In der Unterwelt- Auf dem Blut Meer
«Das war aber diesmal knapp!» sprach Pia, wieder auf telepathischem Wege, während sie weiter dem Strand entlang eilten, auf der Suche nach irgendeinem Schiff, dass sie über das Meer bringen konnte. «Ich hätte nicht gedacht, dass wir so schnell aus dem Lot geraten würden. Das war echt unheimlich. Zum Glück konnte Benjamin genug Licht zusammennehmen, um diese finsteren Wächter auseinander zu treiben.»
«Ja, das hast du wirklich sehr gut gemacht Benjamin. Du warst sozusagen unsere Rettung!» sprach Malek anerkennend und drückte den Jungen kurz an sich. «Ohne dich, wären wir wahrscheinlich verloren gewesen und hätten uns schlussendlich sogar in den Kreis, der armen Seelen hier, eingereiht.»
«Aber eigentlich hast ja du zu uns gesagt, wir müssen uns unbedingt zusammenreissen. Das hat mir geholfen, aus diesem Zustand wieder aufzuwachen.»
«Ja, das stimmt!» meinte Pia «auch ich bin wieder erwacht, dankt der Worte die du gesprochen hast.»
«Ich erinnere mich irgendwie kaum noch an das, was genau geschah, es ist wie ein Filmriss. Das macht mir schon etwas Angst. Es war plötzlich so dunkel und tiefste Trauer, Verzweiflung und schliesslich Resignation, erfüllte mich.»
«Dein Blick war auch einen kurzen Moment lang ganz starr. Ich machte mir echt grosse Sorgen um dich!»
«Das war wahrscheinlich deshalb, weil ich all diese Gefühle, die ich vorhin in diesem schrecklichen Zustand hatte, in meinem Leben schon einmal durchgemacht habe und ich habe… schon einmal aufgegeben. Mein Zorn hat damals jedoch das Zepter übernommen, das war zugleich einen Schutz davor, ganz der Verzweiflung zu verfallen, aber andererseits auch ein Weg, voller Qual und Schmerz, für meine Seele und die Seelen so vieler anderer. Ihr jedoch wart das Licht, das mich zurückbrachte, nun schon das zweite Mal.»
Die Jugendlichen waren einen Moment lang sprachlos, sie wussten nicht was sie darauf erwidern sollten…
«Jetzt aber fertig mit der Lobhudelei!» rief Ben «wir sollten wirklich unbedingt ein Schiff oder etwas ähnliches finden, um irgendwie über dieses Blut Meer zu kommen! Was meint ihr zu dem dort drüben?» Er deutete auf ein uraltes, ziemlich morsch wirkendes Schiff, das an ein Kleinschiff aus der Antike erinnerte.
«Ich weiss allerdings nicht, ob das eine Reise über das Blut Meer übersteht. Es sieht aus, als wäre es zurückgelassen worden.»
«Schauen wir doch mal, ob es noch einigermassen funktioniert,» schlug Malek vor.
«Aber… wir kennen uns überhaupt nicht mit solchen Schiffen aus,» gab Pia zu bedenken.
«Ein Bisschen weiss ich schon darüber,» beruhige sie Malek.
«Ausserdem werde ich es noch zusätzlich mit einigen Zaubern verbessern, dann kommen wir da schon heil rüber. Ertrinken können wir ja nicht.»
«Bist du dir da sicher?» «Ja, ziemlich sicher…»
«Na, dann hoffen wir mal, du behältst Recht,» sprach Benjamin etwas skeptisch.
Nach einer Weile hatte Malek das Schiff in Augenschein genommen und da und dort einige Reparaturzauber gewirkt. «Ich glaube, es sollte jetzt gehen. Ich habe es repariert und werde es jetzt noch mit einigen nützlichen Zaubern verstärken. Steigt ein!» Die Geschwister taten, wie ihnen geheissen und sogleich setzte sich das Gefährt, wie von Geisterhand, in Bewegung. Malek murmelte einige Worte in fremder Sprache und das Schiff schlug sogleich einen besonderen Kurs ein. «Meinst du, es bringt uns an den richtigen Ort?» fragte Pia.
«Ja, ich denke schon, denn die Strömung ist bestimmt so eingerichtet, dass sie stets ins Zentrum der Unterwelt führt.»
«Du meinst, wir sind auf dem Weg zum Zentrum der Unterwelt?»
«Sieht fast so aus. Es würde jedenfalls am meisten Sinn machen.»
«Weisst du denn, was uns dort erwartet?»
«Ich kann nur wiedergeben, was ich darüber las, ob es aber auch wirklich stimmt… In einigen Chroniken jedenfalls, wird von einem kreisförmig angeordneten Reich, aus Asche und Glut gesprochen, das umgeben ist von feurigem Wasser, wo mannigfaltige Gefahren lauern. Dort sollen all jene leben, die das Böse, um der Bosheit willen tun. Je weiter man reingeht, umso schlimmer wird es. Rachegeister treiben dort ihr Unwesen mit Schwingen, wie Kohle und schrecklichen Schwertern bewaffnet. Sie sorgen dafür, dass nichts aus dem Inneren des Reiches nach aussen dringen kann und nichts von aussen in die innersten Kreise gelangt.
Der Herr der Finsternis, lebt in einem riesigen schwarzen Schloss, umgeben von seinen Getreuen. Er ist jedoch selbst wie ein Gefangener, denn er kann das Zentrum nicht verlassen, nur durch eine Art Astralprojektion, kann er den Geschöpfen der Oberwelt begegnen.»
«Das klingt aber ziemlich gefährlich…» meinte Benjamin erschrocken. «Wie sollen wir dann dort reinkommen, wenn es so streng bewacht wird?»
«Das müssen wir wohl einfach herausfinden. Mit den Gewändern schaffen wir das schon! Wir dürfen uns nur nicht von Ängsten oder zu vielen Emotionen überwältigen lassen, wie vorhin am Strand. Wir müssen uns mental von all diesen Schrecken distanzieren, das ist unsere einzige Chance!»
«Oft kann ich kaum glauben, auf was wir uns das eingelassen haben!» meinte Ben. «Gerade erst, waren wir noch ganz normale Jugendliche und lebten in unserem friedlichen Häuschen am Waldrand und nun sind wir… tatsächlich bald im Zentrum der Unterwelt! Was, wenn wir nie wieder zurückkehren?»
«Ich glaube, solche Gedanken, dürfen wir gar nicht erst zulassen!» sprach Pia ernst. «Wir gehören, so oder so, nicht hierher und auch wenn uns etwas zustossen sollten, werden wir keinesfalls hierbleiben, denn unsere Seelen sind zu sehr verbunden, mit dem Licht. Ich glaube, solange wir uns dessen bewusst bleiben, kann uns nichts geschehen.»
«Pia hat recht,» stimmte Malek zu, obwohl er tief in seinem Inneren, überhaupt nicht jene Sicherheit verspürte, wie er die Geschwister glauben machen wollte. Eigentlich machten ihm die Dinge hier, viel mehr Angst, als er sogar sich selbst eingestehen wollte. Er spürte wie die Last und Schwere dieser Welt, auf seine Seele drückte. Das Atmen fiel ihm, trotz der Gewänder, schwer und wenn er daran dachte, dass er vielleicht bald dem Herrn der Finsternis leibhaftig gegenüberstehen würde, drehte sich ihm beinahe der Magen um. Er schaute hinab in das zähflüssige Blut- Wasser, das dem Kiel des Schiffes entlang schwappte und es kam ihm irgendwie vor, als ob sich unter seiner Oberfläche, etwas bewegen, etwas regen würde. Seltsame, weissliche Schemen, glitten dort unten dahin und auf einmal, wurde das Schiff, mit einem Ruck gestoppt!!