„Ich liebe den Regen“, sagte sie, als sie mit glänzenden Augen zur Windschutzscheibe, an welcher tausende von kleinen Tropfen niederprasselten, hinausschaute. „Manchmal fühlt es sich an, als ob ich nur, wenn es regnet, klar denken könnte.“ Mit ihrem Blick folgte sie einem Regentropfen, der langsam die Glasscheibe hinunter wanderte, sich mit anderen Tropfen vereinte, immer größer wurde und schließlich am unteren Ende des Fensters zerrann. „Wenn es regnet, verschwindet die Welt für mich einfach. Ich höre nichts, als den Klang der Tropfen, die auf die Erde fallen. Ich kann meinen Gedanken freien Lauf lassen, es gibt keine Blockaden.“ Gefesselt vom Klang ihrer Stimme lauschte ich den philosophischen Worten. „Der Regen bringt Dinge über mich ans Licht, von denen ich selbst nichts wusste. Es ist, als ob ich jedes mal, wenn es regnet, neue Seiten an mir entdecke. Ich kann einfach mal abschalten, mich vor's Fenster setzen und in mich hinein hören. Ich kann Gedanken zulassen, die ich normalerweise verdränge, denn der Regen macht mir keine Vorwürfe, für das was ich bin. Es fühlt sich gut an, dem Regen einfach nur zuzusehen. Alle reden immer nur vom Sonnenschein und 'schönem Wetter', aber ich finde, der Regen hat seine eigene Schönheit. Er ist meine Ruhequelle, meine Inspiration.“ Wieder einmal war ich erstaunt, wie natürlich sie sich mir zeigte. Wie zwanglos die Worte über ihre Lippen gingen. Wie sie jedem Gedanken in ihrer eigenen Art Ausdruck verlieh und sich jedes Wortes sicher war. Sie gewährte mir Einlass in ihre tiefsten Gedanken, ohne Angst, ich würde sie nicht verstehen. Sie öffnete sich mir vollkommen. Im spärlichen Licht, das die Straßenlaternen von draußen durch die Fenster warfen, griff ich nach ihrer Hand und ohne hoch zu sehen nahm die meine, als ob sie nie etwas anderes getan hätte. Es war unbeschreiblich. Es fühlte sich an, als wäre ich nach einer langen Reise endlich zuhause angekommen. Nie hätte ich jemals an einem anderen Ort gewesen sein sollen, denn dies war der Platz, den ich Jahre lang gesucht und doch nie gefunden hatte. Noch nie zuvor hatte ich mich sicherer und geborgener gefühlt als in diesem Moment, mitten in der Nacht, auf dem Parkplatz einer Autobahnraststätte, am Beifahrersitz eines alten, schäbigen Vans, während ich die Hand des Mädchens meiner Träume hielt. Ich hatte mein Zuhause gefunden – auf einem Roadtrip ins nirgendwo. Nun richtete sie ihre Augen auf mich. Ihr Blick war voller Vertrauen und Liebe und ließ ein warmes Gefühl durch meinen ganzen Körper fließen. Minutenlang schauten wir uns gegenseitig tief in die Augen und sagten kein Wort. Nichts, außer dem Geräusch des prasselnden Regen und der heran rauschenden Autos war zu hören. Es war eine angenehme Stille. Ein wundervoller Moment, den man nur mit einer ganz besonderen Person teilen kann. Für ein paar Sekunden durchflutete das schwache Scheinwerferlicht eines vorbeifahrenden Fahrzeuges den Van und ließ die Schatten der am Fenster klebenden Tropfen über ihr Gesicht tanzen. Noch immer hielt sie meine Hand und noch immer schimmerten ihre Augen. „Du bist mein Regen.“