Langsam öffnete Shanora die Augen. Die Sonne strahle durch ein wunderschön geputztes gläsernes Fenster. Das Fensterbrett aus feinstem Marmor, die Decke in die sie gehüllt war edelster Mako-Brokat-Damast.
Finn hatte darauf geschworen, wie auch auf Boxspringbetten und viktorianische Lampen.
"Ausgeschlafen?", fragte eine warme Stimme neben ihr.
Sie rieb sich die Augen: "Allister... Ich war mir sicher du wärst tot!"
Allister lächelte mild: "Dein neuer Freund hat mir von deinem Alptraum erzählt! Es geht uns allen gut!"
Shanora setzte sich auf: "Es war kein einfacher Alptraum! Es war eine Vision, aber vielleicht ist sie noch nicht eingetreten! Ist Finns Körper noch in Amergyn?"
Allister nickte: "Ja, natürlich! Bist du sicher? Du hast viel durchgemacht in letzter Zeit..."
Shanora antwortete energisch: "Bitte glaub mir Allister! Wir müssen aufpassen!"
Allister hob beruhigend seine Hände: "Schon gut! Jetzt musst du erst einmal munter werden und nach unten zu Did gehen. Sie und Ation haben ein paar Dinge mit dir zu besprechen! Ladira, Sassy und Alpha sollten auch bald eintreffen!"
Shanora nickte und schwang sich auf. Das helle Schlafzimmer in Finns Hütte war ein wunderbar abwechslungsreicher Anblick zu all der Zerstörung der letzten Tage.
Unten, am Pool, saßen Church und Did, Shanora schlich sich beinahe vorbei. Sie wollte in den Keller, zu Lillet. Nach den Stiegen durchquerte sie den Raum und hielt vor der Glasscherbe, die Lillets Seuche bannte.
"Bist du wach?", fragte sie die Untote, die starr auf dem Feldbett lag.
"Es gibt kein Wach oder schlafend mehr im Untot!", seufzte diese, "Bist du gekommen, um mich zu besuchen?" Shanora nickte, dann schüttelte sie den Kopf: "Eigentlich um dir einen Vorschlag zu machen!"
Lillet erhob sich gelangweilt: "Wenigstens versuchst du nicht mich anzulügen!"
Shanora lächelte müde: "Wenn ich einen Weg finde deinen Fluch zu brechen, sodass du wieder nach draußen kannst... Dann hilfst du mir Deseis aufzuhalten! Ich schätze du bist die einzige Lebensform, auf die er hört!"
Lillet legte den Kopf schief: "Hast du ihn wieder getroffen?"
Shanora nickte: "Er hat versucht mich zu töten... Church hat ihn aufgehalten!"
Lillet nickte: "Gut, hol mich hier raus und ich werde persönlich dafür sorgen, dass er gestoppt wird! Auch wenn ich ihn dafür töten muss!"
Ein lautes, eher unbeeindrucktes, Klatschen, ließ beide erschrecken.
Ation kam zu ihnen, auch er schien die Treppe ohne Probleme benutzen zu können.
"Das ist was ich mit euch und der alten Dunkler besprechen wollte!", er strich sein seidiges braunes Haar zurück und musterte Shanora abschätzend. Dann gab er ihr ein altes, in leder gebundenes, Buch.
"Was ist das?", wollte sie wissen, es stand nichts auf dem Einband. "Das ist das Tagebuch des ersten Dämonenjägers!", erklärte Ation, "Ein wertvolles Geschenk an dich! Darin findest du drei markierte Seiten. Drei mächtige Dämonen! Wenn ich ihre Essenz läutere, dann kann ich damit Lillets Fluch eindämmen!"
Shanora begann zu verstehen: "Aber wahrscheinlich sind diese drei Dämonen weder leicht zu finden noch leicht zu fangen?"
Ation nickte: "Natürlich nicht! Bitte am besten Church dich zu begleiten!"
Shanora ließ ihn erst einmal stehen und rannte die Treppen hinauf. Drei mächtige Dämonen finden und einfangen würde bestimmt kein Zuckerschlecken werden. Diesmal schaffte sie es nicht ungesehen an Church und Did vorbei.
"Hat Ation dich gefunden?", Church warf ihr einen interessierten Blick zu, "Er wollte mir nicht sagen worum es geht, nicht ohne deine Anwesenheit!"
Shanora nickte: "Hat er! Anderes Thema, was habt ihr mit Cash angestellt?"
Did zog eine Braue hoch: "Nicht was ich vorgeschlagen habe!" Shanora biss sich auf die Lippe. Warum brachte jeder nichts als Misstrauen und Hass für diesen Jungen auf? Er wurde wie ein Aussätziger behandelt, obwohl er niemandem etwas getan hatte. Und das schlimmste, er hatte keine Ahnung warum.
"Er ist in Finns Garage, ich dachte, dass es ihm dort besser gefällt als unter unreifen Personen die ihn meiden für... Nichts!", Church warf Did einen vielsagenden üblen Blick zu.
Shanora schmunzelte: "Danke, ich werde nach ihm sehen!"
Church deutete auf den Lift hinter ihr: "Versuch mal den, dann musst du nicht rund ums Haus gehen!" Shanora schüttelte den Kopf, ihr Bruder hatte wirklich einen Fabel für jede Form von Luxus gehabt.
In der Garage angekommen war das Geräusch eines sehr lauten Motors das erste, was sie vernahm. Er wurde immer wieder gestartet. Ein Motorrad, eindeutig.
"Cash?", Shanora lachte, als es den jungen Mann beinahe von Finns Maschine schmiss.
"Es tut mir leid!", er stellte den Motor ab, "Ich weiß die Sachen gehörten deinem Bruder! Ich... Keine Ahnung was mir da eingefallen ist!"
Shanora winkte ab: "Das Ding hat er eh nie benutzt, keine Ahnung was er damit wollte! Es würde ihn nicht stören wenn du es benutzt! Außerdem ist Finn nicht so!"
Cash lächelte verlegen: "Das, was du da Ding nennst, ist die Harley Davidson Cosmic Starship! Wie auch immer dein Bruder da ran gekommen ist, Respekt!"
Shanora zog eine Braue hoch und verschrenkte die Arme. Das gelb-orange lackierte Design der Maschine gefiel ihr nicht und das eine Cosmic Starship sein sollte wusste sie auch nicht.
"Ein Einzelstück! Sehr wertvoll!", erklärte Cash, der ihren Blick bemerkt hatte.
"Du verstehst also was von Motorrädern?", wollte Shanora wissen.
"Immer wenn wir nicht auf der Jagd waren, Norbert und ich, war ich in der Welt der Menschen! Ich verstehe eine Menge von Harley Davidsons Motorrädern und auch von Wirtshäusern und ähnlichem!", erzählte Cash und lächelte beim Gedanken an diese Zeit. Shanora fiel auf, dass es das erste Mal seit Norberts Tod war, dass er gelächelt hatte. Also kam ihr eine Idee.
"Die Sachen meines Bruders gehören mir ja auch zum Teil! Es sind noch nicht alle da die sich hier treffen! Wir könnten eine Runde drehen, also wenn du möchtest!", schlug sie vor. Cash Augen leuchteten sofort auf, er freute sich wie ein kleines Kind. Sofort reichte er ihr einen Helm und öffnete die Garage.
Der Schnee war schon fast geschmolzen und eine wunderbare kurvige Straße ins Tal lag vor ihnen.
Shanora setzte den Helm auf und blickte verunsichert auf das Gefährt: "Bitte bring uns nicht um damit!"
Cash winkte ab: "Keine Sorge, alles was du tun musst ist dich gut an mir festzuhalten! Am besten du legst die Hände um meinen Bauch und verschließt sie davor!"
Shanora stieg hinter ihm auf die Maschine und tat genau das.
Cash startete den Motor und rief über das laute Geräusch hinweg: "Wenn ich anhalten soll klopf mir einfach an die linke Seite! Für schneller Rechts!"
Shanora beschloss sich erst einmal an ihn zu klammern und hoffte nicht hinunterzufallen.
Sie fuhren los und nach den ersten paar Kurven stellte sie fest, dass es ein sehr angenehmes Gefühl war. Der Wind, der um ihren Körper fuhr, die wunderschöne Landschaft, und dazu das Geräusch der Maschine. Sie fühlte sich sicher, trotzdem Rollsplitt hatte Cash das Motorrad in jeder Kurve perfekt im Griff, es war weder zu schnell, noch zu langsam. Einfach perfekt. Sie hatte das Gefühl die Gedanken loslassen zu können. Den Gedanken an ihren Alptraum, an die drei Dämonen, die sie fangen sollte. An einfach alles, es gab nur die Straße, das laute Geräusch des kraftvollen Motors, und den Wind um sie herum.
"Wo ist Shanora?", diesmal war es Ladira, die Church diese Frage stellte. Sassy, Alpha, Ation und Marbas hatten dasselbe wissen wollen. Fakt war, Church hatte keine Ahnung, wo sie sich aufhielt, geschweige den wo der kleine Dunkle war. Allister schwieg und zog bloß eine Braue hoch, er schien dazu keine Meinung zu haben. Oder eine, die er lieber für sich behielt.
"Sie kommt sicher gleich!", er ging auf die Terrasse und sah auf die verschlungene Straße, die ins Tal führte. Ladira und Allister folgten ihm.
"Zu dem Jungen muss ich euch noch etwas sagen!", begann Church, und suchte in seinem Kopf nach den Wörtern um das zu erklären.
"Welchem Jungen?", fragte Ladira erstaunt. Das Geräusch eines Motorrads riss die Hüterin das Waldes aus ihrer Konzentration. Ein Schleier legte sich über ihre Augen.
Sie hasste dieses Geräusch. Wenn es etwas gegeben hatte, dass der Dunkle an der Menschenwelt geliebt hatte, dann Motorräder. Ständig hatte er eines gefahren. Sie starrte auf die auffällig lackierte Maschine, die dich ihren Weg über die Bergstraße bis zu Finns Haus bahnte. Sie hielt direkt davor, der Motor ging aus.
"Ladira?", Church stellte fest, das die Hüterin über die Terrasse nach unten eilte. Dort starrte sie weiter beinahe apatisch auf Shanora, die lachend den Helm abnahm.
"Was ist das Church?", fragte sie plötzlich, als Cash Finns Helm abnahm.
"Die Haare, dieses Lachen!", Ladira stürmte auf Shanora und Cash zu.
"Ladira?", Shanora war verwirrt über ihren Gesichtsausdruck. "Geh weg von ihr!", energisch stellte sich die Hüterin zwischen ihre Ziehtochter und den verstörten Jungen.
"Ladira!", brüllte Church ihr nach, aber sie war völlig in Rage.
"Ich kenne dein Gesicht!", fuhr die Cash an, dann drehte sie sich zu Church, "Ich kenne sein Gesicht! Das Gesicht des Bösen! Das Gesicht meines Mannes! Das Gesicht des Dunken!"
Cash platzierte seinen Helm auf dem Sitz des Motorrads, durch das Geschrei waren auch Sassy und Alpha aus dem Haus gestürmt.
"Was redet diese Irre da?", verlangte Cash zu wissen, "Ich kenne mein Gesicht auch! Die meisten finden es ganz gut gelungen!"
Ladira geriet jetzt erst wirklich in fahrt: "Und dich charismatisch? Deine Augen, die Farbe stimmt nicht ganz überein, aber selbst die Heterochromie hat er dir vererbt!"
Shanora schluckte, das war bestimmt nicht die Art und Weise wie sie Cash von seiner Identität erzählt hatte.
"Was redet diese Verrückte da?", Cash wendete sich verzweifelt an Shanora, "Ist es das warum mich alle schneiden? Warum man mich wie Dreck behandelt und am besten wie ein Tier einsperrt?"
Shanora starrte auf den Boden: "Es ist kompliziert..."
Cash riss seine Augen auf: "Es ist also wahr? Darum habt ihr mich mitgeschleppt? Weil ich der Sohn des Dunklen bin? Darum ist der Typ mit den gelben Augen hinter mir her..."
Church mischte sich nun an: "Ladira, das war nicht notwendig, lass ihn jetzt in Ruhe!"
Die Hüterin dachte aber nicht daran Platz zu machen: "Wer weiß, ob er nicht nur so unwissend tut! Er könnte euch allen etwas vormachen!"
Church warf Shanora etwas zu, dann richtete sein Blick sich wieder auf Ladira: "Wieso? Weil er ein Monster ist?"
Ladira nickte: "Das ist er, höchst wahrscheinlich!"
"So wie ich, oder?", Church riss das schwarze Hemd, auf das er trug, unzählige Fäden schossen aus seinem Körper.
"Church, nicht!", Sassy und Alpha sprinteten nach unten, um ihn aufzuhalten.
Dann aber erkannten sie welchen Plan der Dämon eigentlich gehabt hatte.
Der Klang des Motorrads ließ Sassy den Kopf schütteln: "Warum hast du das getan?" Shanora und Cash waren aus der Situation entkommen.
"Ich tue, was Shanora für das beste hält!", die Fäden verschwanden wieder in Churchs Körper, "Ich halte mich an das, was ich verspreche!"
Ladira war bestürzt, wie alle anderen auch.
"Allister, Ation!", Church rief die beiden zu sich, "Wir werden alleine etwas besprechen! Ich denke wir brauchen die anderen nicht! Sie sind mir zu befangen!"
Sassy riss die Augen auf: "Wen nennst du hier befangen?"
Church winkte ab: "Denk an unseren ersten Auftrag! Wir waren schon immer ein beschissenes Team! Geht jetzt, ihr stört meine Kreise!"
Chruch Plan hatte funktioniert. Das Tagebuch des ersten Dämonenjägers und auch den Rest ihrer Sachen an sich gepresst versuchte Shanora möglichst sicher auf dem Motorrad zu sitzen. Mit einer Hand hielt sie sich an Cash fest, der ihr ein bisschen zu wenig ausgeflippt war, als er von seinem Vater erfahren hatte.
Cash hielt vor einem angelegten See und ließ Shanora absteigen. Sie nahm den Helm ab und betrachtete die modernisierte Schlossanlage vor sich.
"Das A-Rosa Resort, hier bleiben wir heute Nacht!", erklärte Cash. "Aber das ist ein total auffälliges Luxus Hotel!", warf Shanora ein, "Hier findet man uns doch sofort!"
Cash schüttelte den Kopf: "Eben nicht, man wird denken wir versuchen so weit wie möglich wegzukommen. Nicht das wir nach 10 Minuten einchecken und erst einmal entspannen!"
Shanora bemerkte wie sehr Cash sie an ihren Bruder erinnerte.
Dieselbe Logik wie Finn und wahrscheinlich würde er damit recht behalten.