Die Schatten werden länger
Xander
Draußen wird es langsam dunkel. Es ist verdammt kalt und vor einer halben Stunde hat es angefangen zu regnen. Das scheint es immer dann zu tun, wenn er es am wenigsten gebrauchen kann. Ihm wird aber auch bewusst, dass er das Wetter in den letzten Wochen überhaupt nicht mehr richtig wahrgenommen hat. Es war ihm schlichtweg egal. Das war noch vor ein paar Wochen ganz anders. Wenn es eine Rolle spielt, weil du dich je nach Wetterlage fragen musst, wo du die Nacht verbringst und ob du irgendwo für ein paar Stunden unterkommen kannst. Jetzt wird es ihm wieder umso bewusster. Weil es erneut eine Rolle spielt. Er wird nicht zurückgehen. Er kann nicht zurück in die Wohngruppe. Er hatte da eigentlich nie etwas zu suchen. Von Anfang an nicht und jetzt noch weniger. Er weiß im Nachhinein nicht einmal mehr, wie Jesse ihn überhaupt zu dieser Scheiße überreden konnte. Er passt da nicht rein. Jesse hat höchstwahrscheinlich einfach nur einen Weg gesucht ihn möglichst schnell loszuwerden. Kurz und schmerzlos und er hat es einfach nicht kapiert. Xander zittert. Er weiß nicht was er fühlt. Da ist Wut. Da ist Trauer. Da ist Verzweiflung und vor allem ist da eine riesengroße Leere. Was hat er auch erwartet? Jesse hat es schließlich auf den Punkt gebracht: Er hat sein eigenes Leben und da passt Xander nicht rein. Noch weniger als in diese Wohngruppe.
Er fühlt sich miserabel. Dem Regen kann er in der U-Bahn Station zumindest für den Moment entgehen. Ein merkwürdiges Gefühl erneut hier zu sitzen, wo er in den letzten drei Wochen doch jeden altbekannten Ort gemieden hat, als würde ihn alleine das davor bewahren, sich wieder in Schwierigkeiten zu bringen. Im Grunde genommen war diese Annahme eine Farce. Er hätte es besser wissen müssen, aber er wollte sich einreden, es könnte funktionieren. Er wollte sich einreden, es könnte besser werden. Nichts ist besser geworden. Es ist eigentlich noch viel beschissener als vorher, weil er sich wirklich an diesen scheiß Gedanken geklammert hat, dass er aus diesem Dreck herauskommen könnte. Weil er sich daran geklammert hat, dass es irgendwen doch tatsächlich interessiert. Das es Jesse wirklich interessiert. Und er weiß, dass er ein selbstgerechtes Arschloch ist, denn vielleicht hat es Jesse wirklich interessiert – zumindest kurzzeitig – und er hat zu viel hinein interpretiert. Vielleicht ist er also einfach selber schuld, aber jetzt ist es auch zu spät um wieder umzukehren. Er hätte schon vor sechs Stunden zurück in der Wohngruppe sein müssen. Er ist so ein Vollidiot. Wütend über sich selbst schlägt er die Hände über dem Kopf zusammen. Gott, verdammt. Wieso muss er eigentlich immerzu Handeln ohne vorher auch nur eine Sekunde an die Konsequenzen zu denken? Oder warum kann ihm der ganze Dreck nicht einfach egal sein? Ja, da gäbe es etwas, dass dafür sorgen würde, das es ihm egal ist. Er schließt die Augen, nur für den Moment. Nicht daran denken. Nein! An manchen Tagen will er die Zeit lieber zurück drehen. Zu einem Punkt an dem noch alles in Ordnung war. Zu einem Zeitpunkt an dem er mit dem Wort Heroin nichts anfangen konnte. Als Monster und dunkle Schatten noch nicht real waren und der Morgengrauen alle Probleme lösen konnte. Das ist viel zu lange her.
„Xander“
„Was?“, er reibt sich müde die Augen. Noch schlaftrunken versucht er die Silhouette seiner Schwester im Dunkeln auszumachen. Sie ist die einzige, die ihn so nennt. Ein kurzer Blick zur Digitaluhr verrät ihm, dass es noch mitten in der Nacht ist.
„Ich kann nicht schlafen“, wispert sie.
Xander hebt seine Decke vorsichtig ein Stück an.
„Komm her“, flüstert er.
Sie kriecht ohne ein weiteres Wort zu ihm unter die Decke. Ihre Wärme geht sofort auf ihn über. Es ist nicht das erste Mal, dass Nikki nicht schlafen kann. Das kann sie in letzter Zeit oft nicht. Manchmal hat sie Albträume und manchmal hat sie Angst vor den Monstern in ihrem Zimmer, die lange, dunkle Schatten werfen. Deshalb lässt Xander ja auch das Licht im Flur an. Nur hilft das nicht immer. Dann kommt Nikki zu ihm. Sie geht nie zu den Eltern. Das ist okay. Dann schläft sie eben bei ihm. Xander zieht sie vorsichtig in eine Umarmung. Seine Schwester legt den Kopf an seine Brust und flüstert: „Ich habe dich lieb, Bruderherz“. Wenn morgen früh die Sonne wieder aufgeht, wird sie wieder in ihrem eigenen Bett liegen. Am Morgen sind die Albträume und Monster vergessen und die Schatten fort.
Er weiß, dass er nicht viel länger hier in der Bahnstation bleiben kann. Das Wachpersonal macht seine Durchgänge und sie machen keine Ausnahmen. Er steht auf und klopft sich den Staub von Hose und Jacke. Mist, die Jacke. Das ist Niles. Da er noch nicht wirklich eigene Kleidung hat und Mike und die Betreuer in der Wohngruppe der Meinung waren er bräuchte bei dem Wetter vernünftige Kleidung, haben sie ihm Kleidung der anderen Jugendlichen zur Verfügung gestellt. Allerdings war ihm das wahnsinnig unangenehm, er kennt die meisten der Jungen ja kaum und begeistert sind die davon auch nicht gewesen. Also ist er trotzdem lieber nur in den Sachen rumgelaufen, die Jesse ihm in Wisconsin zusammengepackt hat. Bis der Schotte ihm eine seiner Jacken in die Hand gedrückt hat. Weil Xander irre ist, wenn er ohne draußen rumläuft. Niles Worte, nicht seine. Dabei ist einzig und alleine die Situation irre, in der er sich mal wieder befindet. Er hat das Gefühl irgendjemand hat auf den Reset Knopf gedrückt. Die ganze Scheiße einfach nochmal von vorne. Und obwohl Xander es nun ja eigentlich besser wissen sollte, fühlt er sich genauso machtlos wie zuvor. Er wünscht sich unlängst er wäre Jesse nie begegnet. Es ist nur eine Frage der Zeit, das weiß er. Dann ist alles wieder wie vor der Begegnung mit dem Medizinstudenten und davor hat er Angst. Wahnsinnige Angst. Genauso viel Angst wie vor all den Orten zu denen er jetzt gehen könnte. Weil diese Stimme in seinem Kopf nun förmlich schreit, dass sowieso alles egal ist. Dass es gar keine Rolle mehr spielt und das er sich jetzt auch einfach wieder einen Schuss setzten kann. Das würde alles erträglicher machen. Zumindest für den Moment. Wenn er an den Stoff denkt pulsiert das Blut in seinen Adern. Er denkt an die ersten Wochen in New York, als alles so verdammt beschissen gewesen ist, weil er abermals alleine war. Er denkt daran, wie er Romeo am Telefon gerne alles erzählt hätte und daran, dass er es nicht getan hat, weil er es nicht aussprechen konnte. Denn es wäre real geworden, sobald er darüber gesprochen hätt. Und er will nichts mehr damit zu tun haben. Nie wieder. Deshalb musste er fort. Er ist bis heute sicher, dass der Mann den er damals in Jersey City gesehen hat James war. Er würde dieses Gesicht aus tausenden erkennen. Er ist sich auch noch immer sicher, dass Raynolds ihn auch erkannt hat. Es war nur ein Blick. Nur der Bruchteil einer Sekunde, aber er weiß das es gereicht hat und ihm ist klar, er wird nicht zurückgehen, nie.
Ganz von alleine hat er sich in Bewegung gesetzt. Er macht sich keine Gedanken darum, wo er hingeht, er tut es einfach. Seine Beine tragen ihn ganz von selbst und Xander wehrt sich gegen den Gedanken, dass er ein klares Ziel hat. Auch wenn er es besser weiß. Der Regen hat ausgesetzt, zumindest für den Moment und die Straßen werden binnen Minuten belebter. Er fühlt sich zum ersten Mal seit Ewigkeiten wieder so, als würde er in der Masse untergehen. Jeder der auch nur einen Tag auf der Straße verbracht hat weiß, es geht an Ende nur darum nicht aufzufallen. Irgendwann allerdings scheinst du nichts mehr dagegen tun zu können. So erging es Xander zumindest. Man fällt irgendwann alleine wegen des Aussehens schon aus dem Muster. Weil die Kleidung von Tag zu Tag verschlissener wird, bis sie irgendwann starr vor Dreck ist und weil du den dritten Pullover über deinen Sachen trägst, während andere eine dicke Daunenjacke zum Schutz vor der Kälte tragen. Eventuell ist das am Ender aber auch einfach nur was man glaubt. Vielleicht fällst du in einer Stadt wie New York letztlich nie auf. Es fühlt sich trotzdem anders an.
Am alten Bahnhof sieht alles aus wie immer. Die große Uhr mit ihren römischen Lettern wirkt noch mächtiger als sonst. Oder sie wirkt heute nur wieder besonders groß, weil er sie schon eine Weile nicht mehr gesehen hat. Aber abgesehen vom Stolz emporragenden Uhrenturm sieht das Gemäuer heruntergekommener denn je aus. Viel hat sich jedenfalls nicht verändert. Unter dem orangen Licht der Laternen stehen alt bekannt einige Mädchen – und vereinzelt auch Jungen - und warten auf Kundschaft. Alleine bei dem Gedanken wird ihm wieder ganz anders zumute. Als Xander einen schwarzen Chevrolet langsam heranfahren sieht geht er zügigen Schrittes weiter. Ein Blick zur Uhr verrät ihm, dass es gleich halb elf ist. Die falsche Zeit für Freier. Er will so nicht denken, aber er tut es. Jedenfalls ist er seit heute Morgen um sechs auf den Beinen und so langsam hat er erste Anzeichen von Müdigkeit zu beklagen. Unumwunden reibt er sich über die Augen um die flackernden Punkte loszuwerden. Weil er die Hand noch vor den Augen hat kann er J.J, der auf ihn zukommt, erst nicht sehen, nur hören. Wenn er ihn früher erblickt hätte wäre er ihm definitiv aus dem Weg gegangen. J.J. war einer von Angels Freunden. Xander kann ihn nicht leiden. Konnte er vom ersten Augenblick an nicht. Weil der Typ sich an alles und jeden ran schmeißt und offensichtlich nicht weiß was das Wort Distanz bedeutet.
„Xander!“
Er zuckt regelrecht zusammen. Das kann er gar nicht verhindern. Es ist geradezu gruselig, dass er spüren kann, wie sich seine Nackenhaare aufstellen.
„J.J.“, murmelt er verhalten. Die Hand in den Nacken gelegt, um das merkwürdige Gefühl zu vertreiben, dass sich von dort ausbreitet. Ein Blick in die braunen Augen seines Gegenübers verrät ihm das dieser voll drauf ist. Seine Pupillen sind klein wie Stecknadelköpfe. Scheiße. Ihm wird heiß und kalt.
„Hab‘ dich hier schon lange nicht mehr gesehen.“, stellt J.J fest.
„Stimmt“, gibt er kurz angebunden zurück.
Sein Gegenüber schüttelt sich kurz und starrt dann einen Moment ins Leere, bevor er sagt:
„Du siehst auch irgendwie ganz anders aus.“
Xander bekommt eine Gänsehaut. Keine Ahnung warum dieser Satz ihn so trifft. Warum er etwas in ihm auslöst.
„Ach, ja?“, fragt er nur.
Heftiges Nicken.
„Ja, … gesünder.“
Er passt nicht einmal mehr hier her. Nicht ohne aufzufallen. Was für eine wahnsinnige Scheiße. Wirklich. Obwohl er sich ja eigentlich darüber freuen sollte, dass er nicht mehr so übertrieben schlecht aussieht, wie noch vor ein paar Wochen. Tut er aber nicht. Weil er immer noch nicht weiß, was er wirklich fühlen oder denken soll. Stattdessen fährt er sich unruhig durchs Haar und weicht J.Js Blick aus. Den scheint das nicht weiter zu kümmern, als er fragt:
„Das von Angel hast du mitbekommen, oder? Heftige Geschichte. Sie hat wohl irgendein gestrecktes Zeug erwischt. Sie sagen auch sie hätte Schulden bei Clemens.“
Für einen Augenblick hört Xander nur ein Rauschen.
Mit einem Mal hat er das Verlangen sich die Ohren zuzuhalten, dennoch tut er nichts dergleichen. Das Rauschen dröhnt in seinen Ohren und J.Js Wort hallen darin wieder, ohne dass sie bei ihm ankommen. Dann ist der Moment vorüber.
„Hey, alles klar bei dir, Mann?“
Er schüttelt den Kopf, obwohl er eigentlich nicken will.
„Ja.“
J.J zieht die Augenbrauen zusammen.
„Was denn nun?“, fragt er verwirrt und kratzt sich dabei nervös an einer geröteten Stelle an seinem Hals.
„Alles in Ordnung.“
Xander hat das Gefühl die Worte klingen merkwürdig hohl. Gar nichts ist in Ordnung.
„Weißt du“, setzt sein Gegenüber schon wieder im Plauderton und etwas zu überschwänglich an, als ein grüner Ford um die Ecke biegt. Xander kennt dieses Auto. Manche Dinge ändern sich wohl nie. Es gehört einen von J.Js Stammfreiern. Joey, oder so ähnlich. Im Grunde genommen spielt es auch keine Rolle. Der begonnene Satz hängt unvollendet in der Luft, als Xander meint:
„Du musst wohl los.“
„Ja, Mann. Sieht so aus.“
Als J.J sich dem Auto zuwendet, kommt Xander ein Gedanke.
„J.J. wo kommst du zurzeit unter?“
Er nennt ihm eine Adresse und Xander versucht, sich diese einzuprägen so gut er kann. Der Achtzehnjährige kann sich nicht wirklich konzentrieren, kann nicht planen wie die nächsten Schritte aussehen sollen, aber er weiß ziemlich sicher, dass er hier nicht bleiben will. Sein Körper ist, seit dem Augenblick, in dem er den alten Bahnhof betreten hat, von einem nervösen Zittern ergriffen und all diese bekannten Szenen zu sehen und zu wissen, dass es etwas gäbe, was ihn sofort beruhigen würde, macht ihn regelrecht verrückt. Er kehrt postwendend um. Nichts wie weg hier. Er hofft nur, nicht noch einem bekannten Gesicht zu begegnen. Denn er ist sich nicht sicher, ob er es sich dann nicht doch noch einmal umentscheiden würde. Feste Entscheidungen sind seit jeher nicht sein Ding.
Die Stadt schläft nie. Überall herrscht Trubel. Irgendwelche Reklamen für ein neues Handy leuchten grell und die Straßen sind immer noch belebt. Dennoch fühlt er sich allein. Ein nagendes, schweres Gefühl das auch die stärkste Leuchtreklame nicht ausblenden kann. Ihm fährt die Kälte in die Glieder obwohl er eigentlich warm genug angezogen ist. Merkwürdig. Beides. Sowohl, dass er warm angezogen ist, als auch, dass ihm dennoch kalt ist. Immer wieder murmelt er leise die Adresse. Wie ein Mantra. Er ist sich nicht ganz sicher ob er auf den richtigen Weg ist aber er glaubt zu wissen wo das ist. Er kann sich nur vorstellen, was für eine Bleibe das sein mag, wenn J.J dort untergekommen ist, aber es wird sich vermutlich um ein besetztes Haus oder ähnliches handeln. Er wird es sehen, wenn er dort ist und sollte ihm der Ort irgendwie suspekt erscheinen, dann kann er sich immer noch etwas anderes suchen. Der Nieselregen hat wieder eingesetzt. Xander zieht die Schultern hoch. Es ist wirklich genau das Wetter, das man fast Ende Januar erwartet. Er biegt in die nächste Seitengasse ein als der Regen plötzlich stärker wird. Der nächstbeste Hauseingang bietet ihm Schutz vor dem Platzregen. Er muss niesen und fragt sich unwillkürlich, ob die nächsten Monate wieder so aussehen sollen? Ohne Plan und Ziel. Das hält er definitiv nicht durch. Es macht ihn jetzt schon verrückt. Er nutzt die Gelegenheit als der Regen nachlässt und sucht die Adresse auf die J.J ihm genannt hat. Es ist kein besetztes Haus. Nein. Es ist eine Baustelle. Das Gebäude das hier steht war vor Jahren einmal als Kaufhaus geplant. Daraus geworden ist nichts. Und so steht der Rohbau bereits seit ewiger Zeit leer. Die Adresse hätte ihm eigentlich direkt etwas sagen sollen aber Xander ist hier noch nie zuvor gewesen, wenn er eine Bleibe für die Nacht gebraucht hat. Er hat es immer vorgezogen Orte aufzusuchen, die er möglichst für sich alleine hatte. Das wäre ihm auch jetzt lieber, aber als er sich langsam durch das Loch im Bauzaun zwängt ahnt er bereits, dass er nicht der Einzige ist, der hier heute Nacht vor dem Wetter Schutz sucht.
So ist es auch. Im Erdgeschoss ist bereits besetzt und in die erste Etage hat irgendwer eine alte, stinkende Matratze geschleppt die wohl als Nachtlager dient. Xander schaudert. Nein, Danke. Er tastet sich langsam weiter vor. Herr Gott nochmal. Es ist stockdunkel in diesem Gebäude. Er hasst Dunkelheit. Es gibt eigentlich nichts was er mehr hasst. Außer vielleicht sich selbst und das klingt selbst in seinen Gedanken so bescheuert, mitleidig und kindisch das er beinahe anfängt laut zu lachen. In dem Moment in dem er dann endlich irgendwo in der dritten Etage zur Ruhe kommt, fragt er sich ernsthaft was zur Hölle eigentlich mit ihm los ist. Was auch immer Jesse gesagt oder getan hat, wieso lässt er sich davon so beeinflussen? Und wann hat er angefangen anderen Leuten für seine Scheiße verantwortlich zu machen? Nicht Jesse hat gesagt er sollte nicht zurück zur Gruppe gehen. Das ist lächerlich. Er ist ganz alleine für sich verantwortlich. Aber er hätte Jesse nie das Ruder über seine Gefühle überlassen dürfen und noch viel mehr hätte er sich nicht von ihm und seiner Meinung abhängig machen dürfen. Da ist es wieder: abhängig. Immer wieder. Abhängig von der Aufmerksamkeit seines Vaters, abhängig von Angel und dem verdammten Heroin und zuletzt abhängig von Jesse und seiner albernen Meinung über ihn. Weshalb passiert ihm das immer wieder? Wann fängt er endlich an eigene Entscheidungen zu treffen und die Verantwortung dafür zu übernehmen? Immer und immer wieder hat Xander sich eingeredet, dass er das getan hat, als er mit den beschissenen Drogen angefangen hat. Das war ja schließlich seine eigene Entscheidung. Aber wenn er ehrlich ist, hat er zu diesem Zeitpunkt keine Sekunden an irgendwelche Konsequenzen gedacht, geschweige denn das er Verantwortung für sein eigenes Handeln übernommen hat. Ständig lässt er zu das andere Leute ihm die Entscheidungen aus der Hand nehmen, so wie Jesse als er ihn in dieser Wohngruppe untergebracht hat. Und immer dann, wenn es darum geht eigene Entscheidungen zu treffen, so wie heute, da rennt er weg. Andauernd. Er tut ja gar nichts anderes als vor seinen Problemen davonzulaufen. Wie Jesse es damals gesagt hat. Deshalb hat es ihn auch so getroffen. Es ist wahr. Er rennt ständig weg. Erst von Zuhause, dann aus Jersey City und jetzt aus der Wohngruppe. Immer macht er damit alles kaputt und das ist so dämlich und bescheuert das er sich gerade am liebsten selbst Ohrfeigen würde.
Plötzlich ist er froh darum alleine zu sein. Besser so, dass ihn hier keiner sieht oder hört. Gerade weiß er nicht wohin mit seiner Wut auf sich selbst und seiner Angst und seiner Wut auf Jesse. Gott, der Typ gibt ihm doch allen Ernstes die Schuld daran, dass er Stress mit seiner Freundin, oh pardon, Jesse hat es ja extra betont, Verlobten hatte. Woher hat er das bitte wissen sollen, als er bei Jesse geklingelt hat? Mal abgesehen davon das er mit der jungen Frau die ihm die Tür geöffnet hat kaum ein paar Worte gewechselt hat. Sie ist ihm schon nach den ersten Sekunden suspekt gewesen. Er versucht sich zu erinnern, wie sie sich vorgestellt hat und was er zu ihr gesagt haben könnte, was Jesse letztendlich so verärgert hat. Aber er kann sich an nichts erinnern. Sie hat sich definitiv nicht als Jesses Verlobte vorgestellt. Aber selbst wenn sie das getan hätte, zum einen ist zwischen ihm und Jesse ja nichts passiert, mal ganz abgesehen davon das dieser Arsch ihn geküsst hat obwohl er eine Freundin hat. Aber selbst wenn zwischen Jesse und ihm mehr gewesen wäre, hätte er das der jungen Frau wohl kaum auf die Nase gebunden. Was soll er denn auch davon haben? Außer das er nun wohl nie wieder ein Wort mit Jesse wechseln wird. Dieser Gedanke tut unheimlich weh, obwohl er doch sauer auf Jesse sein will. Ist er auch. Nur nicht genug um zu verdrängen, dass Jesse die einzige Person ist, die ihm in den letzten Jahren außer Romeo und Angel etwas Bedeutet hat.
„Gott, ich bin so blöd!“, er spricht es laut aus, weil es wahr ist.
„Ja, definitiv, aber wir verzeihen dir.“
Xander fährt zusammen.
Als er den Blick nach vorne richtet, wird er einen Moment so penetrant von einer Taschenlampe geblendet, dass er überhaupt nichts sieht. Er muss mehrfach blinzeln, bevor er etwas erkennen kann. Und als er das kann, traut er seinen Augen nicht. Vor ihm steht Nile. Nile, der sich ewig beklagende Student aus Schottland, der in den letzten Tagen nichts Besseres zu tun hatte, als jeden Abend mit ihm zu verbringen. Aber was ihn noch viel mehr erstaunt, ist die Person, die neben Nile steht. Daniélle. Mit dem leicht schiefen grinsen, das ihn so verwegen wie eh und je aussehen lässt.
„Was zur …“
„Das ist ‘ne verdammt lange Geschichte, die wir dir gerne auf dem Heimweg erzählen können“, unterbricht Daniélle ihn.
„Ja.“, stimmt Nile wie selbstverständlich zu, als wäre diese ganze Situation nicht völlig verrückt. Dann ergänzt er:
„Ich meine, bevor wir dir die Geschichte erzählen, müssen wir dir natürlich noch eine Moralpredigt halten, aber die halten wir kurz, versprochen, weil Mike sich sicher schon was zu Recht gelegt hat.“
Xander weiß noch immer nicht so ganz, was er sagen soll.
„Nein, wir sind’s wirklich. Falls du glauben solltest, du halluzinierst.“
Ja, keine Frage. Ein solch schlechter Witz kann nur von Nile stammen.
„Ich, … was mach ihr hier?“
„Ist das nicht offensichtlich?“, fragt Daniélle.
„Na, was wohl? Dich holen und nach Hause bringen, natürlich“, wird Nile noch deutlich konkreter.
Er kann es immer noch nicht so ganz fassen. Das fühlt sich gerade verdammt surreal an.
„Ja, aber wieso?“, kommt er nicht umhin zu fragen.
„Na, das machen Freunde so. Somos amigos.“
Die Aussage kommt Daniélle so schlicht über die Lippen und Nile nickt so bekräftigend dazu, als wäre es das Leichteste der Welt, das zu sagen. Für Xander aber ist es unfassbar. Sie kennen sich kaum, wissen so gut wie nichts voneinander und doch ist es für die beiden klar. Wieso ist es das für ihn nicht. Er zuckt hilflos mit den Schultern.
„Okay“, antwortet er nur.
Daniélle beginnt daraufhin tönend zu lachen und Nile und der Rotschopf neben ihm schüttelt nur den Kopf.
„Komm schon, wir gehen“, sagt er und es klingt wie eine Selbstverständlichkeit.
Besonders weit kommen sie nicht. Sie hören den Krawall noch, bevor sie wieder im Erdgeschoss sind. Es ist mehr ein Wunder, dass sie davor nichts davon mitbekommen haben. Denn sie laufen den Polizisten direkt in die Arme. Davonzulaufen macht keinen Sinn und wäre ohnehin unmöglich. Wohin auch? Daniélle flucht irgendetwas auf Spanisch und Nile murmelt etwas, was verdammt nach „Auch das noch“ klingt, aber Xander ist merkwürdig betäubt. Die Situation scheint noch immer nicht ganz real. Der Polizei Transporter vor der Baustelle ist es allerdings. Es ist für Xander nicht das erste Mal, dass er von der Polizei in Gewahrsam genommen wird, allerdings halten sich diese Erfahrungen selbst bei ihm in Grenzen und er ist sich ziemlich sicher, dass es für Nile und Daniélle das erste Mal ist. Wegen ihm. Na, super. Natürlich sind sie nicht die Einzigen im Transporter und irgendwer stinkt ganz Übel nach Erbrochenem. Xander kann sehen, das Nile krampfhaft versucht, nicht zu tief einzuatmen. Daniélle murmelt wieder irgendetwas auf Spanisch und fährt sich alle paar Sekunden durch die Haare. Xander spürt seine Panik regelrecht. Die Situation ist unheimlich unangenehm und er würde gerne etwas sagen, dass Daniélle die Situation irgendwie erleichtert, aber gerade ist er völlig machtlos. Überhaupt reden sie nicht miteinander. Nile ist immer noch damit beschäftigt nicht zu tief einzuatmen, Daniélle ist wohl zu nervös und er hängt irgendwie seinen eigenen Gedanken nach. Es wäre aber ohnehin nicht so leicht sich zu unterhalten. Die anderen machen genug Kraft. Ein Mann mittleren Alters pöbelt lautstark und mit lallender Stimme die beiden Polizisten an, die ihn durch die Trennwand zur Fahrerkabine sicher verstehen können, ihn aber geflissentlich ignorieren. Der Typ nervt und Xander betet innerlich, dass die Fahrt zur Wache nicht mehr allzu lange dauert. Ein Blick auf seine Mitfahrer verrät ihm, dass der ein oder andere wohl das Selbe denkt. Obwohl er weiß, dass die Prozedur, wenn sie erst einmal da sind, auch nicht gerade lustig wird.
Und seine Befürchtung bestätigt sich. Kaum im Präsidium angekommen werden sie erst einmal, Männer und Frauen getrennt voneinander, in eine Zelle gebracht. Ihre Daten werden dann nacheinander aufgenommen und sie kurz zum Delikt befragt werden. Nichts Neues. Klare Sache. War ja auch Hausfriedensbruch, den sie da begangen haben, als sie das leerstehende Einkaufszentrum betreten haben. Schöne scheiße. Gut, keine so große Sache, gegen Kaution kommen sie alle wieder schnell auf freien Fuß, aber wer soll die bei ihm schon bezahlen? Und Nile und Daniélle? Er weiß ehrlich gesagt zu wenig über sie, um das einschätzen zu können.
Kaum das kein Polizist mehr direkt vor der Tür steht, wird es laut in dem kleinen Raum, der eigentlich zur Ausnüchterung dient. Die Leute reden laut durcheinander. Jemand beschwert sich über die scheiß Bullen, ein anderer freut sich darüber die Nacht nicht im Kalten verbringen zu müssen und der Typ, der vorhin noch die beiden Polizisten beschimpft hat, streitet sich jetzt mit einem anderen Kerl um die Nutzung der kleinen Toilette, die in der hinteren Ecke der Zelle steht. Xander hat bereits gelernt all diesen Scheiß zu ignorieren. Bei Nile sieht es anders aus.
„Oh fuck“ murmelt er und kann seinen Schock kaum verbergen.
Xander weiß im ersten Moment nicht, was er darauf antworten soll, als Danny ihm schon zuvor kommt:
„Nur halb so schlimm, wie es aussieht Nile. Die lassen uns ganz sicher noch heute Nacht gegen Kaution gehen.“
Nile sieht den Mexikaner irritiert an und Xander ist sich ziemlich sicher, dass er nicht weniger verdutzt guckt. Danny ist die Ruhe selbst und als ihre Blicke sich begegnen zuckt er nur mit den Schultern und grinst schief:
„Bei dir doch auch nicht das erste Mal, oder?“
Xander schüttelt den Kopf, seine Gedanken noch nicht wieder sortiert. Nile schaut von links nach rechts und wieder zurück, sucht Blickkontakt zu ihm, dann zu Danielle und dann wieder zu ihm. Er öffnet den Mund, als wolle er etwas sagen, schließt ihn dann aber doch wieder. Kurze Stille. Dann: „Wieso wundert mich das irgendwie doch nicht?“
Daniélle grinst wieder einmal verwegen.
„Na, du kennst uns eben schon zu gut.“
„Wo wir gerade bei kennen sind“, brennt es Xander gerade unter den Nägeln, „seit wann kennt ihr euch eigentlich?“
Nile zieht eine Augenbraue in die Höhe, schaut auf sein linkes Handgelenk an dem keine Uhr ist, zuckt mit den Schultern und meint:
„Ach, seit gut fünf Stunden kennen wir uns jetzt sicher.“
„Euer Ernst?“ will Xander eine Spur empört wissen.
„Dein Ernst? Was war das heute eigentlich schon wieder für eine selten dämliche Aktion?“, fährt der Schotte ihn an.
„Wir haben uns echt sorgen um dich gemacht“, fügt Daniélle hinzu.
Diese Stimme in seinem Kopf flüstert, dass er den beiden keine Rechenschaft schuldig ist und dass er sie nicht um Hilfe gebeten hat, aber zum ersten Mal seit eine Ewigkeit kann er sie ignorieren. Er schluckt hart.
„Ehrlich gesagt? Ich habe keine Ahnung. Ich war bescheuert.“
Nile nickt und lächelt dann versöhnlich.
„Das kannst du laut sagen. War auch ‘ne schwierige Nummer dich zu finden.“
Xander will darüber ja gerne mehr wissen, wird aber dadurch unterbrochen, dass Nile die Zelle verlässt, weil seine Personalien aufgenommen werden sollen. Daraufhin wird es ruhig zwischen Danny und ihm. Doch das theatralisches seufzen des Mexikaners bricht die Stille.
„Weißt du, ich muss gerade befürchten …“
Weit kommt Danny mit seinen Ausführungen nicht, denn plötzlich werden sie von der Seite unterbrochen.
„Oh, hat der Kindergarten heute Ausgang?“, die aggressive Stimme kommt von Links und lässt keinen Zweifel zu, dass sie gemeint sind. Xander dreht sich in die Richtung, aus der die Stimme kommt und hofft, dass man ihm seine Panik nicht ansehen kann. Der Typ ist ein Koloss von einem Mann und sein Grinsen zeigt deutlich, dass er Ärger bedeutet.
„Und was geht dich das an?“
Dannys Stimme klingt bei dieser Frage wahnsinnig selbstsicher. In seinen dunkelgrünen Augen blitzt es und auch er lässt keinen Zweifel daran, dass er keinem Ärger aus dem Weg gehen wird.
„Vorlaut also auch noch!“
Der Glatzkopf ist jetzt richtig sauer. Er kommt näher und baut sich vor ihnen auf. Inzwischen haben sie auch das Interesse einiger anderer Insassen gewonnen. Die Raumtemperatur ist mit einem Mal um 10 Grad abgekühlt. Daniélle wirft Xander einen Blick zu, er nickt fast unmerklich und auch sie weichen keinen Millimeter zurück. Was auch immer jetzt als nächstes passiert, sie sind zumindest zu zweit. Von allen Seiten kommen nun die Leute näher. Plötzlich mischt sich jemand von der Seite ein.
„Ich würde mir das nochmal überlegen, Dave“, merkt ein alter Mann mit rauer Stimme an.
Xander schaut verwirrt zu Daniélle, der nur überlegen grinst.
„Was mischt du dich denn ein“, fährt Dave den alten Mann an. Er scheint nun nur noch aufgestachelter und krempelt erzürnt die Ärmel hoch. Dabei entblößt er ein ‚White Pride‘ Tattoo auf seinem rechten Unterarm.
Xander kann nur befürchten in welche Richtung diese Auseinandersetzung geht, aber die Ruhe die Daniélle ausstrahlt zeigt deutlich, er hat nicht die geringste Angst. Xander schon. Eine Prügelei ist das Letzte was er jetzt will, aber das ist es, worauf es gerade hinaus läuft. In dem Moment, in dem Xander sich umsieht, um herauszufinden, ob wohl noch irgendwer in diesem Raum auf ihrer Seite ist, fällt ihm noch ein Tattoo auf. Nämlich das in Dannys Nacken. Und plötzlich wird ihm klar, dass hier gerade eine richtige Fehde entsteht. Xander kann es nicht klar zuordnen, aber er kennt solche Tattoos wie Dannys. Es steht für irgendeine Gang, es steht für Ärger. Und der Ärger droht sich gerade Bahn zu brechen, als Nile von einem Officer gefolgt wieder zur Tür herein kommt. Und als ob irgendjemand Xanders Stoßgebete erhört hätte, wird dieser Dave zum Verhör aus der Zelle geholt. Man kann ein regelrechtes Aufatmen durch den Raum gehen hören. Nile schaut nur irritiert von einem zum anderen, er merkt wohl, dass sich etwas verändert hat.
Die Traube um sie herum hat sich wieder aufgelöst. Nile könnte sie fragen was los war, aber er tut es wohlweißlich nicht. Xander hat auch kein Interesse es ihm zu sagen. Daniélle fährt sich durch das dunkle Harr und fragt Nile wie es denn gelaufen ist, der zuckt nur mit den Schultern. Ging so. Xander nickt. Er kann sich vorstellen, dass das keine Erfahrung ist, die der Schotte unbedingt machen wollte.
„Ich fühle mich ein bisschen wie ein Schwerverbrecher“, murmelt Nile leise.
Xander kommt nicht umhin zu grinsen und den Kopf zu schütteln. Danny lacht und meint:
„Wohl kaum. Das fühlt sich anders an. Und Kaution gibt es da … na gut, doch die gibt es, aber sie beläuft sich dann nicht auf 80 Dollar.“
Xander zieht kritisch eine Augenbraue in die Höhe:
„Sprichst du etwa aus Erfahrung?“
„Nein, sicher nicht. Soweit ist es noch nicht.“
Nile wirft ein:
„Die Betonung liegt auf dem noch, hmm?“
„Lo dudo. In Anbetracht der Tatsache, dass meine Schwester mich umbringen wird, wenn ich ihr sage, sie soll mich von der Wache abholen, wird es soweit nicht kommen.“, der Ton klingt scherzhaft, aber Danny fährt sich nervös durch das dunkle Haar und so ganz im Scherz meint er seine Aussage wohl nicht. Apropos Kaution, wen hat Nile eigentlich angerufen, um hier rauszukommen? Die Kaution ist ja nicht so groß, es ist ja nichts Wildes, aber trotzdem. Oder sie verbringen die Nacht wohl doch gemeinsam hier. Xander seufzt. Er hat sie alle in die Scheiße geritten. Wenn Danny Stress mit seiner Familie bekommt, ist es seine Schuld. Und das Nile, der in dieser Stadt so gut wie keine Menschenseele kennt und der sicher, auch wenn er aussieht wie ein Punk, noch nie mit dem Gesetz ins Konflikt gekommen ist ,jetzt hier sitzt, ist auch seine Schuld. Er hasst sich mal wieder selbst, versucht aber den Gedanken auszublenden. Kein Selbstmitleid mehr! Er hat dafür auch gar keine Zeit, denn e ist der Nächste, der zum Verhör gebeten wird. Es ist die Übliche Leier. Er wird nach Name, Wohnanschrift und weitere persönlichen Daten gefragt und gibt keine Auskunft. Der Polizist, der ihm gegenüber sitzt, schüttelt nur unwirsch den Kopf.
„Junge, was ist bloß los mit dir? Willst du unbedingt die Nacht hier verbringen?“
Er nimmt an, dass es sich um eine rhetorische Frage handelt und gibt auch darüber keine Auskunft. Der Bulle ist jetzt schon sichtlich genervt von ihm und geht zu den nächsten Fragen über. Was Xander auf dem Gelände der Baustelle zu suchen hatte und ob ihm klar ist, dass er sich damit strafbar gemacht hat. Der Achtzehnjährige zuckt nur mit den Schultern. Was will der Kerl jetzt von ihm hören? Urlaub hat er da wohl nicht gemacht. Der noch relativ junge Polizist verliert die Fassung. Er schlägt wütend mit der Faust auf den Tisch und springt auf. Der Junge kann nicht verhindern, dass er zusammenzuckt. Da hat wohl jemand nur eine sehr geringe Frustrationstoleranz. Oder er ist übermüdet. Vielleicht auch beides.
„Du hältst dich wohl für besonders schlau, oder?“
Der Ton ist unendlich gereizt. Auch das ist wohl eine rhetorische Frage, aber eher Xander sich zu einer Antwort herablassen kann, fängt der Polizist wieder zu Reden an. Auch gut, dann eben keine Antwort.
„Na, wenn du mit mir nicht reden willst, dann vielleicht mit meinem Kollegen.“
Und schon stürmt sein neuer Freund aus dem Zimmer. Was war das denn für ‘ne Nummer? Xander kann nur den Kopf schütteln. Manche Leute sollten echt nicht in den Polizeidienst gehen. Als die Tür wieder aufgeht ist Xander schon dazu geneigt zur Beschwichtigung der Gemüter Frage und Antwort zu stehen. Da treffen sich ihre Blicke. Xander wird heiß und kalt. Graue Augen blitzen ihm entgegen. Augen, die er nie vergessen hat. Er kommt näher und für einen Moment scheint es, als hätte es ihre Vergangenheit nicht gegeben. Doch dann ein musternder Blick, Überraschung in den stahlgrauen Augen und dann ein überlegenes Grinsen.
„Alexander Knight, wie lange ist es her? Vier Jahre?“
James Stimme klingt noch genau wie damals.