Eine Woche noch. Unsere Waschmaschine ging kaputt und wir mussten alles mit der Hand waschen. Das war eine mittelgroße Katastrophe, denn das brachte meinen Klamottenplan, den ich sogar schriftlich festgehalten hatte, komplett durcheinander. Außerdem fiel mir auf, dass Luke nicht zu mir kommen würde, hätte ich nicht jedes Mal, wenn er online war, gewartet, bis er offline ging. Das nenne ich Schicksal. Des Weiteren hat es begonnen zu schneien. IM APRIL. Nichts lief nach Plan, ich war wirklich dem Wahnsinn nahe.
Wenn ich an diesen schicksalhaften Tag zurückdenke, weiß ich gar nicht so genau, wo ich mit Erzählen anfangen soll. Irgendwie habe ich das Gefühl, die Hälfte vergessen zu haben. Leider. Aber egal, ich probiere es einfach.
Heute Morgen verpasste Luke erstmal einen Anschlusszug aufgrund der Verspätung eines anderen Zuges. Ich war panisch. Danke, Deutsche Bahn, dass man sich immer auf dich verlassen kann. Glücklicherweise fuhr der nächste Zug innerhalb von zwanzig Minuten. Mama und ich wollten gerade losfahren, um Luke dann vom Bahnhof abholen zu können, als ihr Auto nicht ansprang. Ich wollte heulen. Aber unser Nachbar half uns, und so kamen wir dann doch noch am Bahnhof an. Dort musste ich ihn erstmal suchen. Dann kam er um die Ecke, und wusste partout nicht, wo ich hinsehen sollte. Ich lief auf ihn zu, und wäre am Liebsten wieder weggerannt. Mir war schlecht, und ich hatte solche Angst, dass er mich nicht mögen könne, ich zu dick sei, zu klein, zu jung, zu was auch immer. Aber dann haben wir uns umarmt. Berührungen wie Messerspitzen in meinem Herz. Ich dachte nur so: Okay, Lucy, das ist der Typ, in den du dich verliebt hast.
Den nächsten schwierige Part stellte die Autofahrt dar. Ich hatte mir im Voraus Gedanken darüber gemacht, ob die ganze Zeit peinliches Schweigen herrschen würde. Doch weit gefehlt, sogar meine Mutter bemühte sich um ein Gespräch. Ich saß auf meinem Platz und brachte kaum ein Wort hervor, so überwältigt von diesem Moment war ich. Mein Traum war in Erfüllung gegangen, und damit hatte ich nicht gerechnet. Es hätte mich ehrlich gesagt nicht gewundert, wenn kurz vorher doch noch irgendwas dazwischen gekommen wäre; sowas passiert mir oft.
Nach einem kurzen Zwischenstopp am Supermarkt ging es nach Hause. Dort angekommen, hatte Luke erstmal Hunger - womit ich nicht gerechnet hatte, da ich nie um die Mittagszeit esse. Es war sehr lieb von meiner Mutter, etwas zu kochen. Es war ziemlich eigenartig, mit Luke, meinem Bruder und Mum an einem Tisch zu sitzen. Aber nun ja. Er durfte seine Geburtstagskerze auf einem Mini-Fertigkuchen auspusten und sich etwas wünschen, das musste unbedingt sein.
Meine Mutter und mein Bruder fuhren dann erneut zum Bahnhof, um meine Cousine abzuholen. Währenddessen gingen Luke und ich in mein Zimmer. Ich wusste die ganze Zeit nicht so richtig, was ich tun und wie ich mich verhalten sollte. Irgendwie lagen wir dann nebeneinander in meinem Bett. Dann drehte er sein Gesicht zu mir, flüsterte ein »Komm her« und umschloss mich mit seinen Armen. Eine Welle Schmetterlinge wog durch meinen gesamten Körper, erfasste mich und riss mich mit. Ich hatte das Gefühl, vollkommen zu sein. Eine kleine Drehung später lag er auf mir. Er sah mir in die Augen und küsste mich. So gern ich eine filmreife Beschreibung dieses Kusses liefern würde, es entsprach nicht der Wirklichkeit. Ich war nämlich total überfordert. Mein letzter Kuss lag zwar erst zwei Monate zurück, aber ich konnte mich nur noch an den Teil mit den Zungen erinnern, also schob ich Luke meine Zunge in den Mund. Was sich als Fehler herausstellte, da sowohl er als auch ich nicht damit gerechnet hatten. Aber es war passiert, und was sollte ich anderes machen, als es zu ignorieren.
Nachdem wir Kekse gebacken und meine Cousine begrüßt hatten, zeigte er mir auf dem Bett sitzend Bilder von Schweden, was er kürzlich besucht hatte.
Anschließend lagen wir wieder nebeneinander. Seine Beine mit den meinen verschränkt, strich er mir sanft über den Rücken bis an die Hüfte. Eine gefühlte Ewigkeit, in der ich mich danach sehnte, seine Hand auf meinem Po zu spüren. Nach und nach wanderte seine Hand ein Stück tiefer, und ein Stück höher, bis er leicht die Seite einer Brust streifte, und sogleich seinen Weg nach unten, bis auf meinen Hintern, fortsetzte. Wieder beschrieb er den Weg meinen Rücken entlang, über meinen Arm, bis an den Hals. Tiefer, über mein Dekolleté, an meine Brust, wo er mit einer kreisenden Bewegung verharrte. Noch wenn ich heute daran denke, bekomme ich Gänsehaut. Eine Berührung leicht wie eine Feder und dennoch hätte ich zerbersten können.
Nach einer weiteren Runde Kuscheln und Abendessen war es dann soweit: Wir schliefen zusammen in meinem Bett, was ich meiner Mutter schnell noch per Nachricht mitteilte. Ich zog meinen BH nicht aus, da ich verhindern wollte, dass er meine unförmigen nackten Brüste sah. Als er das bemerkte, fragte er, ob ich immer mit BH schliefe, und ich meinte, dass ich zu faul sei, ihn auszuziehen, sonst aber ohne zu Bett ginge. Ich bat ihn, mir den BH zu öffnen. Nachdem er abgelegt war, kuschelten wir ein bisschen. Dann wanderten seine Hände an meine Brüste, und er begann mich langsam auszuziehen. Ich werde nie vergessen, wie er mir mein Shirt über den Kopf zog, langsam, beinah qualvoll, und voller Sinnlichkeit. Es war schön, von ihm berührt zu werden. Allerdings behielt ich mein Höschen an, für mehr war ich nicht bereit. Es war sehr rücksichtsvoll von ihm, zu sagen, dass ich entscheiden würde, und es zu akzeptieren, dass ich noch nicht wollte. Es war schön, so wie es war, seine Hände auf mir, sein Körper über meinem. Nähe, die mich zu verbrennen drohte. Sanft, und dennoch intensiv.
Die erste Nacht mit Luke – und zugleich die erste Nacht, die ich fast nackt verbrachte, war ungewohnt. Schön, aber ungewohnt. Zugegebenermaßen war es mir ein bisschen peinlich, als morgens die Decke wegrutschte und meine Brüste aufgedeckt waren. Aber ich habe im Halbschlaf mitbekommen, wie Luke mir die Decke wieder darüberlegte, und das war einfach eine wunderschöne Geste. Zumindest hoffte ich das, nicht, dass er den Anblick nicht ertragen konnte oder so. Man weiß ja nie.
Den zweiten Tag verbrachten wir mehr oder weniger komplett in meinem Bett, in trauter Zweisamkeit. Mir fiel nicht auf, dass wir uns fast gänzlich von anderen Einflüssen isolierten. Abends sahen wir uns einen Film an. Den ganzen Tag lang überlegte ich schon, ob ich mit Luke schliefe, sofern sich die Gelegenheit ergäbe. Eigentlich wollte ich es nicht tun, schließlich konnte ich nicht einschätzen, ob er von Anfang an nur darauf hinaus wollte. Aber. Am Tag bevor er anreiste, muss ich wohl eine Eingebung gehabt haben, denn ich legte ein Kondom in meinen Nachtschrank, obwohl ich eben nichts dergleichen zu tun gedacht hatte. Im Nachhinein betrachtet bin ich froh darüber. Denn als wir so da lagen, fast nackt, habe ich mich spontan umentschieden. Es gibt einen Unterschied zwischen nicht bereit sein und Angst. Und bei mir war es definitiv Letzteres.
Er zog mich aus. Komplett. Dann lag ich da, nackt, in der Dunkelheit und er hatte noch seine Unterhose an. Luke fragte, ob er auch solle. Und ich sagte ja. Die Zeit nutzte ich, um das Kondom hervorzuholen. Ich hielt es ihm hin, und er meinte, ich müsse nicht. Aber ich wollte, und das tat ich kund. Ein paar Sekunden lang war es still. Vermutlich musste er überlegen, ob wir es jetzt tun sollten oder nicht. Dann ist es passiert, einfach so. Ich war so froh darüber, vorher in Erfahrung gebracht zu haben, dass Luke auch noch Jungfrau war, das machte es leichter. Wie oft hatte ich mich gefragt, wie das anatomisch möglich sei. Ich verzichtete darauf, mir ein genaueres Bild von ihm da unten zu machen; es war ja dunkel und außerdem wollte ich das auch nicht, angesichts der Tatsache, dass das meine Angst wohl nicht gemindert hätte.
Wir haben es erst nicht wirklich auf die Reihe bekommen, wir lachten darüber und das entspannte mich wesentlich. Ende der Geschichte, ich setzte mich auf ihn. Schmerz durchfuhr mich, kalt und erbarmungslos, als ich mich langsam auf ihn absenkte. Beim Ersten Mal soll das ja normal sein, und es ließ später auch ein bisschen nach, aber so ganz leicht fiel es mir nicht, loszulassen. Er schien es zu bemerken, und fragte mehrmals, ob alles okay sei, ob wir aufhören sollten. Meine Angst beschränkte sich dann nur noch darauf, das Bett vollzubluten, was nicht geschah, ich aber durchaus für möglich hielt. Alles in allem war es... schön. Nicht etwa, weil wir beide gekommen wären, sondern einfach, weil wir uns nah waren, verbunden wie zwei Puzzleteile.
Danach legte Luke selbst Hand an. Im wahrsten Sinne des Wortes. Ein Gefühl wie tausend ausbrechende Vulkane in meinem Inneren, als er langsam über meine Brüste, meinen Bauch, und schließlich weiter nach unten strich. Behutsam legte er seine Hand zwischen meine Beine und fing in kleinen kreisenden Bewegungen an, etwas mehr Druck auszuüben. Kurz bevor ich Erlösung finden sollte, schob er seine Hand wieder hüftaufwärts zu meinem Dekolleté. Nach etlichen quälenden Sekunden nahm er seine Arbeit weiter unten wieder auf, und ließ mich kommen. Es wird mir wohl immer ein kleines bisschen peinlich sein, darüber zu sprechen, aber er hat seine Sache wirklich außerordentlich gut gemacht. Wird er auch gemerkt haben, als ich ihm insgesamt elf Mal die andere Hand zu Brei quetschte. Ich fragte mich, ob er Übung darin hatte oder einfach ein Naturtalent war; vielleicht wollte ich es aber auch gar nicht so genau wissen.
Jedenfalls hatte ich mir die ganze Zeit nicht getraut, ihn in irgendeiner Art und Weise zu berühren. Dem schuf er Abhilfe, indem er meine Hand nahm, sie dahin legte, wo er sie haben wollte, und mir zeigte, wie ich sie bewegen sollte. Das war eine ganz neue Erfahrung für mich und selbst dabei hatte ich immer Angst, etwas falsch zu machen. Aber ich stellte mich offensichtlich nicht dumm an. Ich hatte mich schon gefragt, was dann passiert, wenn er gekommen ist, also... was man dann damit macht. Just in diesem Moment fragte er mich nach einem Taschentuch. Wieder etwas gelernt. In dieser Nacht sammelte ich mehr Erfahrung, als ich in meinem bisherigen Leben gemacht hatte.
Als meine Mutter Luke und mich am nächsten Tag zum Bahnhof fuhr, musste ich mich so sehr zusammenreißen, nicht zu weinen, dass ich ihn nicht mal ansehen konnte. Als wir unsere Plätze auf den Rücksitzen eingenommen hatten, lagen unsere Hände in der Mitte. Dieser typische Moment in diesen romantischen Teenie-Filmen, in dem er ihre Hand nimmt, sie sich küssen, beziehungstechnisch zusammenkommen und alles ist so schön wie nie zuvor. Natürlich ein Klischée, wieso sollte mir etwas derartig Schönes widerfahren. Er machte keinerlei Anstalten, auch nur mitzubekommen, dass unsere Hände lediglich ein paar Zentimeter voneinander entfernt waren. Also nahm ich die Sache in die Hand, wortwörtlich.
Glücklicherweise hatten wir noch etwas Zeit bis sein Zug eintraf, also standen wir am Bahnhof. Diesen wunderbaren Moment voller Abschiedsschmerz musste ich selbstverständlich ruinieren und nach unserem Beziehungsstatus fragen. Indirekt. Ich wollte es wissen, mir war es allerdings zu peinlich, einfach so danach zu fragen, also missbrauchte ich den Namen Emmas und stellte die Frage in ihrem Namen. Nachdem er erfolglos versucht hatte, mir die Entscheidung darüber zu lassen, ob wir nun zusammen seien oder nicht, meinte er:
»Ja, warum denn nicht.«
Natürlich konnte sich das noch als Fehler herausstellen, sollte er so reagieren wie Yannik. Aber ich war mir zu achtzig Prozent sicher, dass dies nicht der Fall sein würde, ein bisschen Angst hatte ich natürlich trotzdem noch.
Irgendwann erreichte sein Zug den Bahnhof. Pünktlich. Wieder mal verfluchte ich die Deutsche Bahn, diesmal aus dem entgegengesetzten Grund. Dann habe ich versucht, ihn zu küssen. Ist zwar ziemlich schief gegangen, aber probieren wollte ich es eben. In meiner Naivität musste ich ihm auch noch ein »Ich liebe dich« an den Kopf schmeißen. Ich Romantikerin. Er erwiderte es lachend, da wir bei meinem Manöver fast umgefallen wären. Er ließ mich mit einem »Bis zum nächsten Mal« zurück am Bahnsteig, während er in den Zug stieg. Es war so traurig. So gottverdammt traurig. Alles, was er mir zurückließ – sein Zugticket, seine Kaugummis, ein Herz aus Holz, und ein Bild von seinem Shirt, das er zum Schlafen trug (heimlich aufgenommen) – hielt ich in Ehren. Mein Bett roch nach ihm, als ich mich hineinlegte und verstärkte meine Melancholie. Als hätte man einen Teil von mir abgesägt und in den Pazifik geworfen.
Lange hatte ich zum Glück nicht Zeit, Luke hinterher zu trauern, denn meine Cousine, meine Mum und mein Bruder waren noch mit mir bowlen und anschließend einen Liebesfilm sehen. Ablenkung tat gut. Weniger Zeit um darüber nachzudenken, ob es ein Fehler war, mit ihm zu schlafen. Es war nicht einmal vierundzwanzig Stunden her und schon zweifelte ich.
Als ich Emma alles haarklein erzählte, war es, als geschähe es nochmal. Ich vermisste ihn furchtbar, schon am nächsten Tag. Aber er schrieb mir, wie ich gehofft hatte. Manche Menschen verlieren das Interesse an einem, sobald sie bekommen hatten, was sie wollten. Nicht so Luke. Meine Erleichterung war immens. Ich konnte es gar nicht so richtig fassen, dass wir ein Pärchen waren. Die kleine Lucy hatte auch mal jemanden gefunden, es war unglaublich. Das Unschöne daran war, dass man in einer Fernbeziehung die meiste Zeit allein aufwacht und allein zu Bett geht.
Bevor Luke und ich an diesem Tag telefonierten, sah ich einen Film, und war danach so abgrundtief traurig. Als er auflegte, brach ich in Tränen aus. Der Beginn einer Zeit der Stimmungsschwankungen.
Bei einem weiteren Telefonat, welches bis 05.30 Uhr andauerte, unterhielten wir uns unter anderem über die drei Tage, in denen er bei mir war. Ich konnte es nicht lassen, sondern musste ihm erzählen, wie grauenhaft es ist, wenn Männer Shirts mit Frauen darauf anhaben. Kleine Anspielung auf das Shirt, welches ich photographiert hatte. Er rechtfertigte sich damit, dass er es nur gekauft hatte, weil es schwarz war und es auch solange waschen kann, bis es ganz ausgeblichen ist. War er nicht liebenswert? Als das Thema auf meine Brüste fiel, und ich anmerkte, dass man dort ganz toll Scheren, Messer, Stifte, etc. aufbewahren könne, meinte er, dass ich ihm das mal zeigen müsste. Er vergaß es, glücklicherweise. Außerdem erfuhr ich, dass er mich immer noch mit meinem Nickname aus dem Internet abgespeichert hatte. Als ich das später Emma erzählte, hat es sie fast umgehauen vor Lachen.
Des Weiteren fragte er mich, ob ich es mir selbst machen würde. Als ich verneinte, musste ich mich standhaft weigern, es am Telefon zu tun. Genau wie ich niemals Unterwäschebilder versenden würde (haha), wollte ich nicht dass Luke etwaige Dinge hört.
Irgendwann mal fragte er mich per WhatsApp, ob es in Ordnung wäre, wenn er mit paar anderen ausginge. Ich wunderte mich darüber, denn es war seine eigene freie Entscheidung, mit wem er wann wie Zeit verbrachte und bejahte das Ganze. Später schickte er mir ein Bild von seinem kunstvoll arrangierten Glas mit selbstgebauter Strohhalm-Kunst. Dieses leitete ich an Emma weiter, dann besah ich es genauer. Sehr viel genauer. Es entstand folgender Chatverlauf:
Lucy, 21.36 Uhr: Er sitzt da. Mit einer Frau. Okay.
Lucy, 21.38 Uhr: Nein, zwei Frauen.
Lucy, 21.38 Uhr: Genau. Zwei Frauen.
Lucy, 21.38 Uhr: Er sitzt da
Lucy, 21.39 Uhr: mit zwei Frauen.
Lucy, 21.39 Uhr: Mit zwei
Lucy, 21.39 Uhr: FRAUEN
Lucy, 21.39 Uhr: MIT ZWEI FRAUEN
Lucy, 21.40 Uhr: ER SITZT DA MIT ZWEI FRAUEN
Lucy, 21.40 Uhr: ZWEI!
Lucy, 21.40 Uhr: FRAUEN!
Emma, 21.45 Uhr: Ganz ruhig, atmen nicht vergessen.
Emma, 21.56 Uhr: Lucy, er liebt dich! Da ist es egal, wie hübsch die sind oder wie nett oder sonst was! Man kann deine Schönheit nicht übertreffen ;)
Lucy, 21.58 Uhr: ZWEI FRAUEN
Lucy, 21.58 Uhr: IN SEINEM ALTER
Lucy, 21.58 Uhr: AUS SEINER STUDIENGRUPPE
Emma, 21.59 Uhr: GAAAANZ RUHIG.
Lucy, 21.59 Uhr: Okay, ich reagiere eindeutig über.
Lucy, 21.05 Uhr: Entschuldigt, ihr zwei Frauen und entschuldige Leo, dass ich so reagiert hab. Ich liebe dich doch und weiß, dass Du nie was mit denen anfangen würdest, solange wir zusammen sind.
Lucy, 21.07 Uhr: Hoffe ich doch.
Lucy, 21.10 Uhr: Okay, ich bin ruhig.
Lucy, 21.10 Uhr: Tiefenentspannt.
Lucy, 21.12 Uhr: GUUUUUAAAAHHHH
Emma, 21.20 Uhr: Ach Du Schande.
Emma, 21.21 Uhr: Also Du hast aber recht, er fängt mit niemandem etwas an, solange ihr zusammen seid. Er liebt dich über alles und das schon sehr, sehr lange.
Trotz der Tatsache, dass ich Schule hatte, haben wir oft bis 02.00 Uhr nachts geredet. Als er mal leicht alkoholisiert war, wollte er ein Bild. Er betrachtete es und sagte:
»Du bist so hübsch.«
Selten gehen mir derartige Komplimente wirklich nah, aber bei diesem war es anders. Er hatte mich gesehen, wie mich kein anderer je gesehen hatte, und das machte es noch wertvoller. Mir lief ein Schauer über den Rücken, so warm wie der Föhn über die Alpen schwappt.
Eines Tages musste ich während wir telefonierten eine Spinne fangen. Ich finde Spinnen einfach nur eklig, aber nicht angsteinflößend, im Gegensatz zu Bienen und Wespen; die finde ich nicht widerlich, vor denen habe ich einfach nur Angst. Jedenfalls war das ein richtiges Abenteuer. Ich hatte einen Becher über die Spinne gestülpt, wollte ein Stück Papier darunterschieben und sie aus meinem Fenster befördern. Dann ist mir das Papier weggerutscht und die Spinne herausgekrabbelt, über meinem Bett. Die Spinne war so schnell, und ich war so panisch, und Luke die ganze Zeit nur:
»Hey, Engel. Ganz ruhig.«
Am Ende hat die Spinne, gefangen in einem Becher, auf meinem Fensterbrett übernachtet.
Später habe ich gefragt, wieso er mich gefragt hatte, ob es in Ordnung wäre, wenn er mit den anderen ausgeht. Er meinte, er hätte es nicht getan, wenn ich nein gesagt hätte. Oooookay? Dann musste ich noch die Frage loswerden, ob er schnell eifersüchtig würde, was er bejahte. Auf meine Bitte hin, es mir zu sagen, falls er je einen Grund dazu sehen sollte, erwiderte er, dass ich es merken würde; er würde mir nie böse sein, aber anders; sich selbst die Schuld gebend. Ich hoffte inständig, dass das nie passieren würde. Was sich ebenfalls als zwecklos herausstellte, wie ich damals jedoch nicht wissen konnte.
Als wir über den leiblichen Vater von Emma sprachen, erzählte er mir von sich. Ich wusste bis dato nicht, dass er seinen leiblichen Vater nicht kannte, welcher seine Mutter mit ihm sitzen gelassen hatte. Ich verstehe bis heute nicht, wie man so dermaßen grausam sein kann. Ein Grund mehr, mir einen Beruf zu suchen, mit dem ich zur Not als alleinerziehende Mutter zurechtkäme. Als er mir dann von dem Moment berichtete, in dem ihm das offenbart wurde, hat er fast geweint. Einer der emotionalsten Momente, an die ich mich erinnern kann.
Natürlich haben wir uns wieder ausgemalt, wie es wäre, käme er das nächste Wochenende gleich nochmal.
»Dann würde ich wieder 'Komm her' sagen, und wäre ganz nah bei dir. Du weißt ja gar nicht, wie gern ich jetzt schon wieder bei dir wäre.«
Da war sie wieder, die kleine Welle Schmetterlinge, die durch meinen Körper schwappt.
Auch was die Zukunft betraf, spekulierten wir gerne. Besonders berührte mich der Moment, in dem er sagte:
»Im schlimmsten Fall habe ich dir etwas gezeigt. Und in dem Fall, den ich mir wünsche, wirst Du achtzehn, ich bin da und habe schon den größten Teil meines Studiums geschafft. Dann kann ich mehr für dich da sein.«
Bei diesem Gedanken kamen mir die Tränen. Besonders, weil es noch drei Jahre waren, die es zu überstehen galt. Aber ich war so verliebt. Zweifel bestanden zwar, dennoch phantasierte ich uns eine gemeinsame Zukunft zusammen.
Am 15.April erschreckte ich Emma fast zu Tode, als ich ihr zwei Sprachnachrichten zukommen ließ, in denen ich ununterbrochen weinte. Dass das Freudentränen waren, konnte sie ja nicht ahnen, man verstand mich wirklich nicht. Ich lag auf dem Küchenboden, überwältigt von Gefühlen: Noch euphorisch von dem gestrigen »Ich liebe dich« bekam ich eine Nachricht von Luke, die mit einem Liebesbrief gleichzusetzen war; eine Art Liebesbrief des 21. Jahrhunderts also. Er schrieb folgendes:
»Hey Lucy...
Es gibt ein paar Dinge, die ich dir gerade in diesem Moment irgendwie gerne sagen würde. Es gibt für mich nichts Schöneres, als daran zu denken, wie ich wieder bei dir bin. Es macht mich so unheimlich glücklich, dass Du meine bessere Hälfte bist. Es tut einfach immer so gut deine Stimme zu hören, dass ich mich sehr oft frage, womit ich das eigentlich verdient habe. Immerhin habe ich es eigentlich nicht verdient... denke ich.
Wenn man das Ganze mal über einen komplett anderen Blickwinkel betrachtet, kommt es einem so vor, als wärst Du plötzlich da gewesen, einfach so... da; hast mich damals angeschrieben und warst da, als für mich die eigenartigste beziehungsweise schlimmste Zeit angefangen hat, im Bezug auf meine Psyche.
Du tust mir so unendlich gut. Du kannst Emma ruhig sagen, dass dich zu verletzen das Letzte wäre, was ich täte... da bräuchte sie nicht vorbeikommen, da würd ich mich vorher selbst umbringen.
Kennst Du das, wenn Du genau weißt, was Du schreiben willst, einen Teil schreibst und plötzlich ist es einfach leer; dir fällt nichts mehr davon ein? Irgendwie ein witziges Gefühl. Aber es gibt schlichtweg zu viel, was ich dir sagen will, als dass mich das jetzt aufhalten könnte.
Ich bin ein Stück weit sozial kompetent, und habe manchmal durchaus eine etwas komische Art drauf beziehungsweise eine komische Art Witze zu machen. Dass Du das so hinnimmst... oder gar als attraktiv erachtest, ist ... schön. Es tut gut.
Wenn es etwas gibt, dass ich mir am allermeisten wünsche, dann, dass Du glücklich bist. Das ist ein permanenter Wunsch, auch wenn Du es vielleicht gerade bist. Der Wunsch ist immer da...
Was ich dir eigentlich auch noch sagen wollte... Es kann passieren, dass es mir während dem stationären Aufenthalt deutlich schlechter geht. Es muss nicht, aber es kann sein. Ich will, dass Du dir keine Sorgen machst, weil ich dort wirklich in guten Händen bin.
Ich finde es immer noch unglaublich, dass Du trotz dem allem bei mir bist... und für mich da bist. Während dem stationären Aufenthalt werden wir vermutlich wenig bis gar nicht reden können an manchen Tagen, ich hoffe, dass das in Ordnung für dich ist. Wir können aber trotzdem ganz viel schreiben!
Du bist mit Abstand der tollste Mensch, den ich kenne. Ja, Du warst auf einmal da, und ich kann es noch gar nicht so ganz glauben. Als ob jemand Mitleid hatte da oben und wusste, dass ich jemanden brauche. Und dabei hätte ich es beinah aufgegeben... dir zur Liebe. War ganz schön dämlich... Ich bin froh, dass ich es nicht mehr ausgehalten und mich wieder gemeldet habe.
Du bist mein Engel, Lucy... meiner ganz allein. Sollte es jemals etwas geben, was dir nicht passt oder Ähnliches, sag es sofort. Wenn dann ist es mir nicht aufgefallen, aber ich würde das nie mit Absicht machen.
Ich liebe dich! <3“
Unbeschreiblich schön. Kleine Nadeln bohrten sich in meine Haut, angefangen bei meinen Füßen, über meinen Bauch bis in meinen Kopf, wunderschön und gefährlich zugleich. Tödliche Intensität.
Am darauffolgenden Wochenende rettete mich Luke aus einer sehr langweiligen Familienfeier, in dem er anbot, mit mir zu telefonieren. War das nicht süß? Kleine Gesten, große Wirkung. Des Weiteren stellte er mir seine Studiengruppe vor. Per Bild. Alle sahen so nett aus. Besonders Jasmin. Ich erwähne sie, da ich zugegebenermaßen Angst hatte, dass sich da etwas entwickeln könnte. Hach, ich konnte richtig eifersüchtig sein. Hätte eine Frau wirklich die Frechheit besessen, sich meinen Luke zu eigen zu machen, hätte ich ihr eigenhändig eine Grillzange mit Widerhaken in die Nasenwurzel gespießt, ihr die Finger abgehackt, frittiert und damit die Augen verbrüht. Davon abgesehen war alles noch so neu, so perfekt.
Erste Risse bekam die so perfekt scheinende Oberfläche, als ich begann, sehr oft zu weinen, weil mir diese Distanz wie ein langanhaltender, quälender Schmerz vorkam. Mir passierte das zuweilen auch, wenn Luke und ich redeten. Nie wollte ich den genauen Grund nennen. Er meinte allerdings, dass ich es ihm sagen sollte, wenn etwas nicht stimmt. Schließlich seien wir zusammen; wenn ich mir über etwas Sorgen machte, wollte er sich ebenfalls darüber Sorgen machen; wenn ich ein Problem hätte, wäre es zugleich auch sein Problem.
»Ich würde dich jetzt so gern küssen.«
Salz in die Wunde. Ich setzte noch einen drauf, indem ich fragte, wie für ihn die perfekte Familie aussähe, so ganz allgemein. Er antwortete, dass er gern eine Wohnung oder ein Haus in Bayern hätte, mit mir und zwei Kindern. So weit gedacht, so kurz überlegt. Was heute ist, muss morgen nicht mehr sein. Ich hörte ihm gerne zu, wenn wir über dieses Thema sprachen, dennoch beschlich mich das Gefühl, dass es einfach zu einfach wäre. Diese Vermutung sollte sich später bewahrheiten, aber bis dahin dauerte es noch eine Weile.
Eines Abends hatte Luke gerade aufgelegt, als ich ein sehr komisches Gefühl bei der Sache hatte. Zuvor fragte ich, ob alles in Ordnung sei, er bejahte und sagte, ich solle mir keine Sorgen machen. Das war definitiv ein Grund, mir Sorgen zu machen. Er war so seltsam schweigsam und kurz angebunden. Als ich Emma damit zutextete, meinte sie, es sei sicher alles in Ordnung, aber ich konnte ihr nicht glauben; mein Gefühl sagte mir nun mal das genaue Gegenteil. Er hatte mir zwar versprochen, mir zu schreiben, sobald er aufwacht, allerdings hatte ich Angst, dass er es nicht mehr täte, aufgrund der Tatsache, dass er sehr lange überlegte, bevor er mir das versprach. Nach einer kleinen Diskussion mit Emma entschied ich mich dafür, ihm nochmal zu schreiben, wie wichtig er mir war und wie sehr ich ihn liebte:
»Was auch immer Du jetzt tust... bitte denk daran.«
Offensichtlich hatte ich ins Schwarze getroffen. Er bat mich um ein weiteres Gespräch. Es war 00.30 Uhr, ich hatte Schule, und es war mir sowas von egal. Mir war schlecht. Ich dachte erst, er mache Schluss, und das wäre mir lieber gewesen, als das, was er wirklich vorhatte. Ich habe natürlich in dieser angespannten Situation erstmal die Nerven verloren und geweint wie ein Wasserfall. Nach meiner Frage, was los sei, erklärte er, dass es daran läge, dass ich mir Sorgen über die nächsten drei Monate, in denen er den stationären Aufenthalt haben sollte, gemacht hätte. Dabei hatte ich lediglich überlegt, wie es sein wird...
Schließlich habe ich ihm versprochen, mir keine Sorgen zu machen. Also gab ich mir diesbezüglich auch wirklich größte Mühe. Das wahrhaftig Schockierende an der Sache war, dass er sich meinetwegen verletzen wollte und das hätte ich nicht ertragen. Schon dieses Wissen machte mich fragil wie einen Schmetterling im Regen. Er sagte weiterhin, er würde sich nicht umbringen, alles andere sei egal. Ich konnte die Tränen nicht aufhalten. Muss wohl ziemlich schlimm gewesen sein, denn er sagte, dass er mir alles verspricht, egal was. Der Rest dieser Nacht befindet sich irgendwo unauffindbar in meinem Gedächtnis. Alles, was ich noch weiß, ist, dass er ständig meinte, wir würden das schaffen. Zusammen. Aber diese ständige Angst, dass etwas passieren könnte, bei ihm, er sich etwas sehr schlimmes antun könnte, zerfraß mich langsam aber sicher. Vielleicht würde ich es irgendwann einfach nicht mehr aushalten. Aber vorerst änderte sich nichts an meinen Gefühlen. Ich hoffte für ihn und für uns, dass es ihm während beziehungsweise nach dem stationären Aufenthalt besser ginge. Selbst wenn nicht hätte sich nichts an unserer Beziehung geändert. Diese Sache sollte nicht zwischen uns stehen und das tat sie auch nicht.
Umso mehr freute ich mich, als ich am Tag danach folgende Nachricht erhielt:
»Einen schönen guten Morgen, Engel. Ich hoffe, Du konntest gut schlafen. Außerdem danke... danke für alles, dieser wunderschönen Zeit und dir. Danke. Ich bin wirklich glücklich. <3«
Das löste einen wahren Sturm der Euphorie in mir aus. Etwas Besseres als ihn glücklich zu wissen, gab es nicht. Es kam mir vor wie das kostbarste Geschenk auf der Welt.
Eines Abends versetzte mich Luke wieder, obwohl wir telefonieren wollten. Er war noch aus und offensichtlich nicht mehr in der Lage, zu reden, er meinte in einer verspäteten Nachricht, er könne nicht mehr geradeaus gehen. Dass er betrunken war, habe ich erst verstanden, als ich Emma die Nachricht zeigte. Sie hat sich natürlich erstmal gekrümmt vor Lachen, weil ich es nicht verstanden hatte. Manchmal bin ich eben schwer von Begriff. Jedenfalls, als Entschuldigung sang er mir etwas vor. Zwar nur zehn Sekunden, aber der Gedanke zählt. Es war so niedlich. Das Audio höre ich mir heute noch gern an und das Lied wurde zu einem meiner liebsten.
Luke hatte die tolle Angewohnheit, mir jedes Mal zu schreiben, dass wir reden können, wenn ich kurz vorm Einschlafen war. Wenn Emma also ein »Gute Nacht«, und fünf Minuten später ein »Meine Pläne wurden durchkreuzt« erhielt, wusste sie schon, was los war. Und eines Nachts telefonierten Luke und ich gerade, als Emma ihm eine Nachricht von mir zukommen ließ, worüber wir vorher auch gesprochen hatten, aber der Zeitpunkt war einfach denkbar ungünstig. Diese Mitteilung von mir triefte vor Sehnsucht:
»Ach, ich muss das jetzt mal loswerden. Gott, Du glaubst gar nicht, wie sehr ich Luke vermisse. Ich glaube, ich habe noch nie so große Sehnsucht nach irgendetwas oder irgendwem gehabt wie nach ihm. Ich wünsche mir so sehr, dass alles gut wird nach der Klinik. Dass er gesund wird. Irgendwann. Aber ich habe auch Angst. Ich habe so eine Angst, dass ihm während des Aufenthaltes klar werden könnte, dass ich nicht gut genug bin. Ich hoff's nicht, aber es kann passieren. Der Gedanke daran tut unheimlich weh.
Ich kann mir ein Leben ohne ihn eigentlich gar nicht mehr vorstellen. Wenn ich daran denke, wie ich achtzehn werde, dann denke ich an ihn. Wenn ich mir die Zukunft vorstelle, dann denke ich an ihn. Ich weiß noch nicht genau, was es ist, was hier passiert, aber es ist etwas unheimlich Tolles.
Manchmal merke ich schon, dass es ihm nicht gut geht, so wie Letztens. Ich war so müde und habe trotzdem mit ihm geredet. Und geweint. Ich habe geweint, wegen schlimmen Dingen, die passieren können und weil ich ihn vermisse. Um ehrlich zu sein, ich kann ihm nichts sagen, damit es ihm besser geht. Mir fehlen die Worte dafür. Aber ich hab Arme für Umarmungen, Ohren zum Zuhören und ein Herz, dass ihn glücklich wissen will. Ich will gar nicht schlafen. Nicht ohne mit ihm telefoniert zu haben. Ich liebe ihn mehr als meinen Schlaf. Ich liebe ihn mehr als alles andere auf der Welt. Gott, ich liebe ihn so.
Du weißt gar nicht, wie schön es ist, ihn singen zu hören. Ich höre es, wenn ich einschlafe, und ich höre es, wenn ich aufwache. Ich vermisse ihn so; Vermissen ist eigentlich gar kein Ausdruck dafür.
Ich will, dass er jetzt bei mir ist. Ich will ihn anfassen. Ich will seine Hände auf mir spüren. Ich will ihm in die Augen sehen können. Ich will ihm wieder sämtliche Knochen brechen. Ich will mit ihm schlafen. Ich will ihm sagen, wie viel er mir bedeutet. Gott, er bedeutet mir so viel. Ich weiß schon gar nicht mehr, was ich ohne ihn wäre. Er ist das, was mich glücklich macht. Eigentlich freue ich mich jeden Tag am meisten auf ihn beziehungsweise seine Stimme, alles weitere bleibt mir ja verwehrt. Ich wünsche mir so sehr, dass schon Sommer wäre.
Und dann denke ich daran, was Dad vor einer ganzen Weile gesagt hat. Dass wir immer gleich alles wollen. Dass er nicht will, dass Luke hier schläft. Dass ich doch keine Ahnung hätte. Dass ich mir einen Freund in der Nähe suchen soll. Dass das doch niemals hält, bis ich achtzehn bin. Und daran, dass sich fast geweint hätte, obwohl ich nie vor Dad weine. Er versteht es nicht. Er versteht es einfach nicht.
Manchmal frage ich mich, ob Luke auch lächeln muss, wenn er an uns denkt. Ob er mich genauso sehr vermisst. An was er denkt, wenn er einschläft, und an was er denkt, wenn er aufwacht. Ob ihm etwas fehlt, wenn wir gerade nicht schreiben.
Weißt Du, er ist ein Teil meines Leben. Der Teil, den ich am liebsten mag. Er ist das, was mich glücklich macht. Er ist das, was ich mir vom Universum gewünscht habe.«
Natürlich wollte er dann sofort einige Punkte besprechen und ließ mich an seinen Gedanken teilhaben. Mit einem »Ich liebe dich« verabschiedete er sich und mich in den Schlaf jener Nacht.
Netterweise überzeugte meine Mutter Dad davon, wie sinnlos es wäre, schliefe Luke im Sommer nicht hier. Dass sie ihn schon kannte, würde Dad nie erfahren, wir waren ein eingespieltes Team. Mir war fast klar, dass wir das so legen würden, dass Papa wieder nicht da ist. Sonst hätten wir keine Ruhe gehabt. Das wäre im Nachhinein betrachtet wirklich sehr bedauerlich gewesen.