Heute war es endlich so weit. Endlich würde er Cleo wiedersehen. Es hatte ihn und seinen Vater Ewigkeiten gekostet mit Johannsen Kontakt aufzunehmen. Er war auch nicht sonderlich erpicht darauf gewesen, seine Schwester wiederzusehen.
Aber letzten Endes konnten sie ihn davon überzeugen, seinen Auftrag zu Ende zu bringen. Dann wäre er der Bruder, der seine lang verschollene Schwester nach Hause brachte.
Robin war dafür gewesen, zuerst zum König zu gehen, aber sein Vater hatte ihm erklärt, dass der König zurzeit außer Landes sei und sie es niemals schaffen würden mit dem 1. Prinzen in Kontakt zu treten.
Daher war Johannsen ihre einzige Chance gewesen überhaupt etwas zu bewirken. Jetzt liefen alle Vorbereitungen auf Hochtouren.
Die ganze Stadt wusste bereits davon und überall wurden Girlanden und Blumen aufgehängt. Nach nur zwei Tagen schien es so, als würde die Stadt selber erblühen. Das würde Cleo bestimmt gefallen. Allerdings würde es ihr bestimmt nicht gefallen, dass sie der Stadt vorgeführt werden soll. Geplant war es, dass sie zusammen mit ihren Brüdern in einer offenen Kutsche in die Stadt einfuhr.
Die Leute würden sich an der Straße versammeln und darauf hoffen, einen Blick auf die Prinzessin zu erhaschen.
Er, Toya und sein Vater würden dann auf Pferden hinterher reiten.
Nur noch wenige Stunden. Robin war schon mitten in der Nacht wach geworden und das ganze Haus hatte immer wieder geflucht, weil er nervös auf- und abgerannt war. Schließlich hatte man ihn dann vor die Tür geschmissen. Nun versuchte er verzweifelt seinen Vater in der Menge zu finden.
Sie mussten sich langsam fertigmachen, damit sie auch ja rechtzeitig am Treffpunkt ankamen.
Cleo würde ihn köpfen, wenn sie auf einmal alleine dastand.
Wobei sie hatte ja immerhin noch Toya.
Da!
Endlich hatte er ihn gefunden!
Sein Vater half gerade dabei einen der Festtagsbäume aufzustellen. In dessen Stamm waren zahlreiche Runen und Verzierungen geritzt. In einige wurden sogar Namen des Königshauses geschnitzt. Das galt als eine große Ehre.
Ob Cleos Name auch einmal dort stehen wird? Bestimmt!
Wenn er seinem Vater Glauben schenkte, war Cleo zu großem berufen.
Sobald der Baum sicher stand, winkte Robin seinen Vater zu sich.
Danach machten sie sich auf den Weg zurück nach Hause.
Endlich würde er eine Gelegenheit bekommen seine Uniform anzuziehen!
*
Nach gefühlten Jahrhunderten lässt sich Jerome endlich blicken. Ich habe praktisch schon einen Landgraben in sein Büro gelaufen. Am Anfang fällt es mir noch viel leichter, es mir auf dem Sofa bequem zu machen, aber mit jeder Minute werde Ich nervöser.
Meine gemischten Gefühle spielen anscheinend gerade mit meinem Magen ping-Pong, denn in der einen Minute platze ich gerade so vor Vorfreude und im nächste Moment krampft sich in mir alles zusammen. Ob nun aus Angst oder Trauer. Es ist definitiv kein schönes Gefühl.
Aber es wird sicherlich auch kein schönes Gefühl werden, alleine durch das Portal zu gehen und alle anderen hier zurück zu lassen.
Ich meine klar, Toya ist bei mir, aber er ist nicht unbedingt der perfekte Ersatz für meine Freunde und meine Familie.
„Alles in Ordnung, Cleo? Du wirkst etwas gestresst.“
Ich werfe ihm nur einen knappen Blick zu.
„Das war jetzt nicht dein Ernst oder?“
Jerome hebt abwehrend die Hände und lächelt leicht.
„Tut mir leid. Ein einfacher Versuch dich abzulenken.“
„Kommen die anderen auch bald?“
Er nickt und sein Lächeln verschwindet.
„Lukas holt die anderen mit dem Auto ab und dann kommen sie zusammen her.
Ms. Ravü müsste in den nächsten Minuten hier aufschlagen. Dann kannst du dich schon einmal umziehen.“
Verwundert sehe ich ihn an und deute auf meine Kleidung.
„Wieso denn umziehen? Ich dachte die Sachen wären meine Reisekleidung?“
„Ja das stimmt schon. Allerdings wirst du nicht mitten im Nirgendwo landen. Wenn alles nach Plan läuft wirst du dich kurz vor den Toren von Mantik wiederfinden. Das ist die Hauptstadt des Landes Süfjen, in der sich momentan auch Robin und sein Vater befinden sollten.
Wenn sie ihr Vorhaben geschafft haben, solltest du lieber ein Kleid tragen, die Beiden werden dann schon den Rest erledigen. Und Toya wird dich sicherlich keine Minute lang alleine lassen.
Mach dir also bitte keine Sorgen.“
Ich schnaube entrüstet, wie soll ich mir bitte keine Sorgen machen? Schließlich weiß ich immer noch nicht mehr als vorher. Das Land ist mir fremd und wahrscheinlich kenne ich nur 4 Personen auf der gesamten Welt. Also in der anderen Welt?
Es ist immer noch verwirrend, dass es mehrere Welten gibt. Ob ich mich jemals an den Gedanken gewöhne?
Mir graut es schon vor dem ganzen Prinzessinnengetue das mich erwartet. Ich werde viel lernen müssen, ständig auf alles achten müssen. Es wird verdammt anstrengend werden.
Ich seufze bei dem Gedanken daran und Jerome nimmt mich beruhigend in seine Arme. Seine Umarmungen werde ich auch vermissen. Mein richtiger Vater scheint ja nicht unbedingt der Vater des Jahres zu sein.
Vielleicht ist das ja die letzte Umarmung für eine lange Zeit.
Ich erschrecke als ich bemerke, dass meine Gedanken immer melodramatischer werden. Was zur Hölle ist nur mit mir los?
Jerome lässt mich erst los, als wir Ms. Ravüs Schritte hören. Sie scheint hektisch.
Wie ein Wirbelwind kommt sie in das Büro gestürmt und schaut missbilligend auf mein Outfit.
„Genau das hatte ich befürchtet.“
Sie kommt auf mich zu gerannt und packt mich an der Hand.
„Wir sind in ein paar Minuten wieder da.“
Wortlos stapfe ich hinter ihr her, das Schlimmste befürchtend.
Natürlich wurde bereits ein ganzer Raum umgeräumt. Auf einem Ständer hängt ein Kleid. Es ist ausgerechnet das Kleid mit der Schleppe. Wenn das nicht nach einem Stolperunfall schreit, weiß ich auch nicht.
„Meinst du, du schaffst es alleine da rein zu schlüpfen?“
Entgeistert schaue ich auf den Unterrock und die vielen verschiedenen Lagen Stoff. Nicht einmal im Traum würde ich mich damit alleine zurechtfinden.
Verständnisvoll lächelt sie.
„Na dann zieh dich schon Mal aus. Ich helfe dir.“
Mir ist es zwar peinlich mich vor ihr umzuziehen, aber mir bleibt wohl keine Wahl. Es ist allerdings schon traurig, dass ich mich in Zukunft wahrscheinlich nicht einmal mehr alleine anziehen kann.
Gefügig ziehe ich Hose und Wams aus und lege sie fein säuberlich zusammen. Es sind vielleicht die Einzigen Hosen die ich in naher Zukunft besitzen werde.
Sobald Ms. Ravü sieht, dass ich soweit fertig bin schmeißt sie mir eine durchsichtige Strumpfhose zu.
„Die ist aber nicht unbedingt zeitgemäß.“
„Nun meckere nicht, du wirst mir dafür noch dankbar sein.“
Ohne weitere wiederworte schlüpfe ich in die Hose und nehme dankbar ihre weitere Hilfe entgegen.
Mit einigen schnellen Handgriffen, sitzt erst der Unterrock und auch bald das Kleid.
Es dauert allerdings gefühlte Ewigkeiten, bis sie es endlich fertig geschnürt hat.
Danach ziehe ich noch schnell die Schuhe an.
Ms. Ravü reicht mir noch etwas Schmuck und ich lege ihn widerwillig an. Die Ohrringe schmerzen schon jetzt. Sicherlich, das war eine bessere Alternative, als mir Löcher stechen zu lassen, aber ich weiß nicht wie lange ich das aushalte.
Als ich fertig angezogen bin betrachtet sie mich mit ihrem skeptischen Blick. Fest entschlossen kommt sie zu mir und klaut mir mein Zopfgummi.
Sie kramt eine Weile in ihrer Tasche und holt dann ein Glätteisen aus ihrer Tasche.
Wirklich jetzt?
Genervt schaue ich erst dabei zu, wie sie meine Haare stylt und danach auch noch Make-up aus ihrer anscheinend bodenlosen Tasche holt.
Mittlerweile bin ich schon auf 180. Warum dieser ganze Scheiß?
Muss ich das jetzt echt jeden Tag durchmachen?
Wenigstens hält mich das davon ab über sinnlose Dinge nachzudenken.
Ms. Ravü nimmt mein Gesicht in ihre Hände und lächelt mich sanft an.
„Ich weiß, ich weiß. Du kannst dir sicherlich lustigere Dinge vorstellen, als dich von mir stylen zu lassen. Aber sobald du die Tore dieser Stadt durchschreitest, werden dir Tausende von Augen folgen und dich mustern. Du bist ihre Prinzessin, also solltest du wenigstens nach außen hin den Eindruck erwecken. Nicht?“
Ich nicke verständnisvoll. Unrecht hat sie nicht, auch wenn es mir lieber wäre, man würde mich in Siedendem Öl baden, als mich vor tausenden Leuten in den Mittelpunkt zu stellen. Bei meinem Glück werde ich wieder einen Anfall bekommen. Ich meine, so unwahrscheinlich ist es jetzt nicht, dass ich eine Panikattacke bekomme. Selbst der erste Schultag war schon die Hölle.
Nervös beiße ich mir auf die Lippe.
Ob sich meine Angst wohl mit der Zeit verflüchtigt?
Was, wenn ich in ein paar Jahren wieder herkomme…bin ich dann noch ich?
Zu spät merke ich, wie sich meine Augen mit Tränen füllen.
Ms. Ravü nimmt mich tröstend in die Arme.
„Das hier ist kein Abschied weißt du. Ich bin mir sicher deine Freunde werden darauf bestehen dich besuchen zu dürfen. Ganz sicher.“
Ich schlucke einmal und fahre erschrocken zusammen, als es auf einmal kräftig an der Tür klopft.
Ms. Ravü lässt mich los und reicht mir ein Tuch um mein Gesicht abzuwischen.
Ganz vorsichtig tupfe ich mein Gesicht ab und warte darauf, dass sie die Tür öffnet.
Draußen wartet Toya und versucht erwartungsvoll einen Blick auf mich zu erhaschen.
Aber Ms. Ravü versperrt ihm die Sicht und außerdem muss sie erst mein Make-up neu machen.
Sicherlich ist es ganz verschmiert. Schnell husche ich in außerhalb seines Sichtfeldes.
„Was ist los? Wir sind noch nicht ganz fertig! Und was ist das bitte für ein Outfit das du da trägst!? Ich dachte ich hätte dir extra eine Uniform geschneidert! Also los, los, zieh dich um!“
Wiederwillig lässt Toya zu, dass sie die Tür schließt.
„Na, den wären wir los. Dann sorgen wir Mal dafür, dass niemand sieht das unsere Prinzessin einen Zusammenbruch hatte.“
Stumm nicke ich und setze mich wieder hin.
Es fällt mir überraschend leicht, mich in dem Kleid zu bewegen.
Mit einigen wenigen Handgriffen frischt sie mein Gesicht auf und nickt zufrieden.
„So sieht eine echte Prinzessin aus. Willst du einen Blick riskieren?“
Hoffnungsvoll deutet sie auf einen großen Spiegel.
Ein wenig neugierig bin ich ja schon. Vorsichtig trete ich vor den Spiegel und was ich dort erblicke, verschlägt mir den Atem.
Das bin nicht ich.
Vor mir steht eine wasch echte Prinzessin.
Unsicher fasse ich mir ins Gesicht. Ich kann glauben, dass man so unterschiedlich aussehen kann. Ms. Ravü betrachtet mich begeistert.
„Wundervoll nicht? Du bist ein echtes Meisterwerk! Nicht einmal ich hätte geglaubt das du so hübsch sein kannst.“
Autsch. Aber irgendwie hat sie ja schon recht. Ich kann mir ein Lachen nicht verkneifen.
„Nun gut, zuerst das Aussehen gerettet und jetzt auch die Laune. Ich denke du bist bereit. Nicht?“
Ich atme einmal tief durch und nicke dann entschlossen.
Gemeinsam gehen wir zurück zu Jerome.
Jetzt, wo ich auch aussehe wie eine Prinzessin, fühle ich mich seltsam fremd.
Ich passe überhaupt nicht mehr in dieses Büro.
Als wir in Sichtweite der anderen kommen, springen alle überrascht auf. Simone und Marie kommen sofort zu mir gerannt, um einen genauen Blick auf mich zu werfen.
Lukas steht einfach nur da, auch, wenn es so aussieht, als würde er gleich losheulen.
Auch Jerome scheint tief berührt.
Raff und Johannes allerdings erscheinen wie vom Blitz getroffen. Sie bewegen sich gar nicht mehr.
Ms. Ravü nickt bei den Reaktionen selbstzufrieden.
„So soll es sein. Jetzt fehlt nur noch der schweigsame Ritter.“
Und wie aufs Wort kommt Toya um die Ecke gebogen.
Als er mich sieht ist auch er zunächst wie vom Blitz getroffen. Mittlerweile hat er sich auch umgezogen. Er trägt jetzt eine weiße Uniform mit silbernen Knöpfen, welche wirklich gut an ihm aussieht. Verfeinert wurde die Uniform mit einem hellblauen Stoff, so ähnlich wie der, aus dem mein Kleid genäht wurde. An seinem Gürtel hängt sein Schwert, immer griffbereit.
Jeder würde jetzt sofort erkennen, dass er zu mir gehörte.
Unsere Outfits waren beide in Weiß und Hellblau gehalten.
Als er bemerkt, dass ich ihn musterte scheint er sich zu erschrecken und fällt gleich auf sein Knie.
Mit der einen Hand vor seiner Brust und der anderen hinter seinem Rücken kniet er da.
Mal wieder.
Entgeistert starren ihn alle an und fast schon automatisch bitte ich ihn aufzustehen.
Leider hört er nicht darauf.
Genervt gehe ich zu ihm und versuche ihn an seinem Arm hochzuziehen. Es wäre ein wahres Wunder gewesen, wenn das geklappt hätte.
Verärgert beiße ich mir auf die Lippe.
Ratlos schaue ich zu den anderen zurück. Alle außer Johannes schauen mich ratlos an. Nur er scheint sich gefangen zu haben und kommt schnell zu mir hinüber.
„Versuch es mal damit…“
Leise flüstert er mir etwas ins Ohr. Als er fertig ist laufe ich rot an. Aber mittlerweile kenne ich Toya genug um zu wissen, dass wahrscheinlich nichts anderes mehr hilft.
Kerzengerade stelle ich mich vor Toya und wiederhole, peinlich berührt, Johannes Worte.
„Toya! Ich befehle dir auf der Stelle aufzustehen!“
Johannes bekommt sich schon gar nicht mehr ein vor Lachen und auch die anderen scheinen die sich ihnen bietende Szene zu genießen.
Wiederwillig richtet sich Toya auf und salutiert vor mir.
Ich muss gestehen, selbst ich wäre, wenn jemand anderes betroffen wäre, in schallendes Gelächter ausgebrochen.
Diese ganze Situation passte einfach nicht hierher.
Zufrieden nicke ich Toya zu und mache mich dann wieder zu den anderen auf.
Toya folgt mir auf Schritt und Tritt. Fast schon wie ein kleiner Welpe.
Was um alles in der Welt habe ich getan, dass er so auf mich fokussiert ist?
*
Er konnte sich noch gut an den Moment erinnern, der sein Leben für immer veränderte.
Als er neu anfing, eine neue Chance bekam.
Eigentlich hätte es der Abend vor seiner Exekution sein sollen, aber wie durch ein Wunder rette sie ihm das Leben. Nur mit drei einfachen Wörtern befreite sie ihn.
Nicht, dass er es nicht verdient gehabt hätte zu sterben.
Er hatte schreckliche Dinge getan. Viele schreckliche Dinge.
Seine Hände klebten vor Blut.
Er lebte er seit 16 Zyklen auf dieser Welt und dennoch hatte er so furchtbare Dinge gesehen und getan, dass es sich nicht mehr lohnte dafür zu kämpfen.
Man hatte ihn gefesselt, ausgehungert und gefoltert.
Und dennoch, er erinnerte sich immer wieder gerne an diesen Tag zurück.
Man hatte ihm gerade berichtet, dass er morgen gehängt werden sollte, als ein kleines Mädchen die Treppe hinunter gerannt kam.
So oft, wie sie hinfiel hatte sie nicht sonderlich viel Übung darin zu laufen.
„Eure Hoheit! Was tut ihr denn hier unten!? Kommt, ich bringe euch wieder hinauf.“
„Nen!“ trotzig trat das kleine Mädchen mit dem Fuß auf. Neugierig sah sie sich um.
„Ih niht düfn rutn. Was hir? Ekl!“
Was um alles in der Welt redete dieses Gör da?
Verunsichert trat die Palastwache von einem Fuß auf den anderen.
„Nun eure Hoheit, ich bin mir sicher eure Frau Mutter hatte ihre Gründe euch hier den Zugang zu verwehren. Warum gehen wir nicht schnell hoch und fragen sie! Ja?“
Wirklich? Er hatte sie verstanden!?
Skeptisch beäugte er die kleine. Sie hatte ihn noch nicht erspäht, da er im Schatten lag. Hier unten war alles nur sehr spärlich beleuchtet.
Das Mädchen schien zu überlegen, oder zumindest tat sie so und der Wachmann musste geduldig warten.
Er tat ihm schon ein wenig leid, sich von einem vielleicht 4 Jahre altem Gör herumkommandieren zu lassen war sicherlich kein Spaß.
„Nei!“
Oh, sollte das etwa auch nein bedeuten? Anscheinend wusste sie nicht einmal selber, was sie da sagte.
Verzweifelt versuchte der Wachmann sie davon zu überzeugen, wieder nach oben zu gehen. Aber die Antwort blieb immer die gleiche, auch, wenn sie immer etwas anders ausgesprochen war.
Letzten Endes blieb der Wache nichts anderes übrig, als zu Seite zu treten.
Was machte dieser Typ da nur!? Das hier war kein Ort für ein Kind!
Neugierig lief das kleine Mädchen von einer Zelle zur nächsten.
Mit jeder Zelle wurde sie ungeduldiger.
Niemand befand sich darin.
Als sie dann vor seiner Zelle stand, starrte sie ihn Ungläubig an.
Begeisterung machte sich in ihrem Blick breit und sie fing an zu lachen.
Was stimmte nicht mit diesem Kind?
Mit einem Mal stand sie direkt vor seiner Zelle und streckte ihre dünnen Ärmchen durch das Gitter.
Hektisch zog der Wachmann sie weg und sah sich besorgt um.
Wenn das jemand mitbekam, wäre er sicherlich der nächste in dieser Zelle.
Aber wäre nicht er in dieser Zelle gewesen, wäre sich jetzt sicherlich schon verletzt.
Als der Mann sie nicht losließ, fing sie an ungeduldig zu zappeln.
Sobald sie frei war, zeigte sie entrüstet auf ihn und fragte mit einer unglaublichen Aussprache:
„Wrm?!“
Dieses Mädchen war Gold wert. Wie sollte man einem kleinen Mädchen so etwas erklären?
Der Wachmann stotterte hilflos und fuchtelte wild mit den Armen.
„Ich bin hier, weil ich schlimme Dinge getan habe.“
Das Mädchen wandte sich ihm zu und legte verwundert den Kopf schräg.
Sie schien ziemlich fit für ein so winziges Geschöpf zu sein.
„Schlmm? Ws Smm?“
Er musste lachen, ganz langsam erhob er sich aus seiner Ecke, sein gesamter Körper schmerzte.
So gut er konnte setzte er sich direkt an das Gitter.
Bei seinem Anblick erschrak die Kleine.
Er hob demonstrativ die Arme und wedelte damit herum.
„Alles gut, siehst du. Das tut mir nicht weh.“
Beruhigt atmete sie aus, danach versuchte sie ihn nachzumachen, als sie sich betont langsam ihm gegenüber auf den Boden setzte.
Er konnte sich nicht erklären warum, aber er mochte die Kleine.
Als sie endlich saß, verschränkte sie energisch die Arme vor ihrer Brust und nickte einmal Kräftig.
Sie wartete definitiv auf eine Antwort.
Der Wachmann hatte sich mittlerweile etwas zurückgezogen. Entsetzt beobachtete er die Beiden.
„Weißt du, es gibt viele, viele Menschen in diesem Königreich. Aber leider gibt es nicht genügend Essen für alle. Viele hungern deswegen. Weißt du was ich meine? Hattest du schon Mal Hunger?“
Sie nickte.
„Gut, aber jetzt stell dir das unendlich viel schlimmer vor. So fühlen sich jeden Tag viele Menschen. Bis sie schließlich nicht mehr wollen und so tief einschlafen, dass sie nie wieder geweckt werden können.“
Ungläubig starrte sie ihn an.
„Weißt du einige meiner Freunde und auch ich. Wir waren wie diese Leute, nur wollten wir noch nicht schlafen. Deswegen haben wir schreckliches getan. Wir nahmen die Leute, die nicht mehr wollten und erlösten sie. Wir haben ihnen geholfen einzuschlafen und im Gegenzug dazu, haben sie uns etwas zu essen gegeben. Verstehst du was ich meine?“
Es dauerte lange, bis das Mädchen eine Reaktion zeigte. Sehr lange.
Er und der Wachmann erschraken beide fürchterlich, als sie urplötzlich zu weinen anfing. Langsam kroch sie auf ihn zu und tätschelte seinen Kopf.
Ob sie ihn wohl verstanden hatte?
Erst wollte er zurückweichen, aber ihre klitzekleine Hand fühlte sich gut an.
Er sah in ihr kleines, unschuldiges Gesicht und sah sich selbst in ihren Augen.
Seine Taten, seine Vergangenheit, alles.
Mit einem Mal brach alles um ihn zusammen.
Seine gebauten Mauern zerfielen und lösten sich auf.
Was für eine Macht dieser kleine Engel doch hatte.
Als sie sah, dass auch er weite, fing sie wieder kräftiger an zu weinen. Aber sie hörte nicht auf, seinen Kopf zu streicheln.
So saßen sie eine lange Zeit da, bis von oben eine Stimme erschallte.
„Cleo, Schatz? Bist du da unten?“
Leise Schritte folgten und es dauerte nicht lange, bis eine wunderschöne Frau um die Ecke trat.
Er hatte noch nie im Leben so eine Schönheit gesehen.
Sie hatte fast Hüftlange Haare, welche strahlten wie ein goldenes Meer. Ihre Augen funkelten in einem tiefen, dunklen Blau.
„Schatz was machst du denn hier unten?“
Das kleine Mädchen drehte ihren Kopf zu der Frau, hörte aber immer noch nicht auf seinen Kopf zu streicheln.
„Aua. Hefn.“
Die Frau strahlte regelrecht, als ein Lächeln auf ihren Lippen erschien.
„Ja? Wo ist der junge Mann denn verletzt? Vielleicht kann ich ihm ja auch helfen.“
„Eure Hoheit! Dieser Mann ist es nicht wert…“
Mit einer einfachen Handbewegung brachte sie die Wache zum Schweigen.
Er war sich sicher. Diese Frau war die Königin. Noch nie hatte er sie gesehen, aber man erzählte sich viele Geschichten über ihre Schönheit.
Das Mädchen zeigte zaghaft mit ihrem kleinen Fingern auf ihr Herz. Wieder kamen ihr die Tränen und er beeilte sich schnell, die seinen wegzuwischen.
„Oh, ich verstehe. Na dann tust du ja genau das richtige.“
Langsam kam die Frau näher und tätschelte den Kopf der Kleinen.
Schon bald hellte sich ihre Miene wieder auf und nun lächelte auch sie.
Sie zog ihre kleine Hand zurück und sofort wünschte er sich, sie hätte es nicht getan.
„Und? Wollen wir jetzt wieder hochgehen?“
Energisch schüttelte das kleine Mädchen den Kopf und zeigte auf ihn.
„Nicht ohne ihn. Mhm?“
Ein nicken.
Die Frau seufzte einmal tief und legte der kleinen eine Hand auf die Schulter.
„Du verstehst was er getan hat?“
Wieder ein Nicken.
„Und du willst ihn dennoch mitnehmen?“
Erneut.
Die Frau überlegte angestrengt.
„Junge, sag mir, woher stammt deine Familie ursprünglich. Man trifft nicht häufig Leute mit deinem Körperbau in diesem Land.“
„Meine Familie kam als ich noch klein war aus Müriba hierher, meine Königin.“
Selbstzufrieden lächelte die Königin.
„Nun ich denke, dann haben wir kein recht über dich zu richten. Schließlich willst du ja sicherlich zurück in deine Heimat nicht?“
Ungläubig starrte nicht nur er, sondern auch der Wachmann.
„Ist dir das recht meine Kleine?“
Das Mädchen quietschte vergnügt und klatschte aufgeregt in die Hände.
„Wunderbar. Nun ich werde alles nötig veranlassen. Geben sie ihm etwas zu essen und ein paar warme Kleider. Müriba ist ein sehr kaltes Land, wir wollen ja nicht, dass er gleich am ersten Tag erfriert.“
Wortlos stapfte die Wache davon.
„Magst du schon mal vorgehen meine Kleine?“
Freudig rannte sie davon.
Sobald sie außer Sichtweite war, erstarb das Lächeln der Königin und sie blickte traurig.
Sie schien kurz zu überlegen und fasste einen Entschluss.
Als sie anfing zu sprechen, legte sich ein düsterer Schatten über ihr Gesicht.
„Wie lautet dein Name?“
Er schluckte.
„Toya.“
Zufrieden nickte sie.
„Gut Toya, dann hör mir jetzt bitte genau zu. Gehe nicht nach Müriba. Heuere auf einem Schiff an und segle nach Süfjen. Lass dich dort im Schwertkampf ausbilden. Sag ihnen ich schicke dich, jeder dort wird auf meinen Namen antworten.
Frage nicht warum, aber bitte lass mich dir noch eines sagen.
Meine Tochter, Cleoluna Lucia Katriz hat dir soeben das Leben gerettet.
Und ich bitte dich, nimm dein neues Leben und lebe, um sie zu retten.
Ich weiß, es ist viel verlangt, aber es wird sicherlich der Tag kommen, an dem sie alleine stehen wird.
Bitte, sei dann an ihrer Seite.“
Toya starrte diese traurige Königin an und flüsterte fast schon wie hypnotisiert.
„Ich schwöre es. Niemals werde ich sie im Stich lassen.“
Eine einzelne Träne lief über ihr schönes Gesicht, als sie sich abwandte und nach oben verschwand.
In diesem Moment schwor er auch zu sich selbst, niemals würde er der kleinen Prinzessin den Rücken kehren. Selbst, wenn er ihr ans Ende der Welt folgen musste.
Er würde für sie Leben und auch sterben.
Seinen Engel.
*
Nach und nach umarmte ich jeden Einzelnen von ihnen. Ich versuche selbst die kleinste Sekunde hinauszuzögern.
Als ich mich dann von Ms. Ravü verabschieden will, winkt diese ab.
Verdutzt sehe ich sie an.
„Du glaubst doch nicht im ernst das ich mir diese Gelegenheit entgehen lasse oder?
In dieser Welt bin ich ganz oben, ich habe alles, Geld, Macht, Beziehungen.
Ich habe alles Mögliche erreicht.
Aber einer waschechten Prinzessin behilflich sein zu können. Das scheint mir doch eine Herausforderung, die ich mir nicht entgehen lassen kann.“
Ein strahlendes Lächeln erscheint in meinem Gesicht und ich falle ihr glücklich in die Arme.
Ganz leise hauche ich ein „Danke.“
Ms. Ravü huscht schnell in die „Garderobe“ und zieht sich ein schlichtes, braunes Kleid an.
Als sie wieder da ist, machen wir drei uns fast schon zögerlich auf den Weg zum Portal.
Viel Gepäck haben wir zum Glück nicht mehr, denn Friedjolf und Robin hatten schon vieles mitgenommen.
Als Jerome das Portal öffnet, geht zuerst Toya hindurch. Er wird sichergehen, dass die andere Seite sicher ist. Wahrscheinlich ist er auch unglaublich froh endlich wieder in seiner Welt zu sein.
Nach einigen Minuten springt auch Ms. Ravü mit einem Satz durch das Portal.
Unsicher stehe ich jetzt vor diesem Loch, dass mich von hier fortbringen wird. Meine Beine zittern und meine Hände schwitzen. Ich atme tief ein und aus, aber meine Beine wollen sich einfach nicht bewegen.
Unsicher sehe ich zu Jerome, als ich Hände auf meinem Rücken spüre. Bevor ich mich allerdings umdrehen kann stößt mich schon jemand.
Alles um mich herum dreht sich und auf einmal finde ich mich in Toyas Armen wieder.
Ein leichtes Lächeln zeigt sich in seinem Gesicht. Er hilft mir auf und deutet auf die Umgebung.
Ungläubig sehe ich mich um.
Einfach alles scheint neu. Die Luft, die singenden Vögel, alles. Unsicher mache ich einige Schritte und pflücke eine Wilde Blume.
Das hier ist also meine Heimat?
Meine Welt?
Wie verzaubert sehe ich mich um. Auch Ms. Ravü scheint begeistert. Sie huscht hin und her und stellt lauter Fragen, die ihr niemand beantwortet.
Ich bemerke gar nicht wie die Zeit vergeht, bis mich eine Stimme aus meinen Gedanken reißt.
„Cleo!!“
Robin läuft mit Höchstgeschwindigkeit auf mich zu, die Arme wild in der Luft wedelnd. Hinter ihm reitet sein Vater, mit zwei weiteren Gestalten, welcher in einer Kutsche sitzen, und zwei Pferden im Schlepptau.
So gut ich kann, renne ich Robin entgegen, aber der Boden ist uneben und ich bin noch nicht so gut darin in hohen Schuhen zu laufen.
Als ich ihn endlich erreicht habe, umarme ich ihn herzlich.
„Du bist endlich da.“ Mit einem Ruck drückt er mich von sich weg, hällt mich aber an den Schultern fest.
„Und du siehst unglaublich aus.“
Sein Grinsen ist so breit, wie es nur sein kann. Und seine gute Laune ist ansteckend.
Endlich kann ich mich wieder dazu durchringen von Herzen zu lächeln.
Ich umarme ihn erneut, bis Toya uns auseinanderzieht.
Verwirrt sehe ich ihn an, aber Robin scheint das nicht zu stören, genauso fröhlich, wie mich, umarmt er jetzt Toya. Es sieht schon lustig aus, wie der kleine, dürre Junge den emotionslosen Riesen umarmt.
Selbst Ms. Ravü bekommt eine Umarmung. Friedjolf steigt von seinem Pferd ab und kommt zu mir.
„Es ist mir eine Freude euch wiederzusehen, eure Hoheit.“
Wie Toya vorhin, kniet auch er sich nieder. Allerdings nicht komplett, denn sonst wäre sicherlich seine Uniform dreckig geworden.
Er und Robin tragen exakt die gleiche wie Toya. Zufrieden grinst Robin mich an.
„Bitte Friedjolf, ich dachte, das hätten wir geklärt.“
Mit einem breiten Grinsen bedeute ich ihm aufzustehen.
„Du bringst mich nur in Verlegenheit, wenn du so etwas machst.“
Nun lächelt auch endlich Friedjolf, er steht auf und nimmt mich, unter Toyas wachem Blick, kurz in die Arme.
Langsam gehen wir zu den Pferden hinüber und Toya begleitet mich zu der Kutsche.
Die beiden Männer scheinen schon ungeduldig auf mich zu warten.
Unsicher nehme ich ihnen gegenüber Platz.
Kaum sitzen alle auf ihren Pferden, geht es auch schon los.
Ms. Ravü hatte bereitwillig vor Friedjolf Platz genommen.
Als wir dem Stadttor immer näherkamen, fing ich wieder an zu zittern. Hoffentlich musste ich mich nicht übergeben.
Einer der beiden schreckte mich auf, als er anfing zu sprechen.
Bisher hatten sie sich nicht einmal vorgestellt.
„Sollen wir uns ein wenig unterhalten? Das wird dich ablenken.“
Unsicher nicke ich.
Der Mann der gesprochen hat, hat eine wunderbar sanfte und beruhigende Stimme. Jetzt, wo ich ihn richtig anschaue, sieht er sogar recht gut aus. Er hatte helle, blonde Haare, fast schon golden. Sicherlich ist er nicht viel älter als ich.
Ganz leicht muss ich Lächeln, seine Anwesenheit beruhigt mich. Aber die andere Person erscheint mir unglaublich unsympathisch. Und ich weiß auch genau wieso.
Es ist Johannsen.
Kaum übersehbar, hat er keinerlei Interesse daran, mich auch nur eines Blickes zu würdigen.
Schnell wende ich meinen Blick wieder ab.
Neugierig mustere ich wieder den Mann vor mir.
„Die Frage mag vielleicht komisch klingen, aber wer bist du?“
Eine so harmlose Frage und dennoch bricht der Mann vor mir fast in Tränen aus.
Ich will mich beeilen irgendetwas zu sagen aber Johannsen kommt mir zuvor.
„Ignorier es einfach. Er ist immer so.“
Er schaut mich zwar immer noch nicht an, aber seine Stimme hat nicht mehr die gleiche Kälte wie früher.
Meine Aufmerksamkeit wird abgelenkt, als wir das Tor passieren. Schon jetzt kann ich lauter Jubelrufe hören. Dutzende von Menschen, die nur auf mich warten.
Unsicher versuche ich mich an meinem Kleid festzuklammern.
Nur noch wenige Sekunden.
„Alles gut, sie einfach mich an ja?“
Ein leichtes nicken, so gut es geht, versuche ich meinen Blick nicht von dem netten Mann abzuwenden, als wir die Stadt passieren.
Sobald die Kutsche in Sicht ist, schreien die Leute noch lauter und es werden dutzende von Rosenblüten in die Luft geworfen.
Der Anblick der sich mir bietet ist einfach unglaublich. Die Stadt, nein, die Leute erstrahlen fast schon. Überall weinen und freuen sich die Menschen.
Sie freuten sich nur wegen mir.
„Es mag dir vielleicht plötzlich erscheinen, aber ich bin der Kronprinz dieses Landes. Prinz Kollu. Für dich natürlich nur Kollu.“
Wie selbstverständlich winkt er den Leuten zu und selbst Johannsen hebt ab und zu die Hand.
Unsicher hebe auch ich die Hand.
Wieder brüllen die Leute aus voller Kehle.
Ich muss mir eingestehen, so nervös ich am Anfang auch war, mittlerweile macht mir das ganze sogar etwas Spaß. Diese Leute zeigen mir mit allen möglichen Mitteln, das sie sich freuen mich zu sehen. Das erwärmt mir das Herz.
„Und Kollu, weißt du, warum ich hier bin?“
Eigentlich habe ich das nur einfach so gefragt, aber nie im Leben hätte ich mit der folgenden Antwort gerechnet.
„Natürlich.“
Er lächelte von ganzem Herzen und ihm kommen schon wieder die Tränen.
„Du bist meine kleine Schwester.“
Ungläubig starre ich ihn an.„Wie bitte? Aber wie ist das denn möglich? Ich dachte ich komme aus Kataber?“
Entschuldigend lächelt er mich immer noch an.
„Ich bin mir sicher Vater wird dir das alles erklären. Lass uns doch einfach den Moment genießen nicht?“
Wie in Trance winke ich ab und zu und zwinge mich dazu zu lächeln. Was um alles in der Welt hat das bitte zu bedeuten?! Es ist unmöglich, dass dieser Mann mein Bruder ist!
Es dauert zum Glück nicht mehr lange, bis wir endlich den Palast erreichen.
Sie passierten ein weiteres Tor und befinden sich nun inmitten einer Armee.
Überall um sie herum salutieren Männer mit Degen in den Händen.
Ich kann den Blick meines „Bruders“ auf mir spüren und selbst Johannsen scheint mich skeptisch zu beäugen.
Ich atme erleichtert aus als die Kutsche endlich zum Stillstand kommt. Mit wackligen Beinen mache ich mich daran auszusteigen. Zum Glück steht Toya schon bereit und hebt mich mehr aus der Kutsche, als dass ich selber aussteige.
Meinem Bruder scheint das anscheinend gar nicht zu gefallen, denn sofort nimmt er meine Hand und legt sie um seinen Arm.
Für einen Moment könnte ich schwören, dass er Toya eifersüchtig anfunkelt. Sofort setzt er sich in Bewegung. Er wartet nicht einmal darauf, dass Johannsen auch endlich aus der Kutsche steigt.
Vor dem Eingang stehen lauter Bedienstete versammelt und verneigen sich tief vor uns, als wir an ihnen vorbeigehen.
Unsicher sehe ich mich um. Mit einem Blick kann ich gar nicht alles ergreifen, was in die Wände und Sockel der großen Halle gehauen wurde, in der wir uns jetzt befinden.
Auch in diesem Raum stehen lauter Bedienstete und Soldaten bereit.
Eingeschüchtert festigt sich mein Griff um Kollus Arm. Mit einem kurzen Blick scheint er sich davon zu überzeugen, ob es mir gut geht.
Nach nur wenigen Schritten holt uns Johannsen wieder ein und läuft an meiner anderen Seite.
Mit jedem Schritt nähern wir uns einem riesigen, pompösen Thron.
Aber das ist es nicht, was mich beunruhigt.
Nein, es ist der Mann, der auf dem Thron sitzt.
Der König trägt ein bläulich- silbernes Gewand und eine mächtige Krone auf dem Kopf.
Er hat schon fast silberne Haare und einen langen Bart, in den kleine Zöpfe geflochten wurden.
Sein Blick wirkt nicht sonderlich beruhigend, wenn nicht sogar einschüchternd.
Am liebsten würde ich jetzt auf dem Absatz kehrtmachen und in der Menge untertauchen.
Bevor ich weiß, wie mir geschieht, stehen wir schon vor dem Thron und die anderen Beiden verneigen sich leicht.
Schnell beeile ich mich es ihnen nachzumachen.
„Es ist also wahr? Du hast dein Gedächtnis verloren?“
Unsicher hebe ich den Kopf, seine Stimme ist tief und eindringlich.
„Ja, aber woher…“
„Woher ich das weiß? Ganz einfach eine Prinzessin verneigt sich nicht. Sie deutet lediglich einen Knicks an.“
Ich kann spüren, wie ich puterrot anlaufe und versuche mein Gesicht möglichst nicht zu heben.
„Keine Sorge, ich habe nicht erwartet, dass du alle Regeln des Hofes beherrscht. Die Hauptsache ist doch, dass du endlich gesund und munter Zuhause angekommen bist.“
Mit einem Ruck steht der alte König auf und kommt auf mich zu.
Fast wäre ich aus Reflex zurückgewichen, als er mich umarmt.
Wie erstarrt stehe ich da und auch Johannsen und Kollu schauen den alten Mann überrascht an.
Eine Träne löst sich von seinem Auge, als er sich von mir löst.
„Endlich, nach 18 langen Jahren kann ich endlich meine Tochter in meine Arme schließen.“
Überglücklich legt er mir eine Hand an meine Wange.
„Du bist genauso schön wie deine Mutter in deinem Alter.“