Einen Moment wurde es still auf dem Platz. Angespannt beobachtete ich die Menge die Starr vor Schock auf die Bühne schauten, wo der zuckende Körper des Auktionators lag und seine letzten Atemzüge machte.
Dann brach wortwörtlich die Hölle los: Waffen wurden gezückt, Schüsse und Schreie durchbrachen die einstige stille. Hope schnappte sich blitzschnell meinen Arm und zog mich hinter sich weiter zum Tor des Palastes der sich vor uns erhob.
„Er hat ihn erschossen“ stammelte ich fassungslos. „Er hat ihn einfach erschossen“
„Vergiss nicht das du vor weniger als einer halben Stunde das selbe vorhattest“ gab mir Emanuel zu bedenken.
„ Das stimmt gar nicht“ bestritt ich schnell.
„Wollt du nicht die Sklaven befreien?“ wollte Hope wissen während wir zum Palasttor hetzten.
„Die Sklaven befreien, ja. Aber den Auktionsleiter töten definitiv nein“ flüsterte ich als Hope langsam das Tor öffnete.
„Glaub mir: Das eine wäre ohne das andere nie gegangen“ sagte Emanuel.
Ich schluckte und betrat hinter seiner Schwester die Marmorhalle. Staunend blieb ich neben meiner Gefährtin stehen.
Ich hatte Geschichten gehört von dieser Halle. Sehr viele Geschichten. In vielen war von Prunksucht die Rede, in anderen von Größenwahn. Doch in Wahrheit war es noch viel beeindruckender: Die ganze Halle war aus schwarzem polierten Stein. Unsere Schritte halten von den Wänden während wir langsam durch die vier Meter hohe Flügeltüren gingen und uns beeindruckt umsahen. Viele Goldene Mannshohe Statuen von Engeln standen an den Seiten aufgereiht, manche aus Gold andere aus dem selben Stein wie die Wände und Böden der Halle. Noch nie hatte ich so etwas schönes gesehen.
Links und rechts von uns waren jeweils vier Buntglasfenster durch denen die Nachmittagssonne schien. Neugierig betrachtete ich das erste links von mir: Es stellte einen Engel dar.
„Ein fallender Engel“ murmelte ich zu mir selbst.
Langsam ging ich auf das Buntglasfenster zu. Ein männlicher Engel war zu erkennen, mit halb langen Haaren, der ohne Frage fiel. Doch von wo er runter fiel war nicht dargestellt. Auch nicht wer es war. Es war nur das Profil des Engels zu erkennen. Er war Oberkörper frei und trug nur eine schwarze Hose. Doch das markantes an dem Bild, das mir schon weitem ins Auge gefallen war, waren die Flügel des Engel.
Die Flügel des Engels waren unten aus Gold und aus Federn, wie die Flügel der Erzengel. Doch von oben floss etwas schwarzes langsam und dickflüssig auf seine Flügel. Darunter wurden sie lediglich wie die Flügel eines Drachen.
„Teer“ flüsterte Hope die neben mir stand und mit betretener Miene auf das Bild schaute. Kalter Schauer lief mir über den Rücken.
„Das Fallen des Luzifers“ betitelte eine Stimme hinter uns das Bild.
Erschrocken fuhren wir herum, die Hände bereits kampfbereit auf den Dolche, die wir unter den breiten bauschigen Mantel versteckt hatten.
Und gegenüber, auf der rechten Seite der in die lange gezogenen Halle, stand lässig an eine goldene Engelsstatue gelehnt der Bogenschütze vom Dach.
„Wer bist du?“ wollte ich wissen und drehte mich vorsichtig zu ihm.
Seufzend ließ er sich auf und zog seine Kapuze vom Kopf und ging lässig auf uns zu. Vor uns blieb er stehen. Sein dunkelbraunes Haar stand wirr vom Kopf. Er trug einen dreitägigen Bart und grinste uns frech an als könnten wir ihn nie besiegen, obwohl er alleine und einen ganzen Kopf kleiner war als Emanuel der rechts von mir stand und knurrte.
„Ray“
Verwirrt drehte ich mich zu ihm. „Du kennst ihn?“
„Jeder kennt ihn hier“ knurrte nun Hope.
„Was soll das bedeuten? Ich versteh nicht…“ Verwirrt wandte ich mich von einem zum anderen um eine Antwort zu bekommen.
Seufzend rettete mich dieser Ray aus meinem Unwissen. „Sie wollten damit sagen das mich hier jeder kennt wegen meines Adoptivvaters“
Ich schluckte die schlimme Vorahnung hinunter und fragte mit kalter Stimme:
„Und wer sollte das sein?“
Selbstgefällig grinste er zur Antwort und breitete die Arme aus.
„Na wer wird das schon sein“ lachte er höhnisch. „Er erwartet euch übrigens schon im Audienzzimmer. Ich führe euch gerne dort hin“ Neckisch verneinte er sich vor uns.
Kalter Schweiß brach mir aus.
„Luzifer“ keuchte ich. „Woher weiß er das wir hier sind?“ fragte ich mit fester Stimme.
Ray lachte heißer auf. „Er ist immer noch ein Erzengel, Raven. Und wie jeder Erzengel hat auch er seine Getreuen. Überall in der Welt der Engel“
„Er hat mich beobachtet“ stellte ich nüchtern fest, doch in mir sah es anders aus. „Warum?“ brach es aus mir heraus.
„Ja er hat dich immer im Auge behalten“ gab er mir recht.
„Will er mich töten?“ fuhr ich meine Befragung weiter.
Meine Gefährten wurden zunehmend nervöser.
„Was verschweigt ihr mir?“ wollte ich wissen.
Schuldbewusst fuhr Emanuel sich durch seine Haare. Hope öffnete ihren Mund und schloss ihn wieder.
„Ich dachte ihr seid meine Freunde“ warf ich den beiden kalt an den Kopf.
„Wir sind deine Freunde“
„Warum belegt du mich dann, Hope?“ fuhr ich sie genervt an.
„Warum glaubst du sind wir hier? Es ist besser wenn Luzifer es dir selbst erklärt“ erklärte Hope. „Glaub mir doch Raven, wir sind deine Freunde. Doch du hast das Recht es aus seinem Mund zu hören. Du würdest es uns nie glauben“
„Wo wir doch gerade über den alten Schwerenöter sprechen“ Ray begann in seinen Taschen zu kramen bis er eine alte versilberte Taschenuhr aus einer Manteltasche an einer feingliedrigen Kette herauszog. Mit zusammengezogenen Augenbrauen sah er drauf bis er sie mit einem Klack schloss und sie wieder in seiner Manteltasche verstaute. „Wir sollten gehen. Er erwartet uns schon ungeduldig“ Angespannt folgten wir ihm durch die Tür, durch die er zu uns gekommen ist.
Ray führte uns nun ebenfalls deutlich angespannt durch einen breiten Flur.
Nervös sah ich mich um. Unter unseren Stiefeln hallte jeder Schritt auf den dunklen Fliesen. Links und Rechts von uns hingen Bilder an den Wänden. Die meisten waren Ölbilder von Landschaften. Einzelne zeigten Bilder von Engeln wobei ich feststellte das die meisten vom selben sind.
„Der gefallene Engel vom Buntglasfenster“ flüsterte ich nachdenklich.
„Luzifer“ sagte Ray angespannt.
Ruckartig blieb ich vor einem der Bilder stehen. Es zeigte wieder den Engel, doch dieses Mal stand eine Frau und ein weiterer Mann neben ihm. Sie lächelte glücklich. Ich kannte die Frau von Bildern.
„Meine Mutter“ hauchte Ich fassungslos. Dann eigentlich ich auf den Mann daneben. „Das ist Vater. Zusammen mit…“
„Luzifer“ nickte Ray der neben mir stand. Nachdenklich betrachteten wir zusammen das Bild bis er sich räusperte. „Wir müssen leider weiter“
Ich nickte und folgte ihm weiter durch den Korridor. Die Entdeckung meiner Eltern auf einem gemalten Bild warf neue Fragen auf. Was hatte dies alles zu bedeuten?
„Wie bist du zu Luzifer gekommen?“ brach ich die Stelle während wir Ray durch den Flur folgten.
Ich beobachtete wieder er sich auf die Lippen biss.
„Meine Eltern starben als ich noch ganz klein war“ begann er zu erzählen. „Ein Überfall der Rebellen auf unser Dorf. Nun lange Rede kurzer Sinn: Es gab niemand der sich um mich kümmern hätte können. Meine Großeltern waren ebenfalls tot und da beschloss Luzifer sich mir anzunehmen“
„Warum?“ wollte ich nun wissen.
„Ray‘s Vater war Hauptmann in Luzifer Leibgarde“ mischte sich nun Hope ein. „Er war sein bester Krieger. Es war ein großer Verlust für die Unterwelt“
Seine Geschichte erinnerte mich an Taylor’s Schicksal. Sein Vater war ebenfalls im Kampf gestorben.
„Dein Verlust tut mir wirklich sehr leid“ sagte ich nach einer weile. Ein Schatten blitzte über sein Gesicht.
„Danke doch das ist viele Jahre her und um ehrlich zu sein kann ich mich nicht mehr an sie erinnern“ gab er schwermütig zu.
„Ein Teil von ihnen wird immer in dir weiter Leben“ gab ich ihm zu bedenken.
Er nickte nachdenklich. „So wie deine Mutter in dir“
Kurz irritierte mich das gesagte. Doch dann fing ich mich wieder und nickte nur.
„Es ist sein Lieblingsbild“ sagte Ray plötzlich. „Es gibt Tage da steht er Stunden vor dem Bild“
Verwirrt blieb ich stehen.
„Ich verstehe nicht…“ stotterte ich. Aus den Augenwinkeln beobachtete ich wie Hope Ray einen verärgert Blick zu warf.
„Hör auf Ray“ knurrte sie doch er beachtete sie nicht. Emanuel seufzte nur.
„Das Bild von ihm, Charlene und Michael“ erinnerte er mich. „Er besucht es mindestens einmal am Tag“
„Aber“ sein Gehirn wollte es nicht wahr haben. Warum sollte Luzifer ein Bild von sich und meiner Eltern besuchen? Warum besitzt er es ueberhaupt? „Er und mein Vater hassen sich“
Ray lachte. „Seid so ungefähr hundert Jahren, ja“
Ich schüttelte den Kopf. „Warum schaut er sich dann jeden Tag sein Bild an?“
Ray lachte lauter. „Ich glaube nicht das er sich Michael anschaut“
Kurz verstand ich seine Andeutung nicht, doch dann erinnerte ich mich wieder an das Bild. Luzifer der da stand, links von meiner Mutter, mit dem Körper einander zugewandt. Würde man meinen Vater herausschneiden der rechts von beiden stand, würde man es für das Bild eines Paares halten.
„Er trauert um meine Mutter“ stellte ich geschockt fest.
Ray nickte.
Kurze verdaute ich die gewonnenen Informationen bis sich in mir eine neue Frage bildete.
„Sie haben sich deswegen gestritten, Vater und Luzifer“
Diesmal mischte sich Hope ein. „Das Wissen nur die beiden“
„Wenn er das Bild gesehen hat, hat er mit Sicherheit auch verstanden das sein bester Freund auf seine Frau steht“ murmelte Emanuel.
Hope drehte sich verärgert zu ihren Bruder. „Findest du das hilfreich?“
„Schau dir das Bild doch an. Das sieht doch ein Blinder das die was hatten“ verteidigte er sich.
„Es ist Luzifer Recht Raven alles zu erzählen und nicht deines“ fauchte sie aufgebracht.
Ray nickte zustimmend.
„Hope hat Recht“ gab er zu als er mein Gesicht betrachtete. „Raven sollte die Geschichte von Luzifer hören“
Hope drehte sich verärgert zu ihm.
„Jetzt auf einmal, nach dem du ihr schon die Hälfte verraten hast“ fauchte sie weiter wie eine wild gewordene Katze.
„Ich wollte sie nicht ganz ins kalte Wasser werfen“ verteidigte er sich.
„Es steht uns aber nicht zu“ maulte sie weiter. „Es gibt Momente im Leben da ist es besser ins kalte Wasser geworfen zu werden“
„Ich finde sie war lange genug im Unklaren“ Ray funkelte Hope wütend an.
„Leute, ich glaub es wird Zeit weiterzugehen. Die Zeit läuft uns davon“ unterbrach nun Emanuel die beiden Streithähne.
Erschrocken zog Ray wieder seine silberne Taschenuhr aus seiner Manteltasche. Einen Augenblick starrte er auf das Zifferblatt, dann klappte er sie wieder zu und steckte sie eilends in die Manteltasche zurück.
„Er hat Recht“ murmelte er und eilte mit wehende Mantel voraus. „Uns läuft die Zeit durch die Finger. Beeilt euch“
Und so eilten wir weiter diesen schier endlosen Flur entlang.
Nach einigen schier endlosen Minuten standen wir wieder ml wieder vor einer Tür. Doch diese Tür war anders.
Hätte Ray nicht eine Türklinke aus seinem Mantel gezogen und an die Wand gesteckt hätte ich gar nicht gesehen das hier eine Tür wäre. Sie war in der identischen dunkelblauen Farbe wie der ganze Flur gestrichen. Nun öffnete Ray schwungvoll die versteckte Tür mit seiner mitgebrachten Türklinke und vor uns erstreckte sich ein riesengroßer Saal. Die Wände waren hier aus Marmor. Von der Decke hingen zehn goldene Lüstern. An den Wänden hingen riesengroße Gemälde von Kriegshandlungen und Engeln. An den Seiten aufgereiht standen wieder Statuen, diesmal aus Marmor.
Und auf einem goldenen Thron am Kopfende des Saales saß Luzifer.