Ich habe gerade erfahren, dass mein bester Freund nun eine feste Beziehung hat. Annie war da, um das mit mir durchzusprechen. Eigentlich wollte sie mich trösten, aber sie hat mir nur noch mehr Angst gemacht. Vielleicht hat er schon bald keine Zeit mehr für mich oder seine Freundin verbietet ihm den Kontakt zu mir. Natürlich hat er vergessen, was zwischen uns war, und dass wir auch fast ein Paar gewesen wären. Aber das ist schon okay, ich freue mich für ihn, dass er jemanden gefunden hat, der ihm all das geben kann, was ich nicht zu geben imstande bin. Ich war einfach nicht genug, und er hat sich etwas Besseres gesucht, das ist sein gutes Recht. Ich freue mich auch für sie, denn schließlich hat sie einen der wenigen Männer unserer heutigen Zeit abbekommen, der noch wirklich aufmerksam, freundlich und vor allem ein Gentleman ist. Sie hat all das bekommen, was ich mir immer gewünscht habe, und dafür freue ich mich für sie.
Ich beneide sie nicht, denn ich liege sowieso unter seinem Wert, hätte mich neben ihm immer noch häßlicher, unzureichender, fehlerhafter gefühlt. Ich bin nie genug für irgendjemanden, also wieso hätte ich seine erste Wahl sein sollen? Annie gibt mir da recht. Sie ist eine gute Freundin.
Später kam auch Cat dazu und hat mir geholfen, meine Gedanken zu sortieren und nicht allzu sehr darüber nachzudenken.
Doch hatte mein bester Freund seit ziemlich genau drei Monaten besagte feste Beziehung. Annie rechnete zurück und machte mich darauf aufmerksam, dass das genau der Monat war, in dem er ein Treffen mit mir abgelehnt hatte, weil er zu viele Termine in den Ferien hätte, obwohl diese wohlgemerkt vierzehn Tage andauerten. In diesem Moment bricht das ganze Gewicht der Welt über mich herein und scheint mich vollends zu verschlucken. Wo waren Deb und Cat, wenn man sie mal brauchte?
Glücklicherweise kam Ana gerade vorbei und holte mich wieder auf den Boden der Tatsachen zurück, als sie mich als fette ungeliebte Schlampe bezeichnete, die jemanden Durchtrainiertes wie ihn sowieso nicht verdient. Wie recht sie doch hat. Manchmal vergesse ich das sogar. Wie gut, dass sie in solchen Momenten immer zur Stelle ist. Außerdem gab sie mir den Rat, dass es nichts bringt, sich in Tränen zu ertränken, ich sollte einfach noch weniger essen als vorher, damit ich vielleicht eines Tages, aber auch nur ganz vielleicht, jemandem würdig sein werde. Als Mia das hörte, war sie natürlich sofort zur Stelle und bekräftigte Anas Aussage mit einem Augenzwinkern. Mia und ich aßen oft zusammen, schlugen uns die Bäuche voll mit allem, was wir finden konnten und gingen anschließend zum weißen Altar, um für unser sündiges Verhalten zu büßen. Sie wusste, dass ich Anas ständiges Fasten nie lange genug durchhielt. So würde es auch dieses Mal sein.
Wieder einmal hatte die Realität bestätigt, was ich tief in meinem Inneren schon längst wusste:
Ich würde nie genug sein für diese Welt.