Meine Situation spitzte sich noch zu, als die anderen Polizisten auch wieder zurückkehrten. Knoot wirkte ziemlich erschöpft und durch den Wind. „Eine verdammte Schweinerei hat es dort unten gegeben!“ sprach er „Dieser Wahnsinnige, springt der einfach aus einem Fenster im obersten Stock des höchsten Gebäudes von Robotopia! Die Räumungs- und Reinigungsdienste sind jetzt zum Glück vor Ort, aber wir stehen wieder am Anfang. Es bleibt uns wohl nichts übrig, als uns den Boss der Gruppe vorzuknöpfen, obwohl… ich habe so den Verdacht er ist noch lange nicht der Kopf der grossen Schlange. Was meinst du dazu Manx?“ wandte er sich an seinen Roboterkumpel. Dieser erwiderte „Ja, da bin ich derselben Meinung. Ich glaube wir haben da mit etwas wirklich Grossem zu tun. Nur schade hat Adam nur mit Jenks geredet und nicht mit uns…“ Er nickte in meine Richtung und wenn er als Roboter auch kein wirkliches Mienenspiel hatte, erschien es mir doch irgendwie, als läge in seinem Blick ein gewisses Misstrauen. „Was!“ rief Knoot aus „Adam hat gesprochen?“ Er ging sogleich zu dem grossen Roboterführer und schaute ungläubig auf diesen herab. „Der sieht aber gar nicht so aus, als könnte er in seinem Zustand sprechen. Schaut mal sein Mund, der wurde in zwei Hälften gerissen!“ Leicht angewidert, jedoch auch mitleidig, stützte Knoot sich auf den Rand des Lagers, auf dem Adam lag und schaute diesen nochmals eingehend an. „Adam?“ rief er „Adam? Jemand zu Hause?“ Er klopfte leicht auf den metallenen Bauch des Roboters. Doch ausser einem leichten blechernen Geräusch, war nichts zu hören. „Aber er hat gesprochen, ich habe es selbst gehört, nur leider nicht was er gesagt hat,“ sprach Manx, mit einem weiteren Blick auf mich, der nichts Gutes verhiess. „Steht etwas darüber im Protokoll?“ wollte Knoot, mit einem Blick auf mein Notebook, wissen. „Nein“, übernahm Manx die Antwort. „Jenks war zu aufgeregt, etwas aufzuschreiben, was ja auch irgendwie verständlich ist, bei so einem Erlebnis. „Dann wird es aber höchste Zeit, dass du deinem Auftrag nachkommst Jenks! Wir werden die Protokolle natürlich einsehen müssen, immerhin leiten wir die Ermittlungen hier, was uns dazu berechtigt.“ Ich überlegte, ob ich Widerstand leisten sollte, doch das hätte zu viel Verdacht erregt. So gab ich monoton zurück: „Natürlich werde ich meine Versäumnisse sofort nachholen.“ „Guter Junge!“ sprach Knoot und klopfte mit auf die Schulter. Irgendwie kam es mir so vor, als ob dieser Polizist seine eigene Unsicherheit und seine Gefühle, die ihn wegen allem was geschah sicher bewegten, mit seinen Spässen überdecken wollte. Doch trotz seiner Heiterkeit, war mir nicht entgangen, dass seine Hände leicht zitterten und auch seine Augen und seine Gesten von einer grossen inneren Belastung zeugten.
Ich selbst mache mir im Augenblick vor allem darüber Gedanken, wie ich mich aus dieser Schlinge, die sich immer enger um mich zusammenzog, befreien konnte. Als Protokollführer, war ich dazu verpflichtet, die Wahrheit aufzuschreiben, egal was auch passierte. Doch diesmal konnte ich die Wahrheit schlichtweg nicht aufschreiben. Ich musste lügen und das war für mich eine ganz neue, sehr unangenehme Tatsache. Es war mir, als ob sich der Schlüssel, den mir Adam gegeben hatte, wie ein feuriges Brandmahl in meinen Körper und mein Bewusstsein brennen würde. Eine unangenehme Sache, wahrlich unangenehm…
Und so begann ich also zu schreiben. Meine Finge hüpften schnell und mit seltsamer Sicherheit über die Tasten. Über die Buchstaben, welche sich langsam zu einer Lüge formten, ohne dass ich es richtig merkte. Es war, als wäre ich ferngesteuert und auf einmal musste ich an den Moment zurück denken, als Adam mir diesen seltsamen Code ins Ohr geflüstert hatte. Hatte dieser irgendwas in mir umprogrammiert? Etwas musste sich verändert haben, denn ich schrieb eine Lüge nach der andern, mit der grössten Selbstverständlichkeit, nieder und fühlte kaum Widerstand dagegen. Ich wusste einfach, dass ich gerade in diesem Moment das Richtige tat, denn niemand durfte von dem Schliessfach erfahren. Das hatte Adam mir klar und deutlich gesagt. Ich musste auf ihn hören, mehr als auf meinen Kodex. Das Schicksal der Welt hing womöglich davon ab…
Protokoll Nr.7
Schliessfach 550
Als ich fertig war, ging ich zu Knoot, der in leisem Tonfall etwas mit Manx besprach und hielt ihnen das Notebook vor die Nase. „Die Texte sind schon hochgeladen, doch ihr dürft gerne lesen, was ich geschrieben habe.“ Knoot zuckte leicht zusammen, als er meine Stimme vernahm und als er sich mir zuwendete, glaubte ich einen seltsamen Ausdruck in seinen dunklen Augen zu sehen, der mir irgendwie nicht gefiel. Aber was machte ich mir überhaupt so viele Gedanken darüber, wie andere dreinschauten? Das kannte ich gar nicht so von mir. Sollten die doch schauen wie sie wollten! Sie misstrauten mir, das war klar, doch was änderte dies schon? Die Dinge die mir Adam gesagt hatte, waren jeden Preis wert.
Die Polizisten überflogen meine Zeilen, sie schauten einander an und dann wieder mich. „Klingt interessant“, sprach Knoot nach einer ziemlich langen Schweigepause schliesslich. „Wir werden ja sowieso die Nacht hier verbringen. Vielleicht spricht Adam ja auch noch mit uns. Jedenfalls werden wir selbstverständlich eine Kopie dieser Einträge bei der Zentrale anfordern.“ „Das dürft ihr gerne tun“, erwiderte ich gleichmütig „ihr leitet ja die Ermittlungen. Werde ich hier jetzt eigentlich noch gebraucht?“ Irgendwie drängte es mich, endlich eine Spritztour zur Saphire Station zu unternehmen. Knoot schaute Manx fragend an. Dieser meinte: „Ich glaube nicht, dass wir dich noch brauchen, du kannst von uns aus Feierabend machen. Aber wir kommen vielleicht nochmals auf dich zu, falls es noch Fragen gibt.“ Fragen? Was für Fragen sollten das schon sein?“ dachte ich bei mir und merkte wie eine seltsame Ungeduld von mir Besitz ergriff. Das war irgendwie eine seltsame, neue Erfahrung. Doch ich nickte einfach freundlich und wandte mich dann zum Gehen. Noch einmal warf ich einen fast sehnsüchtigen Blick zurück auf Adam, den ich vermutlich nie mehr so nahe erleben würde.
Ich verabschiedete mich von den anderen Polizisten und ging aus der grossen Wohnung hinaus in den Flur, wo ich den gläsernen Lift bestieg, der mich hinunter ins Erdgeschoss brachte. Es war bereits dunkel geworden und ich schaute hinaus in die von Lichtern beleuchtete Stadt. Die Lichter waren wie die Gebäude verschiedenfarbig und warfen ihren Schein auf die glänzenden Fassaden, welche oft zusätzlich mit Goldfarbe bemalt waren. In dieser Goldfarbe spiegelte sich das Licht ganz besonders schön. Ich stellte plötzlich fest, dass ich mich in der, von innen beleuchteten, Scheibe des Liftes spiegelte und das erste Mal, betrachtete ich mich eingehend selbst… Das was ich sah war mir vertraut und zugleich seltsam fremd. Das erstaunte mich sehr... Doch da gab es auch schon einen leichten Ruck und der Lift kam im Erdgeschoss zum Stillstand. Ich trat langsam in die Eingangshalle, wo sich nur noch ein Wachmann aufhielt. „Gute Nacht!“ sprach ich zu ihm und er erwiderte den Gruss. Doch ich achtete kaum darauf. Es zog mich zum nächsten Elektromobil. Welche Farbe sollte ich nehmen, es standen einige bereit? Aber seit wann begann ich über die Farben der Wagen nachzudenken? Irgendwas musste Adam mit mir gemacht haben, etwas, dass mir langsam etwas unheimlich wurde… aber nur schon, dass es mir unheimlich wurde, machte es noch unheimlicher… Ich entschied mich für blau, denn immerhin musste ich ja auch zur Saphire Station. Diese wurde so genannt, weil dort alles Häuser in blauen Tönen gehalten waren. Die Leute dort liebten scheinbar Blau in seinen verschiedensten Abstufungen. Seit das neue Baukonzept nach Hundertwasser, hier in Robotopia eingeführt worden war, gab es für jeden Bewohner eines Gebäudes, das sogenannte Fensterrecht. Das hiess, dass jeder seine Wohnungsfenster verzieren konnte, wie er wollte und die Leute der Gegend um die Saphire Station mochten nun mal Blau, was auch der Grund für diesen Namen war. Das intensive Ägyptisch Blau, wurde hier sehr oft verwendet.
Es dauerte nicht mal so lange, bis ich am Ziel ankam. Die Wagen fuhren sehr schnell und so gelangte ich innert kürzester Zeit zur Saphire Station. Jedoch merkte ich nichts davon, dass zwei Autos hinter mir, noch jemand sass, der mich seit meiner Abfahrt nicht mehr aus den Augen gelassen hatte. Ziemlich unbekümmert, denn ich machte mir keine Sorgen, dass mir jemand folgte, stieg ich in der Saphire Station aus. Diese befand sich auf halber Höhe eines stattlichen Hauses mit 10 Stockwerken. Sein Dach war geschwungen, ebenso wie seine Wände, denn alles war den natürlichen, fliessenden Formen der Natur angepasst worden. Die Station selbst wurde von einem ägyptisch- blauen Dach überschattet. Die Wände des Gebäudes und auch der Station, waren aus hellem Gestein. Die Fenster der vielen Wohnungen besassen bunte Umrahmungen, wie erwähnt vor allem in Blau, doch es hatte auch etwas grün und türkis darunter. Ein paar passende Glassteine und die goldenen Konturenlinien, sorgten für ein edles Aussehen.
Ich betrat die Station, ohne mich gross umzusehen. Hätte ich das nur getan, denn jemand folgte mir und zwar schon seit geraumer Zeit! Hätte ich Verdacht geschöpft und mich öfters umgeblickt, wäre mir diese Person sogleich aufgefallen. Doch so ging ich arglos weiter. Ich kramte nach dem Schlüssel, den mir Adam gegeben hatte und machte mich auf den Weg zu den Schliessfächern. Bald fand ich diese. Sie waren auf der Nordseite der Station eine Wand entlang angebracht und schimmerten silbern im fahlen Licht des Auto- Bahnhofes. Noch einmal blickte ich mich um, beobachtete wie, nicht weit von mir, ein Wagen nach dem andern auf der Magnetschiene daher gefahren kam, und wieder losfuhr, ähnlich wie die Züge bei einem Bahnhof. Bahnhöfe gab es in Robotopia zwar auch noch, aber nicht mehr so viele, weil mit den Elektromobilen der grösste Bedarf abgedeckt werden konnte.
Mir wurde auf einmal seltsam mulmig zu Mute, als ich das Schliessfach erblickte, welches die Nummer trug, die ich auf meinem Schlüssel hatte. Es gab hier auch Dauermiet- Fächer, die Nummer 550 war eines davon. Nochmals schaute ich mich um, doch ich entdeckte nichts Verdächtiges, mein Verfolger drückte sich gerade in den Schatten eines Türrahmens, so dass ich noch immer nichts von seiner Anwesenheit mitbekam. Seine im Schatten liegenden Augen, beobachteten mich untenwegt. Ich nahm den Schlüssel und steckte ihn in das Schloss. Ein leises Knacken ertönte und die dicke Panzertür schwang zurück. Neugierig blickte ich hinein. Vor mir lag ein kleiner, blauer Alukoffer. Diesen öffnete ich unauffällig. Darin lagen einige Papiere und ein grosser USB Stick. Ich nahm den Koffer heraus und schloss das Schliessfach wieder ab. Dann ging ich zum nächsten Wagen, diesmal ein Roter und setzte mich hinein. Die Türen schlossen sich automatisch und ich liess mich in das, wie ich auf einmal feststellte, recht weiche, dunkelrote Leder- Polster fallen. Vor mir befand sich ein Bildschirm, welcher einem stets anzeigte, wo man sich gerade befand und man konnte jederzeit den Befehl geben, irgendwo auf eine andere Schiene abzubiegen, wenn man denn wollte. Man konnte auch Halt verlangen, indem man auf einen Button, der sich in der Mitte der Armaturen befand drückte. Drückte man nicht, ging die Reise einfach so lange weiter, bis man am Ziel war. Doch die Richtung war mir gerade recht und so öffnete ich in aller Ruhe den Koffer, während der Wagen von ganz allein über die Schiene sauste. Wie in einem Zug, sprach eine weibliche, recht freundliche Stimme aus den Boxen des Wagens: „Nächste Station: Perlen- Hof.“ Diese wurde so genannt, weil dort alles mit verschiedenfarbigen Perlmuttplatten verziert war. Es sah immer sehr schön aus, besonders im Sonnenlicht, wenn man durch die Perlen- Hof Station fuhr. Doch gerade hatte ich kaum Zeit herauszuschauen, denn zu sehr war ich gerade in den Inhalt des kleinen Koffers vertieft. Ich stellte fest, dass eine Karte darin lag und eine besondere Stelle war mit eine schwarzen Kreuz markiert. Wo war das? Ich brauchte einen Moment um mich auf der Karte zu orientieren, doch dann begriff ich. In kleinen Lettern stand dort: Amethyst- Senke. Ich kannte diese Senke, es war eins der etwas tiefer liegenden Viertel der Stadt, dort war alles in violett und lila, manchmal auch etwas Rosa gehalten. Die Leute liebten alle Halbedelsteine in diesen Farbtönen und schmückten ihre Fensterrahmen damit. Die Dächer und Wände waren natürlich passend dazu gehalten.
Das war ja wundervoll! Die Amethyst- Senke, lag gerade auf dieser Linie, es dauerte einfach ca. eine halbe Stunde, bis man vor Ort war. Ich schaute nochmals auf die Karte und sah neben dem Kreuz eine Nummer. Das war wohl die Hausnummer. Warum nur, hatte mir Adam diesen Koffer zukommen lassen und was war das für ein USB Stick? Ich nahm das überdimensionale Ding genauer in Augenschein. Es war etwa 12 cm lang und 5cm breit. Ziemlich riesig. Darauf mussten einige Daten sein. Zumal man in der heutigen Zeit Daten auf immer kleinerem Raum speichern konnte. Schon kleinere Datenträger, hatten mehrere Petabyte Speicher, das hier mussten einige Exabytes, wenn nicht Zettabytes sein. (nicht erfunden, habe ich aus dem Internet). Ich sagte ins Mikrofon: Stopp an Amethyst- Senke!“ Die weibliche Stimme erwiderte: „Ohne Halt bis Amethyst- Senke…“