Ich folgte ihnen und sah wie der Terrorist, fast wie in Zeitlupe, einer Stoffpuppe gleich, nach unten segelte und… irgendwo fern unserer Blicke, auf dem hellen Asphalt aufschlug! Einen Moment lang, standen wir alle wie vom Donner gerührt da, doch dann rief Knoot: „Verdammt! Er hat sich einfach selbst umgebracht! Das gibt’s doch nicht!“ Er wirkte zutiefst erschüttert und strich sich nervös über das Kinn mit dem Dreitagebart. „Wir müssen runter!“ Von ganz tief unten herauf, drangen Entsetzensschreie an unsere Ohren. Vermutlich hatten die ersten Leute die zerplatzte Leiche des Terroristen entdeck. Der Menschenpolizist wirkte ziemlich durcheinander, das alles war nicht einfach zu verarbeiten. Der weissblonde Kerl war immerhin eine Chance gewesen, mehr über die Organisation, die den Anschlag auf Adam und die andern verübt hatte, zu erfahren. Aber wohl gerade deshalb war der Terrorist in den Tod gesprungen. Für ihn war es scheinbar schlimmer etwas zu verraten, als zu sterben. Das liess den Schluss zu, dass diese Gruppe wahrlich nicht zu unterschätzen war, was ihren Fanatismus, im Verfolgen ihrer Ziele, betraf.
Ich blieb etwas unschlüssig stehen und schaute zu, wie die Polizisten sich alle, ausser Manx, der mich auch hier hinauf begleitet hatte, verschwanden. Einen Moment lang schwiegen wir uns an. Viel zu sagen gab es dazu nicht. Was geschehen war, war geschehen nun galt es das Beste daraus zu machen. Ich ging ein wenig im Raum herum und machte noch ein paar Einträge. Manx schaute aus dem Fenster, und versuchte etwas zu sehen, doch das Dach eines anderen, etwas niedrigeren Hauses, versperrte die Sicht auf das Geschehen dort unten. Dennoch blieb Manx stehen und lauschte. Er wirkte etwas abwesend und ich beschloss nochmals zurück in den Raum zu gehen, wo Adam lag.
Dort war schon wieder fast alles aufgeräumt worden. Ein kleiner würfelförmiger Reinigungsroboter, kehrte noch die letzten Scherben zusammen und machte lustiger Geräusche dabei, welche nur diese Art von Roboter machten. Es war wie ein Pfeifen und doch nicht ganz. Jedenfalls waren diese Geräusche bei den Menschen beliebt, denn sie hatten etwas Sympathisches an sich. Einen Moment lang, schaute ich dem kleinen, fleissigen Kerlchen, mit dem silbernen Körper und dem grossen, ausfahrbaren Kameraauge zu. Diese Kamera nahm alle Verschmutzungen wahr, waren sie auch noch so klein und die Daten wurden dann an das digitale Gehirn des kleinen Kerls weitergeleitet.
Auf einmal jedoch fiel mir auf, dass gar niemand mehr bei Adam war. Alle waren gegangen, auch die Mechaniker und Adam sah schon viel besser aus. Auch die Spurensicherung hatte scheinbar schon Feierabend gemacht. Ich ging zu unserem grossen Anführer hin und betrachtete ihn mit einer gewissen Erschütterung und zugleich war ich froh, dass er schon so viel besser aussah. Alle Drähte und Kabel, waren wieder zusammengeflickt worden und es trat nun auch kein Roboterblut mehr aus. Doch sein Körper und sein Kopf, lagen immer noch offen. Vermutlich würden die Polizisten über Nacht hierbleiben und ihn bewachen. Morgen würde man ihn dann wieder zumachen, vermutete ich. Ich machte nochmals einige Notizen nebenbei und dann ging ich neben Adam in die Hocke und betrachtete ihn eingehend. Was waren das nur für seltsame Regungen, die ich da empfand? Ich fühlte mich so traurig und seltsam leer, wenn ich ihn so sah.
Protokoll Nr.6
Der Schlüssel
Gerade wollte ich mich wieder abwenden, als auf einmal etwas völlig Unglaubliches geschah! Die Lichter und Kabel in Adams Innerem, begannen auf einmal zu flackern und immer heller zu leuchten. Einer seiner Hände griff nach mir, hielt mich eisern fest und hinderte mich daran, zurück zu weichen. Ein seltsames Rauschen erklang und dann auf einmal, öffnete Adam seinen erstaunlich menschenähnlichen, grossen Augen, die blau schimmerten. Eine Stimme erklang: „Bruder… Ich bin froh, dass du da bist. Ich… habe wohl einiges abgekriegt, wie es scheint. Doch du kannst mir helfen! Ich kann im Augenblick wenig ausrichten. Doch hier…“ Irgendwie fassungslos schaute ich, wie der andere Arm von Adam, dessen Hülle noch nicht wiederhergestellt war, sich bewegte. Ich sah wie sein Finger sich bogen… eine Bewegung, so menschenähnlich und doch langsam und etwas ruckelig, wohl bedingt durch die schwere Beschädigung. Sie drückten auf eine Stelle, die sich hinter dem irgendwie transparent gewordenen Herzstück des Körpers befand, welches nun seltsam pulsierte und von Licht und einer seltsamen, blutähnlichen Substanz durchflossen wurde. Sowas hatte ich jetzt doch noch nie gesehen! Es war… irgendwie anders, als bei allen andern Robotern. Wirklich fast wie ein menschliches Herz. Aus Kunststoff und doch mit Adern und Venen durchzogen, in denen diese blutähnliche Substanz floss. Ach du meine Güte! Was war das bloss?
Hinter diesem… ich sage jetzt einfach mal… Herz, befand sich also eine kleine Klappe und diese öffnete Adam nun. Ich konnte den Blick kaum von dem seltsamen Organ und Adams Händen wenden. Es war einfach zu faszinierend und wie hatte er mich genannt: Bruder? Warum nannte er mich Bruder, wir kannten uns doch nicht und trotzdem war er mir irgendwie seltsam vertraut. Adam nahm aus der kleinen Klappe etwas heraus und reichte es mir dann. Ich nahm es erstaunt entgegen. Es war ein kleiner Schlüssel, einer der hochmodernen Schlüssel, welchen man für die Schliessfächer in den Auto- Bahnhöfen benutzte. Eine Nummer stand darauf. „Schau… in dem Fach nach… dort wirst du weitere Anweisungen finden… Das Fach befindet sich in der Saphire station… Lass nicht zu… das irgendwer davon erfährt… Jenks! Alles wird klarer werden… wenn du… das Schliessfach findest.“ Jenks? Hatte er mich gerade beim Namen genannt? Aber… wie war das möglich!? „Du wirst die Antworten finden mein Bruder… und jetzt hör mir nochmals genau zu!“ Er zog mich ganz nahe zu sich heran und flüsterte mir einen siebenstelligen Code ins Ohr: 79832p7. Als ich die Zahl hörte, spürte ich auf einmal einen stechenden Schmerz in meinem Kopf. Ich zuckte zusammen und hielt meine Hände an die pochenden Schläfen. Der Schmerz steigerte sich immer mehr und ich musste alle Kraft aufbringen, um nicht zu schreien. Was um alles in der Welt geschah da mit mir? Bündel von hellen Blitzen durchzuckten meinen Kopf! Es war, als würde er nächstens explodieren. Ich sah Bilder und seltsame Datenstränge an meinem inneren Augen vorbeiziehen und dann… auf einmal war es vorbei! „Was… hast du mit mir gemacht?“ stiess ich hervor. Adam verzog sein noch immer entstelltes Gesicht zu einem Art Lächeln und sprach: „Ich habe… dich nur ein wenig umprogrammiert. Vertrau mir einfach und… viel… Glück.“ Es knackte und rauschte erneut und die Lichter in Adams Innerem erloschen.
„Was ist hier los?“ hörte ich auf einmal die Stimme von Manx dem Polizisten, hinter mir. „Hat da gerade jemand geredet? Was hast du gemacht?“ Er hatte seine Waffe gezogen und baute sich vor mir auf. Ich wusste gar nicht, was ich sagen sollte. Wieviel hatte er wohl mitgekriegt? Ich liess den Schlüssel diskret verschwinden und schaute den Polizisten an. Was sollte ich nur zu ihm sagen? Ich durfte doch nichts verraten. Ich versuchte aufgeregt auszusehen und meinte: „Adam hat gerade mit mir gesprochen. Ich glaube, er ist bald wieder in Ordnung.“ „Er hat mit dir gesprochen? Was denn?“ fragte der Roboterpolizist, das Vibrieren seiner mechanischen Stimmbänder deutete darauf hin, dass er aufgeregt war, wenn man dem denn so sagen kann. Ich überlegte angestrengt, was sollte ich nur antworten, dass es glaubwürdig klang? „Er… sagte mir, dass es ihm soweit gut gehe und er sicher bald wieder auf dem Damm sein wird. Er fragte mich nach meinem Namen, ich sagte in ihm und er bat mich alles aufzuschreiben und die Terroristen ihrer gerechten Strafe zuzuführen. Er war sehr nett, er nannte mich Bruder.“ „Bruder? Das macht er sonst nie, “ gab der Polizist misstrauisch zu Antwort. „Bei mir hat er es jedenfalls getan. Vermutlich, weil ich als einziger noch hier war und… ihm Gesellschaft leistete.“ Manx senkte die Waffe und sagte nichts weiter. Er ging zu Adam und rief seinen Namen mehrmals. Doch nichts regte sich. „Das ist seltsam“, murmelte er vor sich hin. „Er reagiert gar nicht mehr.“ „Er sagte ausserdem noch… dass er nun etwas Zeit brauche um sich zu regenerieren…“ fügte ich schnell hinzu. „Er wollte wieder offline gehen, um diesen Prozess zu beschleunigen. Aber er wollte mir einfach sagen, dass er auf einem guten Weg zur Heilung ist.“ Der Polizist schaute mich erneut misstrauisch an. Dann jedoch sprach er, zu meiner Erleichterung: „Na wenn das so ist… das sind immerhin gute Nachrichten, nicht wahr?“ Nochmals blickte er mich eindringlich an. Ich nickte leicht, schwieg jedoch. Manx wandte sich zu meiner Erleichterung wieder ab und schaute erneut aus dem Fenster. „Die andern sollten bald wieder kommen. Haben sie auch alles schön aufgeschrieben? Auch das mit Adam?“ fragte er, ohne mich dabei jedoch anzusehen. „Nein… eigentlich noch nicht, ich war so aufgeregt, dass Adam ausgerechnet mit mir sprach.“ „Dann müssen sie das noch nachholen, nicht wahr?“ gab Manx zurück. „Bestimmt werden sie uns diesen unglaublichen Bericht dann auch zeigen?“ Nun war ich tatsächlich in Schwierigkeiten. Was sollte ich bloss tun? Diese Entscheidung war für einen Protokollführer wie mich schwerer zu treffen, als man jemals glauben würde…