Samstagmorgen. Wochenmarkt.
Ich schlendere über den Rathausplatz unserer Kleinstadt.
Emsiges Treiben allerorten. Ein kurzer Blick in die Runde. Sind alle da?
Die Biobäuerin aus der Bodenseegegend.
Der grimmig dreinblickende Apfelverkäufer.
Zwei große, langgezogene Obst- und Gemüsestände mit konventioneller Ware, Rücken an Rücken, dazwischen Niemandsland.
Der stets gut gelaunte Eiermann und die Holzofenbäckerei, deren stämmiger Verkäufer einen Gesichtsausdruck zur Schau stellt, der geeignet ist den Eindruck zu erwecken, als würde er zwischendurch auch gerne mal ein Glas Senf essen.
Scharfen Senf.
Ohne Wurst.
Alles wie immer.
In der Einfahrtsschneise des Marktes sitzt - wie jede Woche wieder - der zahnlose Akkordeonspieler.
Ein gewohntes Bild. Würde man Ihn in Stein meißeln und die Skulptur an seiner statt dort platzieren - es würde wohl niemanden groß beeindrucken.
Zu stoisch der Gesichtsausdruck, zu leise sein Spiel.
Insgeheim frage ich mich, wie er es seit Jahr und Tag schafft, mit seinem malträtierten Instrument und seinem spärlich gesäten musikalischen Talent in der freien Marktwirtschaft zu überleben. Freie Marktwirtschaft wohlgemerkt, um in seiner Sache von sozialer Marktwirtschaft zu reden, müsste ich mich dann doch zu weit aus dem Fenster lehnen.
Eines würde mich aber tatsächlich einmal brennend interessieren: Beherrscht er wirklich nur drei Töne, oder sind das die einzigen noch funktionierenden Tasten auf seiner Quetsche?
Egal. Zumindest für den Augenblick.
Noch ist es relativ ruhig, um kurz nach 8 am Morgen. Ich erledige meine Einkäufe, beehre noch die nahegelegene Bäckerei und organisiere noch schnell Zutaten für das Mittagessen.
Als ich zurückkomme, trifft mich fast der Schlag.
Infernalischer Lärm dröhnt über den Platz.
Der Akkordeonspieler blinzelt irritiert. Der Apfelverkäufer blickt ziellos umher, jetzt allerdings noch eine Spur grimmiger wie üblich. Der Brotverkäufer versucht der Situation etwas angenehmes abzugewinnen und beißt erst mal herzhaft in ein Brötchen.
Ohne Senf.
Dafür mit Wurst.
Ich kämpfe mich durch das Menschengewühl. Der Lärm schwillt an. Irgendwann stehe ich vor einer lauthals singenden Combo mit einer zur Trommel umfunktionierten Holzkiste und einer lädierten Gitarre. Alle schlagen, zupfen und singen dass es eine helle Freude ist. Herrlich!
Jene Sorte Straßenmusikanten also, denen man gerne ein paar Taler in den Hut wirft.
Damit Sie aufhören. Oder weiterziehen. Oder am besten beides.
Ich rufe mir den irritiert-verzweifelten Blick des Akkordeonspielers in Erinnerung.
So ist das also, wenn die Großen den Kleinen das Geschäft kaputt machen.
Nur die Qualität, die bleibt dann mitunter auf der Strecke.
Schnell ziehe ich weiter. Der Kaffee ruft.