Mein erster Flug. Oh, mein Gott! Komischerweise hatte ich am Abreisetag überhaupt keine Angst mehr (zu diesem Zeitpunkt). In den letzten sechs Monaten hatte ich kalte Schweißausbrüche, wenn ich nur an ein Flugzeug gedacht habe, die ich nur mit dem Gedanken an das wundervolle Land lindern konnte, das ich bereisen wollte.
Reisebegleitung war mein Partner (im folgenden Micha genannt), der die volle Dröhnung meiner Aufregungszustände zu ertragen hatte.
Unser Flug ging von Berlin Schönefeld. Ein nicht gerade imposanter Flughafen (vorallem nicht am Billig-Gate von Ryanair), aber wir saßen unsere Wartezeit brav ab. Der Check-in verlief ohne Probleme. Ich hatte es doch tatsächlich geschafft, meinen Koffer für eine zweiwöchige Rundreise in ein kaltes Land so zu packen, dass er nur 12 Kilo wog. Ihr dürft stolz auf mich sein.
Als ich auf der Anzeigetafel dann den Namen unseres Zielflughafens – Shannon – las, begann mein Herz wild zuschlagen. Endlich rollte unser Flugzeug – mit einer Verspätung von einer halben Stunde – an und ich befand die Maschine nach einigem Betrachten für sicher genug, um einzusteigen.
Drinnen auf dem Fensterplatz angekommen, wurde mir doch langsam etwas mulmig. Was würde mich erwarten? Es war ein kleiner beengter Flieger ohne jeglichen Komfort (das erste und das letzte mal Ryanair!). Das Personal sprach ausschließlich englisch, was ich irgendwie als beunruhigend empfand und ich fragte mich die ganze Zeit bis wir starteten nur, was Atemmaske auf englisch hieß. Scherz beiseite.
Als sich das Flugzeug in Bewegung setzte, begann mein Magen zu flattern. Als es zu rasen begann, war ich regelrecht schockiert und mir rannen Tränen der Furcht über die Wangen, schließlich hatte ich mein Leben lang fest geglaubt, Flugangst zu haben. Doch Pustekuchen. Ich spürte nichts. Keinen Druck auf den Ohren, keine Ängste. Nichts als herrliche Schwerelosigkeit und das Gefühl, auf dem Weg ins Land meiner Träume zu sein. Erleichtert lehnte sich mein Freund zurück und ich stöpselte mir meine Lieblingsmusik in die Ohren um den Anblick des Flickenteppiches unter mir zu genießen.
Nach über zwei Stunden hatte ich dann endlich die grüne Insel unter mir. Ich erkannte es auf den ersten Blick. Nichts als grün und weiße Punkte dazwischen, die die grasenden Schafe darstellen. Nebel zog auf und es regnete stärker, je weiter wir nach Westen kamen. Wieder liefen mir Tränen über das Gesicht. Doch dieses mal hatte ich keine Angst. Ich konnte nicht fassen, dass ich wirklich hier war!
Der Flughafen Shannon war nicht zu vergleichen mit dem hässlichen übelriechenden Flughafen in Berlin. Er war hell und freundlich und schien schon von weitem zu rufen: „Jo, endlich bist du zuhause!“
Wir machten uns auf zum Schalter der Autovermietung bei der wir unseren Wagen reserviert hatten. Die freundliche Angestellte dahinter – Helen – summte fröhlich vor sich hin, während sie die Formulare ausfüllte, ehe sie uns anwies, nach draußen zu gehen, wo uns ein Shuttle zu unserem Wagen fahren sollte.
Es goss in Strömen, doch das war egal, da das Shuttle schon bereitstand. Nach einer kurzen Fahrt, erreichten wir den Parkplatz, wo unser kleiner schwarzer Wagen stand, der nahezu brandneu war und kaum 8000 Kilometer hinter sich hatte. Irritiert stieg ich auf der Fahrerseite ein (in Irland herrscht Linksverkehr) und wartete darauf, dass sich mein Freund daran gewöhnt hatte, auf der „falschen Seite“ der Straße zu fahren.
Zum Glück herrschte auf den Straßen kaum Verkehr. Unser Ziel hieß Fanore, wo wir die ersten drei Nächte verbringen würden. Fanore ist ein kleines Dorf an der Westküste Irlands. Wie kam ich wohl darauf? Meine Trilogie „Geschöpfe der Sonne“, an der ich seit 2013 schreibe (aktuell am 3. Und letzten Teil) spielt genau dort. Ich genoss die Aussicht auf die niedlichen kleinen Ortschaften mit ihren kleinen bunten Häusern und die üppig blühenden Hänge in vollen Zügen.
Fanore besteht aus einer einzigen Hauptstraße, die wir dreimal hoch und runter fuhren und verzweifelt versuchten, unsere Unterkunft zu finden, denn leider stand auf dem Buchungsbeleg keine richtige Adresse, die man ins Navi hätte eingeben können. Nach einigem Hin und Her beschlossen wir, zum Pub (einem auffälligen blauen Gebäude) zurück zu fahren und nach dem Weg zu fragen.
Als wir aus dem Auto stiegen, fegte uns eine heftige Windböe fast davon. Das O´Donohues war schon gut besucht (inzwischen war es gegen sieben). Als wir eintraten begrüßte uns lautes Gelächter und stimmungsvolle Livemusik, die von einer Band kam, die sich genau am Eingang aufgestellt hatte. Der Kellner nahm mich sofort mit den Worten „He Guys“ in Empfang. Ich fackelte nicht lange und fragte nach dem Weg. Wie zu erwarten, kannten sie das Fermoyle Farmhouse und beschrieben uns die grobe Richtung.
Wir machten uns wieder auf den Weg und fanden es dieses mal am Ende eines engen Feldpfades, der fast vollständig zugewachsen weit außerhalb vom Dorf endete. Es schmiegte sich an eine enge Einfahrt, in die Micha unter viel Gefluche den Wagen manövrierte. Ich war schon im 7. Himmel.
Wir zerrten unser Gepäck durch den Regen in den Flur, denn die Haustür stand Sperrangelweit offen. Uns begrüßte eine Tafel mit den Worten „Welcome Family Jirschik“, an der unser Schlüssel hing. Als wir das Haus betraten, kam sofort der freundliche Hausbesitzer Patrick aus seiner privaten Bleibe, die er mit seiner Frau und seinen Kindern bewohnt und hieß uns auf die erwartet warmherzige irische Art willkommen. Er lachte viel und hatte einfach diesen warmen Ausdruck in den Augen, dieses Offenherzige und unverstellt Freundliche. Ich fühlte mich sofort wie zuhause.
Der erste Raum, den wir betraten war eine Art Aufenthaltsraum mit Wänden und einem Boden aus groben Stein, fast wie in einer Höhle, auf dem viele kleine Teppiche lagen, um die Füße warm zu halten. Vor einem Kamin, in dem ein prasselndes Feuer knisterte stand eine gemütlich aussehende rote Couch, auf der einige kuschlige Decken lagen. Dahinter stand ein Tisch mit vielen Tassen und Gläsern, einer Kanne Kaffee, Tee, Wasser, Schokolade und einem Glas voll kleiner Marshmallows. Ein Bücherregal war auch zu finden. An diesen schönen Raum grenzte eine kleine Küche, wo man sich nach Belieben selbst versorgen konnte, und das kleine Esszimmer mit zwei Frühstückstischchen. Unser Zimmer war die Erfüllung meiner irischen Träume. Auch hier war eine Wand komplett aus grauen echten Natursteinen. Auf dem schönen schwarzen Eisenbett lagen liebevoll gefaltet Handtücher und Decken. Der Ausblick aus dem kleinen Fenster mit schließbaren alten Läden zeigte die nebligen Hügel Fanores, bewachsen mit Heide und Gräsern. Das angrenzende Bad war schön und zweckmäßig.
Es war kein übertriebener Luxus, aber für mich war es der schönste Ort dieser Welt. Die liebevollen Details, Patricks warmherzige Begrüßung, der Ort an sich – all das machten unsere erste Unterkunft in meinen Augen zu etwas unübertreffbar Heiligem.
Zurück im Wohnzimmer sagte Patrick uns, dass wir unbedingt in den Pub zurück sollten, wenn wir nach der langen Reise Hunger hätten, denn dort gäbe es das Beste Essen in Fanore (es war auch der einzige Pub