~Romy~
Ich saß mit auf dem Schoß zusammengefalteten Händen auf meinem Bett und sah mich unsicher in der kleinen Kammer um, in der nur das Nötigste stand. Zwei Betten. Zwei Nachttische. Ein Schrank, dessen Inhalt aus den schwarzen Kleidern mit Schürzen, weitem Ausschnitt und einem kurzen Rock bestand, welcher in Avas und in meinen Bereich unterteilt war.
Unsicher biss ich mir auf die Unterlippe. Ich hätte Ava wirklich gerne geholfen, doch meine Angst, den rothaarigen Mann wiederzusehen, war einfach zu groß.
Mir stiegen Tränen in die Augen und ein eiskalter Schauer wanderte meinen Rücken hinab, als ich mich daran erinnerte, was er mit mir gemacht hatte. Schutz suchend schlang ich meine Arme um meinen Oberkörper.
Er war nicht hier. Ich war sicher.
Ava jedoch nicht. Unbewusst stand ich bei diesem Gedanken auf. Ich wollte gar nicht darüber nachdenken, was er vielleicht in diesem Moment mit ihr anstellte. Eine Gänsehaut bildete sich auf meinem Körper und ließ ein unangenehmes Kribbeln zurück.
Ich wischte mir die Tränen aus den Augenwinkeln und wollte mich gerade wieder auf das Bett setzen, als mir ein süßlicher Geruch in die Nase stieg. Diese Süße hatte ich schon einmal gerochen. Zum ersten Mal war das in der Küche des Schlosses gewesen, kurz bevor Ava und ich im Thronsaal gestanden hatten. Ich wusste zwar nicht genau, was das für ein Zeug war, aber ich fühlte mich zunehmend davon benommen. Es schnürte mir die Kehle zu.
Schritte halten plötzlich durch den Gang, die immer näher kamen. Automatisch ergriff mich der Drang, mich schnellstmöglich verstecken zu müssen. Mein Körper reagierte nicht sofort, weshalb ich mich nur verzögert nach einem Versteck umsehen konnte. Schließlich riss ich die Tür des Kleiderschranks auf und wollte gerade hineinsteigen, als sich der Türknauf zu bewegen begann. Mit anhaltendem Atem drehte ich meinen Kopf in Richtung Zimmertür und erstarrte.
Er war da.
„Hallo Romy, wie du sicher bereits festgestellt hast, bin ich der Herr dieses Schlosses. Du kannst mich aber gerne Kirian nennen“, säuselte er, während der Gehalt an Süße in der Luft noch ein wenig anstieg. „Was hältst du von ein wenig Spaß, um die Verspannungen des Tages zu lockern? Gerade mit einem Inkubus ist so etwas ja ein Kinderspiel …“
Ich zitterte am ganzen Körper, während ich ihn wie paralysiert anstarrte. Es war mir beinahe unmöglich, den Kopf zu schütteln, doch ich tat es trotzdem irgendwie. Dies löste Überraschung bei dem Mann aus. „Eigentlich hättest du bewegungsunfähig sein sollen“, sagte er scheinbar zu sich selbst und legte grübelnd eine Hand an sein Kinn. „Aber ist ja auch egal. Dann werde ich meine Pheromone so lange erhöhen, bis du dich wirklich nicht mehr bewegen kannst.“ Ein bedrohliches Lächeln legte sich auf seine Lippen.
Im nächsten Moment begannen meine Nasenhöhlen zu kribbeln, als die Luft immer süßer wurde. Ich hielt mir die Hände vor Mund und Nase und versuchte, so wenig wie möglich von der Luft einzuatmen. Verzweifelt sah ich mich nach einer Fluchtmöglichkeit um, doch der einzige Weg aus dieser Situation wurde bereits versperrt.
Ehe ich weiter nachdenken konnte, stand er im nächsten Moment direkt vor mir.
In einem Anflug von Panik holte ich aus. Sein Kopf schoss zur Seite und ein roter Abdruck blieb auf seiner Wange zurück. Die hellen Augen des Inkubus wanderten zu mir und ein Lächeln breitete sich in seinem Gesicht aus, was mir eine weitere Gänsehaut bescherte. „Oh, das kribbelt.“ Seine Worte legten einen Schalter in meinem Gehirn um. Ich stieß den Rothaarigen zur Seite und stürmte zur Tür der Kammer, die hinaus auf den Flur führte. Meine Fingerspitzen berührten bereits den Türknauf, als die Intensität der Süße so stark anstieg, dass sie wie ein überwältigendes Druckgefühl auf meinen Schultern lag und mich zu zerquetschen drohte. Meine Beine gaben nach und ich stürzte zu Boden. Ich wollte aufstehen, doch mein Körper gehorchte mir nicht.
Kirian schritt auf mich zu. Die Absätze seiner Schuhe hallten in meinen Ohren wider. „Unter Umständen könnte deine Hartnäckigkeit noch spannend werden, Püppchen … doch ich lasse mir nicht allzu lange auf der Nase herumtanzen.“
Ich sah noch seine violetten, vor Lust glänzenden Augen, bevor meine Sicht verschwamm und mich die Dunkelheit umhüllte.
Ein dumpfes Fingerschnippen drang in meine Ohren und ich sah das lüsterne Lächeln des Rothaarigen in meinem Kopf. Als ich die Augen öffnete, war ich nicht mehr in der Dienstmädchenkammer, in der Ava mich zurückgelassen hatte. Sofort setzte ich mich in dem Himmelbett auf und sah mich nach einem Fluchtweg um, entdeckte jedoch nur die Tür.
Als ich mich genauer mit dem Raum befasste, in dem ich nun war, bemerkte ich, dass er abgesehen von dem luxuriösen Bett einer Folterkammer glich.
An einer der steinernen Wände waren Ketten eingelassen, und unwillkürlich fragte ich mich, ob ich wohl bald mit gefesselten Handgelenken und dem kalten Stein am Rücken dort stehen würde.
Meine Augen wurden vor Schock groß, als ich eine Truhe entdeckte. Unbehagen machte sich in mir breit. Ich konnte mir vorstellen, was sich darin befand, wenn das Behältnis in nächster Nähe zur mit Ketten versehenen Wand seinen Platz gefunden hatte.
„Du bist wach, Püppchen“, hörte ich Kirians helle Stimme und bemerkte eine Bewegung im Augenwinkel. Der Inkubus lag neben mir im Bett und hielt ein kleines Buch in der Hand, welches er jetzt schloss. „Bereit für etwas Spaß?“
„So etwas wie dich gibt es nicht …“, brachte ich jetzt endlich mit zittriger Stimme die Gedanken hervor, die mir, seit ich hier gelandet war, im Kopf herumschwirrten.
„Aber natürlich gibt es Inkubi, meine Liebe. Ihr habt nur vor langer Zeit aufgehört, an uns zu glauben. So wie auch an alle anderen Wesen, die sich euch Menschen nicht zeigen“ antwortete der Rothaarige. „Und dennoch gibt es ein paar wenige von euch, die das Glauben noch nicht vollständig verlernt haben. Nur die Prioritäten sind etwas … verrutscht.“
„V-Verrutscht?“
„Die Gestalt, die ihr “Gott“ nennt, gibt es nicht und dennoch hat dieser nicht existente Mann Tausende von menschlichen Anhängern. Die Kreaturen, die der Wirklichkeit entspringen, tut ihr ab, obwohl viele von ihnen dem Unheil entspringen. Ihr Menschen glaubt schlicht und ergreifend an die falschen Dinge“, mit einem Fingerschnippen ließ er das Buch verschwinden. „Und nun, gehen wir das an, wozu du hier bist …“
„Fass mich nicht noch einmal an, du Perverser!“, rief ich, ehe ich überhaupt wusste, was mir über die Lippen kam. Kirian, in seiner Bewegung erstarrt, legte den Kopf schief.
„Per-Perverser? Ist das so ein Wort, welches man in eurer Zeit verwendet?“, dem Rothaarigen war die Verwirrung geradewegs ins Gesicht geschrieben. „Aber das ist unwichtig. Schluss mit den Ablenkungen.“ Mit diesen Worten presste er mich zurück auf das Laken in eine liegende Position und setzte sich rittlings auf mich. Meine Handgelenke pinnte er mit einem animalischen Knurren über meinen Kopf. Ich spürte das Gewicht seines Körpers, als er sich nach vorne beugte und seine Lippen auf meine Halsschlagader legte. Ein Wimmern entrang sich meiner Kehle, als ich dann auch die Zunge des Rothaarigen spürte, die eine feuchte Spur auf meiner Haut hinterließ.
„Ja, so ist gut … Lass es zu … Genies es …“ schnurrte Kirian in mein Ohr. Seine helle Stimme war wie der süßeste Honig und heftete sich widerspenstig an sämtliche noch denkende Gehirnzellen.
Als er sich dann wieder aufrichtete, verspürte ich kurz den Hoffnungsschimmer, dass es ihm zu langweilig wäre und er mich vielleicht gehen ließe. Dem war nicht so.
Der Rothaarige führte eine meiner Hände an seine linke Brust. Durch den breiten Schlitz in seinem Oberteil fühlte ich auch einen Teil seiner erhitzten Haut an meiner Handinnenfläche.
„Spürst du das? Das ist mein Herz, das nach der Erfüllung seiner tiefsten Sehnsüchte verlangt … Lassen wir es nicht länger warten“, säuselte der Inkubus und im nächsten Moment begann die Luft sich mit Süße zu füllen. Er ließ meine Hand los und fuhr mit seinen Händen über seinen noch vom schwarzen Stoff bedeckten Oberkörper. Dann ließ er sie darunter gleiten, während ich auch bei dieser Geste die Bewegungen unter seinem Oberteil genau nachverfolgen konnte, ehe er es sich über den Kopf zog und seine proportionierten Muskeln entblößte.
„Lass mich gehen …“, wimmerte ich in einem Anflug von Kampfgeist, konnte den Blick jedoch nicht von dem Schauspiel vor mir abwenden.
Kirians schmale Lippen verzogen sich zu einem Lächeln. „Weißt du, ich könnte diese Worte ja verstehen, wenn es dir tatsächlich so ergehen würde. Vielleicht mag dein Verstand gerade noch dieser Meinung sein, doch deine Körpersprache ist eine andere …“
„Ich … will nicht …“ Meine Augen brannten und ich bemerkte erst jetzt, dass sich Tränen darin gesammelt hatten.
„Oh Püppchen, du wirst lernen, es zu wollen“ war das Letzte, was ich vernahm, ehe mein Geist in einem immer weiter verdichtendem Nebel aus süßlicher Luft verloren zu gehen drohte.