Sie drückt mich an sich und da konnte ich mich nicht mehr zurückhalten und fing an zu weinen, doch sie tätschelte nur meinen Arm und flüsterte mir ins Ohr "Er wird es schaffen, aber du musst jetzt stark sein, du bist jetzt die beste Medizin die er hat! Du darfst ihn jetzt nur nicht aufgeben! Bleib stark!" Sie ging aus dem Zimmer und lies mich allein, ich schaute auf das notdürftig eingerichtete Zimmer und mein Blick wanderte wieder zu dem Bett in der Ecke. Dort lag er mein Beschützer und mein bester Freund. Es sah aus als würde er schlafen, doch ich wusste genau, das ich seine Augen zum letzten mal gesehen haben könnte. Diese wunderbaren Augen, die mir über die Jahre immer halt gegeben haben, die Augen, die mir geholfen hatten mit allem und jedem fertig zu werden, aber nicht nur die Augen würde ich vermissen, auch seine Worte, für die ich gekämpft hatte, die mir von Anfang an Mut zugesprochen haben, die meine Hoffnung waren in den dunkelsten Stunden, all dies möglicherweise verloren, nur weil ich einen Moment abgelenkt war? Konnte dies meine Strafe sein, dafür das ich selbstsüchtig meinen Liebsten gerettet hatte? Warum hatte ich nicht gleich am Anfang gesagt, das er daheim bleiben sollte? Ich war tatsächlich so naiv zu glauben, das für ihn keine Gefahr besteht, weil ich die war die sie wollten. Ich hatte in nur ein paar Jahren mein ganzes Leben zugrundegerichtet. Ich wischte mir die Tränen hab, schaute ihn eine letztes mal an und verließ das Zimmer.
Einige Jahre zuvor...
,,Wie kann der nur so gemein sein, der hat doch gesehen, das es mir nicht gut ging, da hätte er auch ein Auge zudrücken können!" Meine Freundin saß neben mir am Stuhl, wir warteten auf unseren Englischlehrer voller Freude, nach dieser anstrengenden Mathestunde war alles eine Abwechslung. Sahra, meine Freundin hatte an der Tafel Aufgaben machen müssen, was ihrer Meinung nach völlig unnötig sei, unser Mathelehrer war da aber leider ganz anderer Meinung. ,,Mathesachen weg, jetzt kommt das beste Fach der Schule!" Unser Englischlehrer kam durch die Tür, er fing sofort mit dem Unterricht an, und ehe wir uns versahen, war der Zeiger der Uhr schon um zwanzig Minuten weiter gewandert, da klopfte es an der Tür. ,,Herein bitte." ,,Entschuldigen Sie bitte meine Störung, aber ich habe hier eine sofortige Befreiung vom Unterricht für Tessa Darisch." Als ich meinen Namen hörte schaute ich überrascht auf. Und starrte nicht weniger überrascht die Person in der Tür an, denn dort stand niemand anderes als meine Reitlehrerin, die vor einem Jahr umgezogen war. ,,Also Tessa, du hast es gehört, auch wenn es mir sehr schwer fällt, muss ich dich gehen lassen." Mit einem leichtem Lächeln auf den Lippen deutete mein Englischlehrer zur Tür. Unter den überraschten und neidischen Blicken meiner Mitschüler packte ich meine Sachen, Sahra schaute mich fragend an und ich konnte nur mit den Schultern zucken, ich hatte wirklich keine Ahnung, was Carina, so hieß meine Reitlehrerin, von mir wollte. Und trotzdem verließ ich das Klassenzimmer, kaum war die Tür hinter uns zu, schaute mich meine Reitlehrerin an, streckte mir eine Reithose entgegen und sagt: ,,Zieh die an, in Jeans ist zu reiten ist nur halb so angenehm, aber beeil dich, in wenigen Stunde müssen wir im Quartier sein." Als ich nicht reagierte fügte sie noch dazu, sie werde mir alles unterwegs oder im Quartier erklären, aber im Moment warte draußen vor der Schule meine Leibgarde und die sei ziemlich ungeduldig, wenn wir also nicht schnellst möglich zu ihnen stoßen, könne es gut sein, das sie nicht warten, und uns suchen, und das würde zuviel aufsehen erregen. Ich muss ziemlich erschrocken ausgesehen haben, den sie meinte besänftigend: ,,Wie gesagt, es gibt für alles eine Erklärung, du musst mir aber zuerst einmal ein bisschen vertrauen." Aber ich dachte nicht daran. Wie konnte ich auch einer Frau vertrauen, die, bis auf das sie mir das reiten beigebracht hat, eine Fremde für mich war. Nachdem sie weggezogen war, hatte ich sie fast vergessen, und dann tauchte sie auf einmal in meiner Schule auf, faselte etwas von einer Leibgarde und wollte das ich mit ihr mitkomme.
Da hörte ich auf einmal hinter mir ein leises Lachen, dieses Lachen kannte ich nur zu gut. Das Lachen gehörte niemand anderen als meinem besten Freund Juli. Juli, sein ganzer Name ist natürlich Julian, und ich kennen uns schon aus dem Sandkasten, obwohl ich ein Jahr älter bin, waren wir immer unzertrennlich. Und obwohl wir uns inzwischen zu komplett unterschiedlichen Menschen entwickelt haben, konnten wir immer noch über alles reden. Dinge, die ich Sahra nie anvertrauen würde, erzählte ich ihm, und andersrum genauso.
Man muss mir wohl angesehen haben, dass ich komplett verwirrt aussehen musste, denn Juli fing sofort an noch mehr zu lachen. Ich drehte mich gespielt beleidigt weg, denn ich konnte auf Juli nie sauer sein. Er hörte auf zu lachen und ich drehte mich wieder zu ihm um. ,,Tessa, wenn du ihr nicht vertrauen willst, vertrau mir, ich erzähl dir auf dem Weg wirklich alles, aber wir müssen jetzt wirklich los." Ich sah den Blick in seinen Augen, in ihm lag eine solche Ernsthaftigkeit, wie ich sie erst selten gesehen hatte, da nahm ich die Reithose ging zur Toilette und tauschte sie gegen meine Jeans. Als ich fertig war, nahmen mich Carina und Juli in die Mitte und führten mich aus dem Gebäude. Allerdings gingen wir am Haupteingang vorbei und durch eine kleine Seitentür raus. Ich wollte gerade fragen wo genau meine sogenannte Leibgarde sei, da sah ich sie, und es verschlug mir sofort die Sprache. Die Leibgarde bestand aus ungefähr zwei dutzend schwer bewaffneten Männern, alle auf schwarzen Arabern, deren Fell glänzte. Als sie uns sahen, wurde ein weitere schwarze Araber und eine Fuchsstute herbeigebracht. Ich kannte die Stute nur allzu gut, sie war das erste Pferd, von dem ich hinuntergefallen bin, oder wie es Carina nannte, sie war das erste Pferd, dass mir beibrachte den Sand zu küssen. Als ich zurückzuckte, als ein Mann versuchte mir auf die Stute zu helfen lachte Juli leise: ,,Keine Angst, Hiri wird dir nichts tun, aber als Vorsichtsmaßnahme, werd ich mit dir reiten" Ich sah ihn überrascht an, ich dachte immer, dass er Angst vor Pferden habe, es schien aber so, als sei Hiri, wie er sie nannte, sein eigenes Pferd.
Als wir nun alle aufgestiegen waren gab einer, ich nahm an, das er der Anführer sei, ein Zeichen und alle Pferde liefen langsam los, doch nach nur ein paar Schritten fielen die Tiere in einen schnellen Galopp, ich musste zum Glück nichts anderes machen als zu sitzen, Juli hatte gleich am Anfang die Zügel übernommen, und führte die Stute nun in mitten der anderen Pferde so sicher, wie ich es nie geschafft hatte. Nach wenigen Minuten drehte ich meinen Kopf und fragte was das nun alles zu bedeuten hatte. Juli seufzte und sagte: ,,Ich glaube es ist besser, wenn du die ganze Geschichte erst im Hauptlager hörst, nur so viel sei gesagt, wir alle sind zu deinem Schutz da, du bist im Moment eine der meist gesuchten Personen, zumindest da wo wir alle herkommen." ,,Was meinst du, du kommst nämlich von dem gleichem Ort wie ich, die anderen kenne ich nicht, und so groß ist unser Dorf dann auch nicht, dass ich nicht einen von ihnen kenne!" Ich verstand nun überhaupt nichts mehr, Juli zuckte nur mit den Schultern und meinte er erkläre mir alles später. Da sah ich mir die anderen Reiter genauer an, vielleicht würde ich ja doch einen erkennen. Beim genaueren hinsehen bekam ich das Gefühl sie schon alle einmal gesehen zu haben, einen als ich das letzte mal beim Eisessen mit meinen Freunden war, einen mal an einem Vortrag in unserer Schule, als ob immer einer von ihnen bei allem was ich gemacht hatte dabei gewesen wäre, irgendwie wurde alles noch merkwürdiger.
Wir ritten in einen Wald. Nach einer gefühlten Ewigkeit kamen wir zu einem Wasserfall. aber anstatt daran vorbei zu reiten ritt der Erste schon hindurch. ,,Keine Angst, du wirst es nicht einmal merken!" Kam es von Carina, bevor sie direkt vor uns durch den nassen Vorhang ritt.
Ich schloss die Augen und wartete auf das kalte Wasser, aber es kam nicht. Langsam öffnete ich meine Augen einen Spaltbreit, wir waren nicht wie erwartet kurz vor dem Wasserfall, oder in einer Höhle dahinter, nein, wir befanden uns auf einem Feldweg, ritten einen kleinen Hügel hinauf, über uns die untergehende Sonne, so einen schönen Sonnenuntergang hatte ich noch nie gesehen, aber das konnte ja gar nicht stimmen, solange waren wir sicher noch nicht unterwegs, als ich aus der Schule kam war es noch nicht einmal zwölf Uhr, die Sonne konnte noch nicht untergehen, das war zu früh. Und außerdem waren wir nicht nass, was ich eigentlich erwartet hatte, da wir ja durch den Wasserfall geritten waren. Juli drehte sich um:,,Willkommen in Paxin!"...