"Warum bin ich wach? Ich sollte tot sein, diesmal wirklich...."
"Du bist das Mädchen, das nicht sterben kann..."
"Wer bist du? "
"Ich bin deine Mutter, Liebes. Ich habe so viel auf mich genommen damit meine Kinder nicht sterben können..."
"Wo bin ich hier, ich kann, ich will meine Augen nicht öffnen."
„Sie lebt! Meine Assistentin!“, brüllte eine Stimme in die Dunkelheit. Newra öffnete die Augen, sie lag auf einem Behandlungstisch, um sie herum waren Scherben und Schutt. Ein Labor, ein seltsames Labor, in dem allerlei durch die Luft schwebte. Unter anderem ein Stift, der von einer Hand in einem Handschuh geschnappt wurde. Newra erhob sich erschrocken. Die Hand gehörte zu Dr. Jaseia, welcher eigentlich tot sein sollte.
Sein Gesicht von tiefen Falten zerfurchtes Gesicht spiegelte ein böses Lachen wieder und erinnerte sie an die Kreaturen die er geschaffen hatte.
Treplew, den Schänder von Zöne, Mörder so vieler unschuldiger Seelen, auch ihr hatte er den Tod gebracht.
Alpha, der erste Versuch eines Klones von Finn Paralästoback.
Suma, ein weiterer Versuch der nicht als stark genug erachtete worden war um den echten Finn zu ersetzen.
Und schließlich den, welchen sie als Finn kennen gelernt hatte. Sein kurzes Haar, wie auch sein sonst so ordentlich ordentlich frisierter Bart, standen wirr ab und er trug einen weißen löchrigen Kittel voller Flecken. Dr. Jaseia wirkte extrem bedrohlich, selbst wenn er nur vor ihr stand und grinste. In seinen Augen schien in der Tiefe etwas sehr Böses verborgen zu sein.
„Nun wirst du mir helfen, Mädchen!“, er lachte übermütig, „ich werde jetzt deinen freien Willen extrahieren! Halt schön still, es wird sehr weh tun aber danach ist alles besser!“
Newra sprang auf und streckte die Hand aus: „Nein!“
Plötzlich begann alles um sie langsamer zu schweben und auch der Doktor nahm das Skalpell extrem langsam in die Hand. Verwundert betrachtete Newra das und fragte sich, ob es sich um ihr Werk handelte. Dann ergriff sie ihre Chance und floh aus dem Raum.
Sie landete in einem langen, grau gestrichenen Gang, Neonröhren erhellten ihn und ließen den blauen Plastikboden seltsam glänzen. Am Ende des Ganges stand jemand, Newra schluckte.
Treplew.
Ihr Mörder, ihr Ende und der einzige, der es nach ihrer Auferstehung geschafft hatte ihr das Leben zu nehmen, oder sie zumindest an diesen Ort zu verbannen. Panik stieg in ihr auf, sie hatte gesehen zu welchen Grausamkeiten der blonde Gehörnte fähig war, seine kalten gelben Augen, die doch ein wahnsinniges Funkeln innehatten schienen über den Gang zu wandern.
Direkt auf sie zu.
Schnell öffnete sie wahllos eine Türe und versteckte sich in einem Krankenzimmer. Schockiert hielt sie die Luft an.
Der ganze Raum war voller Treplews, wahrscheinlich Klone. In der Mitte schien das Original zu liegen um welches die anderen aufgebahrt waren.
Der Elf mit den Hörnern, es wirkte, als würde er wie die anderen zu schlafen. Ein schwarzer Kristall schwebte über seiner Brust, er schien den faulen Zauber zu verursachen.
Newra lief zu dem Bett und nahm den Kristall an sich. In dem Moment, als sie ihn berührte änderte er seine Farbe, er wurde eisblau. Das war aber nicht das einzige, was geschah, um das Bett in der Mitte lösten alle anderen Treplews sich auf und verschwanden einfach.
Schnell steckte Newra den Kristall in die Tasche die graue Jacke die sie über dem Arztkittel trug. Dann betrachtete sie ihre Hände, sie waren kreidebleich. Und hatten sich an den Stellen, die den Kristall berührt hatten, blau verfärbt. Die Farbe verblasste aber schon wieder.
„Meine Treplews, die Assistentin hat meine Treplews gestohlen!“, hörte sie den Doktor toben. Seine Stimme klang wahnsinnig und aufgebracht, Newra hatte ihn schon einmal so gesehen, als Finn sich aus seiner Gewalt befreit hatte.
Aber er war tot, getötet von seiner eigenen Schöpfung, die er hier zu klonen versuchte.
Newra musste etwas finden um sich erneut gegen ihn zu verteidigen, sie konnte sich nicht darauf verlassen, dass die Zeit wieder beinahe anhalten würde.
Sie sah sich um, der Wandschrank war das einzige was ihr auffiel, sie riss die Läden auf, auf der verzweifelten Suche nach einer Waffe.
Aber sie war zu langsam, der Doktor stürmte in das Zimmer und rannte auf sie zu.
Plötzlich wurde er gestoppt und schrie erschrocken auf.
Von hinten durchbohrten ihn fünf lange Krallen.
Newra schluckte, als diese verschwanden und der Doktor mit leerem Blick zur Seite kippte.
Treplew stand vor ihr, sie begann verängstigt zu zittern.
Er hatte ihr die Kehle durchgebissen.
Er hatte sie lachend getötet.
Und er würde es jeden Moment wieder tun.
Treplew musterte sie seltsam, streckte seine Hand aus, gleich würden die Krallen aus seinen Fingern schießen und sie aufspießen. Und sie würde wieder sterben nur, um wahrscheinlich erneut aufzuwachen. Seine Fingerspitzen berührten ihren Hals genau an der Stelle, an der Treplew ihr die Schlagader durchgebissen hatte.
„Hat er dir das angetan?“, fragte er und Newra blickte überrascht auf.
Sie hatte gerade wieder einmal mit ihrem Leben abgeschlossen und dann diese Frage. Sie musterte den vertrauten Anblick des Schänders, aber seine Augen erstaunte sie.
Statt dem stechenden Gelb waren sie himmelblau und funkelten nicht wie erwartet voller Hass und Wahnsinn.
„Hat er dir weh getan, bist du verletzt?“, auch seine Stimme klang anders, so sanft und klar.
Keine Spur von seinem Wahnsinn der zur absoluten Spaltung seiner Persönlichkeit geführt hatte. Und zur Verdrängung des guten Teils in ihm.
„Ich...“, Newra stotterte, „Mir geht es gut!“
Treplew musterte sie weiterhin besorgt: „Du siehst aber nicht gut aus, also nicht unattraktiv, sondern irgendwie verängstigt und geschwächt! Weißt du an was für einem Ort wir hier sind?“
Newra schüttelte den Kopf und Treplew begann sich umzusehen. Dann lächelte er verlegen: „Und weißt du dann vielleicht wer ich bin? Ehrlich gesagt ist das alles für mich sehr verwirrend. Ich wachte auf und sah nur diesen Verrückten auf die zustürmen. Es war als würde mein Körper von selbst regieren um dir zu helfen. Eigenartig.“
Newra riss die Augen auf.
Er war Treplew, der Schänder von Zöne.
Niemand hatte so viel Leid angerichtet wie er, man fürchtete ihn bereits in mehreren Welten.
Aber er schien sich an nichts erinnern zu können.
„Treplew, so nannte man dich früher.”, antwortete sie ihm dann.
„Oh, schön!“, Treplew lächelte wieder, „Das ist also mein Name. Es tut mir leid, ich weiß wohl auch nicht wer du bist! Scheint als würde ich überhaupt nichts wissen!“
Newra überlegte kurz, ob es sich dabei um eine Falle handeln konnte.
„Newra!“, antwortete sie ihm dann und beobachtete ihn genau.
„Ein schöner Name!“, Treplew lächelte schon wieder, „Waren wir Freunde bevor wir hier hergebracht wurden? Sind wir darum beide hier und ich wollte dich deswegen beschützen?“
Newra wollte innerlich losschreien.
Freunde?
Ihr Mörder und sie?
„So etwas Ähnliches!“, antwortete sie knapp, irgendetwas in ihr ließ nicht zu, dass sie ihm jetzt die Wahrheit sagte. Er wirkte so unschuldig, beinahe verletzlich.
„Bleiben wir hier?“, fragte er sie daraufhin.
Newra schüttelte den Kopf: „Lass uns erst einmal herausfinden wo ‚hier‘ ist.“
Dann verließ sie das Krankenzimmer und schlich langsam durch den seltsamen Gang.
Treplew kam weiter lächelnd mit ihr, sie gingen bis zum Ende des Ganges und folgten der darauf folgenden Treppe nach unten. Auch im Treppenhaus schwebten verscheidene Gegenstände durch die Luft und Newra begann sich wie Alice im Wunderland zu fühlen.
"Habe ich Freunde?", Newra lachte kurz auf bei dieser Frage von Treplew, beruhigte sich aber schnell wieder um ihn nicht zu verletzen. Er schien wirklich keine Ahnung zu haben, wer oder was er war.
"Lass uns zu einem späteren Zeitpunkt darüber reden, das zu erklären könnte etwas dauern! Wenn wir die Lage gepeilt haben und wissen wo wir sind und wie wir hier wieder weg kommen.", bestimmte sie dann und setzte ihren Weg durch das Stiegenhaus fort. Unten angekommen traute sie ihren Augen kaum.
Ein violetter, seltsam drückender Himmel und um sie eine völlig zerstörte Stadt, deren Trümmer teilweise noch in der Luft schwebten. Es musste einmal ein kleiner Ort gewesen sein, die Skelette der Häuser wirkten nicht wie die von den Wolkenkratzern im Weltenriss. Newra sah sich um, zu ihrer Linken befand sich ein eigenartiges schwarzes Gebirge, zu ihrer Rechten ein riesiger See oder eine Art Meer. Hinter ihr konnte sie in der Ferne einen Wald sehen und eine eigenartige dunkelblaue Wolke, die über den violetten Himmel zog.
Treplew wartete, sie andächtig musternd, bis sie sich für eine Richtung entschieden hatte.
"Wir gehen in die Richtung des Walds!", beschloss Newra, "Dort finden wir, falls es hier bald noch dunkler wird, sicher einen Unterschlupf.Ich habe genug von Ruinen für den Rest meiner Tage."
Treplew nickte: "Danke das ich dich begleiten darf. Ich hätte mich ewig nicht entscheiden können, wohin ich gehe!"
Newra beschloss zu schweigen, im Grunde war es ihr nicht recht, dass er mit ihr kam. Aber sie konnte ihn doch nicht ohne Gedächtnis in dieser Ruine zurücklassen.
Sie gingen schweigend über die Wiese, die sich bis zu dem Wald erstreckte. Das Gras wirkte normal grün und war doch so eigenartig, beinahe surreal.
Newra fragte sich langsam, ob sie nur seltsam träumte oder überlebt hatte und im Koma lag.
Auf der Wiese standen vereinzelte verfallene Häuser und Treplew streifte unweit von ihr darin herum auf der Suche nach Vorräten.
Jedes Mal, wenn sie ihn aus den Augen verlor, fürchtete sie, dass er plötzlich hinter ihr auftauchen würde und sie doch noch tötete.
"Sieh mal was ich gefunden habe!", Treplew kam strahlend aus einer der Ruinen zu Newra zurück.
Er hatte ein wenig zerrissenes dunkelblaues Kleid in der Hand und schien sich wie ein kleines Kind zu freuen.
Newra lächelte dankbar, sie war froh die eigenartigen Krankenhausklamotten loszuwerden.
"Danke!",Newra nahm ihm das Kleid ab und deutete ihm dann sich umzudrehen, "Und nicht gucken!"
Schnell zog sie sich um und tippte Treplew dann auf die Schulter, als Zeichen das er sich wieder umdrehen durfte.
Das tat er auch und war begeistert: "Das steht dir fabelhaft!"
Newra sah an sich herunter, es war ein normales blaues Kleid, welches ihr bis zu den Knien ging.
"Die Farbe schmeichelt dir!", Treplew berührte sie leicht an der Schulter, "Können wir weiter gehen?"
Newra merkte, das sie nicht mehr wegzuckte wenn er sie zufällig berührte. Sie begann dieser neuen und absolut netten Version von Treplew auch noch zu vertrauen.
"Ja klar!", antwortete sie dann und wollte sich den Rucksack mit den gefundenen Wasserflaschen umhängen, was Treplew sofort verhinderte. Er bestand darauf alles zu tragen und Newra wollte nicht ewig diskutieren.
Eine gute halbe Stunde später hatten sie die seltsame Stadt endgültig verlassen und spazierten über eine Blumenwiese auf einen Laubwald zu. Es gab keine Sonne, der Himmel erstrahlte immer noch in seiner eigenartigen Farbe. Es war also unmöglich festzustellen, welche Tageszeit sein konnte. Die eigenartigen violetten Blumen wippten in dem seltsam warmen Wind, der über die Wiese fegte.
"Was für schöne Blumen.", Treplew schien völlig begeistert zu sein, "Die ganze Wiese ist voll damit, ich glaube so etwas Schönes habe ich noch nie gesehen."
Newra schmunzelte, der liebe Treplew begann ihr zu gefallen.
"Es sind wirklich schöne Blumen, sie erinnern mich an den letzen Ort an dem ich mit meinen Freunden war bevor ich hier aufgewacht bin!", sagte sie dann und stellte fest, dass er sich in der Zwischenzeit in die Wiese gesetzt hatte.
"Lass uns weitergehen!", Newra reichte ihm die Hand um ihm aufzuhelfen, sie hatte keine Lust länger als nötig auf die Hilfe von ihrem Mörder angewiesen zu sein und noch mehr Sympathie für ihn zu entwickeln.
Treplew folgte ihr auch brav, aber nicht ohne ein paar der Blumen zu pflücken.
Newra fand es seltsam und irgendwie amüsant, dass der sonst so irre lachende und mordende Treplew einfach Blumen pflückte.
"Warum lachst du?", fragte er interessiert, als er sie eingeholt hatte.
"Weil du ganz anders bist als in meiner Erinnerung!", erklärte sie ihm dann. Newra hoffte, dass er nicht weiter nachfragen würde. Erschien mit der Antwort zufrieden zu sein und spazierte brav neben ihr her.
Newra fragte sich, wie es Finn ergangen war. Treplew schien wie sie tot zu sein oder zumindest in dieser eigenartigen Welt gefangen, was ihn aus dem Verkehr zog. Ob die anderen bereits wussten, was der Dunkle getan hatte? Ob sie wussten, dass er Finn erschaffen hatte, um den weißen Thron zustürzen?
Newra hoffte inständig das sich alles zum Guten gewendet hatte. Und das die anderen heil aus dem Weltenriss entkommen waren. Sie hatte kein gutes Gefühl was ihre Freundinnen, Julopatra und Kyra betraf, ein Baum riss sie aus ihren Gedanken.
Beinahe wäre sie hineingestolpert.
Treplew hatte sie gerade noch an beiden Schultern zurückgezogen.
"Du scheinst sehr angestrengt nachzudenken.", stellte er fest.
"Ich habe nur an meine Freunde gedacht. Ich muss aus dieser komischen Welt entkommen und sehen, ob es ihnen gut geht.", Newra sah sich um.
Sie hatten den Wald erreicht und sie fühlte sich völlig erschöpft. Ein Blick in den Himmel verriet ihr, das dieser sich nicht verändert hatte. Eigenartig violett, keine Sonne, kein Mond, keine Sterne. Ein unerträglich niederschmetterndes Gefühl des eingesperrt seins überkam sie. Auch wenn das Gebiet unendlich schien, gab es doch nur sie und Treplew.
"Lass uns weitergehen!", Newra war selbst überrascht, wie müde sie klang.
"Du scheinst dich aber ausruhen zu müssen!", merkte Treplew besorgt an.
"Ich möchte aber weitergehen, ich muss hier weg und zwar so schnell wie möglich!", stellte Newra klar.
Sie stellte fest das Treplew kein bisschen seiner Kraft eingebüßt zu haben schien. Vielleicht weil er ursprünglich ein Elf gewesen war, bevor der Dunkle ihn in die Finger bekommen hatte. Vielleicht auch durch die Veränderung seiner DNA durch den Dunklen und seiner Ärzte und Laborratten. Vielleicht auch weil sie bereits das zweite Mal von den Toten wiederauferstanden war. Das konnte kein Körper verkraften, zumindest ihrer nicht.
"Ich habe einen Vorschlag!", Treplew holte sie zum aktuellen Stand der Dinge zurück. Newra sah ihn fragend an, er deute auf seinen Rücken.
"Ich trage dich, dann kannst du ein wenig schlafen.", schlug er vor. Newra schüttelte energisch den Kopf: "Nein, auf gar keinen Fall!"