Als das noch unverdorbene Licht des Morgens, auf die zerwühlten, zerknitterten Laken fällt, erwache ich. Ich schaue ihn an, er liegt noch immer schlafend neben mir und ich habe auf einmal das Gefühl, als würde ich in die Reinheit seines tiefsten Seins, hinein blicken. Im Schlafe sind die Menschen oftmals noch unschuldig. Er wirkt fast unverbraucht, entspannt, wenn auch ziemlich hager. Ein leises Lächeln liegt auf seinen, doch recht vollen Lippen. Wie schade, dass er diese tiefste, innerste Reinheit durch seine oberflächlichen Wünsche, hat zudecken lassen. Es ist seine Seele, die ich erblicke, seine Seele, die ursprünglich strahlend und unberührt gewesen war, bis sie in diese Welt der Vergänglichkeit und Gefahren geworfen wurde und sich schliesslich darin verloren hat. Ohne Orientierung war sie nun geworden, überschattet von der Dunkelheit der tiefsten Ebenen. Nun will sie wieder heraus aus diesem festen Körper, der für sie zu einem Gefängnis geworden ist. Darum wird dieser Körper auch bald sterben, von seiner Seele verlassen werden, die unbedingt wieder frei sein will, die sich sehnt nach ihrer ursprünglichen Heimat. Dennoch wird sie noch eine ganze Weile brauchen, bis sie wirklich zurückkehren kann, denn zu gross sind ihre Wunden, zu verderblich war diese Leben für sie. Die Krankheit, die sich wie ein finsteres Monstrum in diesem irdischen Körper eingenistet hat, hat sie geschwächt, bis beinahe zur Unkenntlichkeit verkrüppelt, wie ein verderblicher, schwarzer Totenvogel, der nach allem Leben greift! Dieser Vogel… er wird ihn in Kürze kriegen und es gibt nichts, was man dagegen tun kann. Das sehe ich ganz deutlich. Doch ich weiss, dass der Tod nicht mehr als das herüberwechseln zu einem anderen, einen neuen Dasein ist. Einem Dasein, dass die Seelen der Verlorenen, erst wieder zu befreien vermag. Man glaubt, der Lebensfunke erlischt im Tode, doch eigentlich ist es genau andersrum: Der Tod sorgt dafür, dass der Lebensfunken wieder neu zu erstrahlen vermag. Dies ist eine tröstliche Gewissheit, denn anders schaffen es diese Menschen, hier in diesen dunklen Ebenen oft nicht, wahrlich zu leben. Sie glauben, dass was sie tun ist Leben, sie glauben, dass sie alles daran setzen müssen, es zu geniessen und tun das manchmal auf zerstörerische Weise. Dabei ist es nur eine endlose Jagd nach dem Unfassbaren, dem Unergründlichen, das hinter allem Leben steht. Sie sind stets auf der Suche, ruhelos und atemlos. Und was nützt es schlussendlich? Gar nichts! Denn sie verlieren sich nur selbst, sie verlieren in gewisser Weise, ihre Seelen. Erst mit dem Tod, wird diese Seele wieder aus ihrem Dämmerschlaf der Vergessenheit, emporsteigen. Aus diesem Grund bin ich nicht traurig darüber, dass dieser Mann hier neben mir sterben wird. Trauer, wenn man es denn Trauer nennen kann, empfinde ich eher darüber, dass er keinen besseren Weg gefunden hat, dass er sich immer mehr verirrt hat, mir seinem ewigen Streben nach Glück und Genuss… Für mich wird es nun Zeit wieder zu gehen, denn ich habe meine Berufung erfüllt und ihm ein letztes Quentchen Glück geschenkt, nach dem er immer so verzweifelt gesucht hat. So setze ich mich auf und beginne mich anzukleiden.
Er erwacht dadurch und schaut mich mit einem beinahe kindlichen, hingebungsvollen Blick an. «Es war wundervoll mit dir, bleib doch noch etwas bei mir!» «Nein,» erwidere ich «ich bin niemand der länger bleibt.» «Aber… hast du es nicht auch als so wunderschön empfunden, wie ich? Da war doch etwas ganz Besonderes zwischen uns?» «Es war auch für mich schön, doch ich bin bestimmt nicht das was du suchst.» «Vielleicht doch!» Ich lache etwas bitter auf. «Das ist eben dein Problem, du bist stets auf der Suche und auch wenn das was du suchst, noch vor deiner Nase wäre, du würdest es nicht sehen. Ich jedoch, bin es bestimmt nicht! Ich wünsche dir viel Glück!» Ohne ein weiteres Wort, erhebe ich mich und verlasse sein Haus. In einem Hinterhof zerreisse ich die menschlichen, einengenden Kleider und nehme meine ursprüngliche Gestalt wieder an, dann erhebe ich mich in die Lüfte und setze meinen Weg fort.