten die Umgebung mit ihren Feuerstrahlen. Die drei Freunde brachten sich in sicherem Abstand, aus der Schusslinie. Grünes Blut floss nun aus einer Wunde an Gobs Hals, die ihm der silberne Pfeil zugefügt hatte.
Das Monster wand sich im Todeskampf, verlor das Gleichgewicht und taumelte zurück. Seine Pranken verloren den Halt und es stürzte hinab in den Lavafluss unter der Zugbrücke. Noch einmal hörte man seine Todesschreie und dann schlug die zischende Lava über dem Höllendrachen zusammen. Feuersalven schossen kurz darauf nach oben. Schützend hoben die drei Freunde die Arme über den Kopf.
«Schaut, die Zugbrücke… sie wird wieder nach oben gezogen!» schrie Benjamin auf einmal entsetzt. «Wir müssen uns beeilen! Schnell, schnell!!» Die drei liefen so schnell sie konnten zur Zugbrücke und sprangen in die Höhe. Im allerletzten Moment erwischten sie diese noch und konnten sich hinauf auf deren Rand ziehen. «Festhalten!» schrie Malek, «wir müssen, im richtigen Moment, auf der anderen Seite wieder herunterrutschen, bevor die Brücke zu weit oben ist. Einen Moment noch… wartet…wartet...! Jetzt!!» Die Freunde liessen los und rutschten laut schreiend dem glatten Holz des Tores entlang, nach unten. Kurz darauf schloss sich dieses dumpf hintern ihnen und Finsternis umfing sie…