Aufgeregtes Plärren ertönt in einer Nebenstraße eines kleinen Ortes. Reihe an Reihe sind die kleinen Appartements erbaut worden, in der hungrige Babys auf ihre nächste Mahlzeit warten. Reges Treiben herrscht bei den etwa 40 Familien. Amüsiert beobachten zwei ältere Damen das mühselige Hin und Her der Eltern. Nur kurz herrscht Ruhe, als die kleinen hungrigen Mäuler beschäftigt sind, bevor die winzigen, erst ein paar Tage alten Erdenbewohner, erneut ihre Eltern ruhelos umher scheuchen.
Es ist ein wunderbarer Morgen, der unschuldig beginnt und so grausam endet.
Niemand ahnt, was in den folgenden Minuten passieren wird. Niemand - außer Hausmeister K., welcher zielstrebig mit Besen und Stock bewaffnet, auf den Weg zu den 40 fröhlich zwitschernden Schwalbenpaaren ist. Wenige Augenblicke später scheint die Welt für einen Moment den Atem anzuhalten, horchend in die Stille.
Das Lied der Schwalben ist verstummt.
Dutzende Schwalbennester sind zerstört. Es erklingt herzerschütterndes Fiepen inmitten der Trümmer, des sonst schützendes Heimes. Auf dem Boden liegend. Vernichtet.
Hilflos fliegen die Eltern panisch über die Reste ihres Nestes, während ihre Kinder qualvoll auf dem schmutzigen Boden verenden. Besonders schmerzt der Anblick der Schwalbenmütter, welche es nicht rechtzeitig aus ihrem Heim geschafft haben und nun, im Todeskampf neben ihren Babys, qualvoll zucken oder mit gebrochen Flügeln versuchen zu fliehen - ohne Hoffnung auf Erfolg.
Ein Aufschrei erklingt von den zwei älteren Damen. Die Mitarbeiter der Tagespflege, unter dessen Dach die Schwalben ihre Nester erbaut hatten, stürzen aus den Räumen, vereint im fassungslosen Schweigen. Sie haben es schon einmal erlebt - ein Jahr zuvor. Wieso, fragen sie sich. Wieso musste dies erneut passieren? Wieso zeigte der Hausmeister, trotz mehrmaliger Bitte, keine Gnade?
Er tue nur seine Pflicht. An den Hauswänden machen die Nester Schaden und die Schwalben Dreck. Herr K. sorge dafür, dass alles seine Ordnung hat.
Ordnung?
Sie schauen hinab in das Chaos, welches der „pflichtbewusste Mann“ hinterlassen hat. Eine Spur der Verwüstung ist zu sehen - Ruinen der Schwalbennester, kleine leblose Vogelbabys, anklagende Elternpaare.
Es stellt sich mir die Frage, was den Menschen zum Menschen macht. Wo bleibt im menschlichen Handeln die Nachhaltigkeit, Fürsorge und das Recht? Wer bestimmt über die Erlaubnis des Seins?
Nur zwei Wochen.
Zwei Wochen hätte der Hausmeister warten müssen, bis die Vogelbabys flügge gewesen wären. Zwei Wochen, die etwa 120 Jungvögel das Leben gerettet hätte.
Das Bundesnaturschutzgesetz untersagt diese Art von „Selbsthilfe“. Doch wo kein Kläger, da ist auch kein Richter.
Diese Tragödie, die nicht nur hier, sondern deutschlandweit immer wieder passiert, sorgt dafür, dass die Schwalbe in der Vorwarnliste der gefährdeten Tierarten steht.
Bitte, liebe Mitmenschen, haltet euch an gängiges Recht und bitte, bitte zeigt, dass ihr ein Herz habt. Haben die Schwalben schon ihre Nester gebaut, dann wartet, bis der Nachwuchs ihr Heim verlassen hat, baut Kotbrettchen an oder findet gemeinsam mit den Bewohnern eine bessere Alternative, als die wüste Zerstörung.
Sorgt dafür, dass das Lied der Schwalben nicht für immer verstummt.