Langsam kam Delina wieder zu sich, ihr war schwindlig, und die seltsamen Worte, welche sie vernommen hatte, hallten noch durch ihren Kopf. Sie setzte sich auf und fand sich auf einem verschmutzen, verwahrlosten Holzboden wieder, in einem verwaisten Wohnzimmer. Die Möbel hatten schon bessere Tage gesehen und sie konnte deutlich das Quicken von Ratten vernehmen.
„Silas?“, fragte sie in den leeren Raum, aber niemand schien zu antworten. Plötzlich hörte sie ein klacken auf dem Boden über sich, verängstigt blickte sie zu der brüchigen Treppe, die hinauf in den ersten Stock zu führen schien.
Schnell verkroch sie sich hinter dem grauen Sofa, dessen ursprüngliche Farbe nicht mehr festzustellen war.
„Delina?“, sie kannte diese Stimme und versuchte kein Geräusch zu verursachen. Das Klappern hoher Absätze war zu vernehmen, zuerst die knarrenden Treppen hinunter, dann durch das Wohnzimmer.
Die Schritte wurden schneller: „Delina wo bist du?“
Auch wenn Delina sich sicher war das die Stimme zu Janina gehörte, vernahm sie Sorge in ihren Worten, was absolut nicht zu der Person passte, die sie kennengelernt hatte.
„Hör mal, ich weiß wir hatten nicht den optimalen Start, aber ich habe dich, nachdem wir hier aufgetaucht sind und du bewusstlos warst in Sicherheit gebracht. Hätte ich dich töten wollen, dann würdest du jetzt gerade von einem dieser widerlichen Kreaturen angefressen werden!“, rief Janina in den Raum und sah sich um.
Delina kam aus ihrem Versteck: „Warum solltest du mir helfen Janina?“ Janina sah zu Delinas Überraschung nicht mehr perfekt aus. Sie war verschwitzt und ihr Haar war zu einem unordentlichen Dutt gebunden. Die teuren Schuhe, die die Vampirin so gerne betont hatte, waren zerkratzt und ihre schwarze Hose zerrissen. Die schwarze Bluse, die sie bei ihrem ersten Treffen getragen hatte war verschwunden, sie trug nur noch ein weißes Tanktop voller Flecken.
„Weil ich kein Monster bin und dich in einer Horde fressender Kreaturen zurücklasse!“, erklärte Janina und wischte sich den Schweiß von der Stirn.
Delina zog eine Braue hoch: „Warum bist du so verschwitzt?“
Janina sah sie an, als hätte sie eine dumme Frage gestellt: „Ich habe trainiert! Ich war Turnerin bevor ich verwandelt wurde und jetzt darf ich nicht nachlassen, sonst sterben wir beide hier!“
Delina sah sie fragen an: „Hast du Angst das diese Kreaturen, wie du sagst, einen Pfahl dabei haben?“
Janina schüttelte den Kopf: „Du hast keine Ahnung von Solon, oder? Weder du noch ich sind hier unsterblich, wir leiden an denselben Gebrechen wie Menschen. Werden müde, brauchen eine gewissen Menge Nahrung und Wasser. Ich muss zwar kein Blut trinken, aber dafür kann ich an einer einfachen Infektion sterben!“
Delina schauderte, damit hatte sie nicht gerechnet: „Darum hat Church Cecilia hier raus gebracht!“
Janina nickte: „Chruch ist ein Titan, er ist geschwächt, aber ein Teil seiner Kräfte funktioniert laut Cecilia immer noch, das haben sie bei diesem Angriff festgestellt. Jemand hat Chruch einen Arm abgetrennt, die Fäden kamen und nähten ihn wieder an. Ihre Angreifer waren so verwirrt das er all seine Kraft bündeln konnte, um sie zurückzuschicken.“
Delina wusste immer noch nicht, ob sie Janina wirklich vertrauen sollte: „Und was hat es mit den Befehlen des Vampirlords auf sich?“
Janina lächelte: „Er hat mich auserkoren Solon zu zerstören und das bei der Detonation freigesetzte Herz von Solon zu bergen. Auch bekannt als der Dämonenstein, mit dem man Dämonen aller Art kontrollieren kann! Diesen wird er dann Badria anbieten, im Tausch gegen die Herrschaft über den Limbus!“
Delina sah sie verwundert an: „Und warum sollte Badira die Herrschaft über den Limbus für einen Stein abtreten?“
Janina seufzte: „Du hast keine Ahnung, oder?“
Delina schüttelte enttäuscht den Kopf: „Ich hab keine Ahnung von nichts was diese Welten und ihre Bewohner betrifft!“
Janina schenkte ihr ein verständnisvolles Lächeln: „So ging es mir am Anfang auch, keine Sorge, irgendwann werden sie dich ernst nehmen! Und im Moment werde ich auf dich aufpassen!“
Delina legte den Kopf schief: „Warum solltest du das tun?“
Janina zuckte mit den Schultern: „Als ich angefangen habe zu begreifen, das es nicht nur eine Welt gibt hätte ich mir jemanden gewünscht der mich normal behandelt, aber ich hatte Celles, Saphira und Chruch als Unterstützung, wenn man das so nennen kann. Das wünsche ich wirklich niemandem!“
Delina schluckte: „Church ist eigentlich kein schlechter Kerl…“
Janina sah sie verwundert an: „Bist du wirklich nur hier um ihn zu retten?“
Delina nickte: „Weißt du, als ich klein war, hat er mich gerettet! Und ich schulde es ihm es wenigstens zu versuchen! Ich verstehe es, wenn du mir nicht helfen möchtest, aber ich werde es auf jeden Fall tun!“
Janina hob die Arme: „Ganz ruhig Kleine, ich hab es verstanden. Ich helfe dir, wenn du mir dafür dann verrätst, wo ich das Auge von Solon finde!“
Delina hielt ihr die rechte Hand hin: „Abgemacht!“
Beide schüttelten sich die Hände, dann ging Janina in die Küche und kam mit einem langen Messer zurück. Delina musterte sie kurz kritisch, was Janina nicht entging.
„Hallo, wir haben gerade einen Pakt besiegelt!“, Janina verdrehte die Augen, „Ich gehe raus und sehe, ob ich etwas Essbares auftreiben kann und ein bisschen Trinkwasser!“
Sie deutete auf den schmutzigen Rucksack hinter Delina, welche ihn aufhob und ihr reichte .Dann verschwand Janina noch einmal in der Küche und durchstöberte die Gefäße, um eines zu finden, in welchem sie nicht alles auf dem Weg zurück verschütten würde.
„Was soll ich in der Zwischenzeit machen?“, wollte Delina dann wissen.
Janina überlegte kurz: „Leise unseren Zaun vor dem Haus kontrollieren. Ich habe ihn gesichert, aber diese Kreaturen rennen gerne mal dagegen. Wenn du etwas hörst, gehst du aber sofort zurück ins Haus und riegelst die Türe ab!“
Delina nickte: „Das werde ich hinbekommen!“
Janina lächelte und verließ dann durch die Küche das Haus. Delina sah sich nun ein wenig genauer um, ihr fiel auf, dass die meisten Fenster mit Holzbrettern aus dem Boden vernagelt waren. Sie ging in die Küche, die einen ähnlich verwahrlosten Eindruck, wie das Wohnzimmer machte. Alles lag noch so da, als würde jederzeit jemand hereinspazieren und es wieder benutzen. Nur hatte sich eine dicke Schicht Staub darauf breit gemacht und die Spuren der Zeit waren unverkennbar.
Delina fragte sich, was mit den eigentlichen Bewohnern passiert war, ob sie starben oder nun durch die Straßen zogen und zu den Gefallenen gehörten. Sie verscheuchte den Gedanken wieder und ging in den völlig überwucherten Garten, um zu tun, worum Janina sie gebeten hatte.
Der Weg war kaum noch zu erkennen, die Pflanzen kamen aus allen Ecken und Enden. Der Zaun war durch Bretter aus dem Haus verstärkt worden, Delina dachte sofort an Janina, sie hatte wirklich alles versucht, um diese Unterkunft sicher zu gestalten.
Um den Zaun erstreckte sich ein lichter Wald, seltsames Licht schien von einem noch seltsameren Himmel auf sie herunter. Tiefviolett, wie in ihrer Vision, Delina hatte es tatsächlich geschafft, sie war in Solon. Durch ihre Faszination für ihre Umgebung war ihr allerdings eines entgangen. Sie war nicht länger alleine.
„Na was haben wir den da?“, säuselte eine männliche Stimme. Delina erschrak und stolperte zurück. Vor dem Zaun hatte sich ein muskulöser Kerl aufgebaut, er grinste, sodass man seinen fehlenden Schneidezahn bemerkte. Er hatte die ein oder andere Narbe an den Armen und auch im Gesicht. Aber Delina fand neben seiner Glatze auch seine Augen sehr unheimlich. Sie waren feuerrot und musterten sie argwöhnisch.
„Lass sie in Ruhe Trion!“, aus dem Wald tauchte ein zweiter Mann aus, seine Haare waren blond und er war nicht ganz so groß und muskulös wie Trion. Und Delina konnte eine Art von Güte in seinen grünen Augen ausmachen.
„Bursche, ich habe wie du seit drei langen Tagen nichts Vernünftiges mehr gegessen und die Kleine sieht lecker aus!“, Trion grinste noch breiter und Delina schauderte.
„Wenn du das tust!“, der Blonde versuche ihn schnell zu erreichen, „Sind wir nicht besser als diese Viecher!“
Trion schien nichts von den Argumenten des Blonden zu halten und sprang mit einem Satz über den Zaun, während der Blonde zum Gartenzaun eilte und aufschrie.
„Was ist los?“, zumindest hielt Trion inne und hatte Delina noch nicht den Hals umgedreht. Der Blonde verzog vor Schmerzen das Gesicht: „Jemand hat hier eine Bärenfalle aufgestellt!“
Trion wendete sich an Delina: „Du Miststück das wirst du bitter bereuen!“ Delina wusste, dass es keinen Sinn machen würde ihm zu erklären, dass Janina wahrscheinlich für die Fallen verantwortlich war und sie nicht einmal davon gewusst hatte.
„Nein Dickerchen, du wirst das bitter bereuen!“, Delina sah, wie plötzlich die Spitze eines Messers aus der Kehle von Trion ragte. Er japste als dieses Ruckartig wieder entfernt wurde. Janina stand hinter ihm und Trion fiel vor Delina auf die Knie. Angewidert beobachtete Delina wie Janina vor Trion trat und genüsslich die Klinge ab schleckte.
„Kein wirklich guter Jahrgang, viel zu herb!“, säuselte sie und verpasste Trion einen Tritt der ihn endgültig zu Boden beförderte. Dann machte sie einen Satz über ihn und einen eleganten Salto über den Zaun. Sie landete auf den hohen Absätzen, wirbelte herum und zeigte mit dem Messer auf den Blonden: „Nun zu dir, Ken!“
Der Blonde starrte sie völlig verstört an: „Hör mal, ich weiß ja nicht, ob du so eine Art Catwoman bist, aber ich bin nicht wie er, ich habe versucht deiner Freundin zu helfen!“
Janina machte einen Schmollmund: „Ja klar wolltest du das, aber keine Sorge, du wirst wie er an deinem eigenen Blut ersticken!“
Delina überlegte: „Catwoman? Warte, woher kommst du?“
Janina verdrehte die Augen: „Wirklich Delina? Komm lass es gut sein, wir töten den Typen und können endlich etwas essen. Also nicht ihn, sondern das was ich gefunden habe, hör auch wie ein verstörtes kleines Reh zu schauen!“
Der Blonde hob beide Hände: „Ihr müsst mich nicht töten, ich bin keine Gefahr für euch! Ich bin ein Mensch und ich weiß nicht wie ich hier herkomme, das müsst ihr mir glauben!“
Janina machte einen weiteren Ausfallschritt auch ihn zu, Delina schätzte, um den Bärenfallen auszuweichen, und hielt ihm das Messer an die Kehle.
„Janina nein!“, Delina eilte zum Zaun, „Bitte tu ihm nichts!“
Janina verzog angewidert das Gesicht: „Sollen wir warten bis er in der Falle verrottet ist? Der fängt zum stinken an und lockt diese widerlichen Kreaturen zu uns!“
Delina schüttelte den Kopf: „Bitte lass ihn frei, ich will hören, was er zu sagen hat!“
Statt zu tun, worum Delina sie förmlich anflehte, schnitt Janina ihm mit dem Messer leicht in den Arm und schleckte schon wieder die Klinge ab.
„Sie sind beide keine Menschen, alles gelogen!“, verkündete die Vampirin dann stolz, „Das schmecke ich auch ohne meine Kräfte!“
Der Blonde empörte sich: „Ich lüge nicht! Ich habe in Brooklyn gelebt, habe als Kellner gearbeitet, ein normales Leben geführt! Dann bin ich mit dem Auto los und hatte einen Unfall, als ich wieder aufwachte, war ich hier!“
Delina glaubte ihm, sie hatte ihre eigene Theorie, was er war. Sie dachte an ihre Vision von dem blonden Engel und an das was die Stimme ihr gesagt hatte.
„Er ist ein Nephilim, Janina! Ein Halbblut, darum kam er nach seinem Tod hier her!“
Der Blonde starrte sie verwirrt an: „Was ich bin tot?“
Janina lachte künstlich: „Ich auch!“
Delina versuchte es weiter mit Freundlichkeit: „Wie heißt du?“
Der Blonde schien kurz zu überlegen: „Jack, Jack Miller! Ihr könnt mich googeln! Ich bin auf Facebook!“
Janina verdrehte wieder die Augen: „Und ich muss mich gleich übergeben!“
Delina lächelte freundlich: „Also Jack, das alles muss sehr verwirrend für dich sein, und auch wenn Janina nicht die besten Manieren hat, wir sind nicht deine Feinde! Sie ist bloß vorsichtig, weil ihr einmal etwas Schlimmes zugestoßen ist! Du hast hier schon mehr komische Gestalten gesehen, oder?“
Jack musterte sie fragend, dann schien er zu verstehen: „Du suchst jemanden!“
Janina seufzte entnervt: „Wie gerne würde ich euch einfach beide töten!“
Delina ignorierte sie und nickte: „Ich suche einen Mann, er würde für dich nicht älter als 25 aussehen, auch wenn er das ist. Er hat schwarze kurze Haare und tolle schwarze Augen, sie wären dir bestimmt aufgefallen!“
Jack nickte: „Du suchst also deinen Freund so, wie du über ihn redest!“
Delina verstummte und wurde knallrot.
Janina mischte sich ein: „Gott, sie sucht einen völlig entstellten Creep voller schwarzer Nähte und widerlicher Narben in der Fresse! Ein schmuddeliger, unheimlicher Sack!“
Jack überlegte: „Sicher das er schwarze Augen hatte? Ich habe nur diese Fäden gesehen!“
Delinas Herz machte einen Sprung: „Du kennst ihn?“
Jack nickte: „Ich schätze ich könnte dich zu ihm bringen! Aber dafür müsst ihr mich aus der Bärenfalle befreien!“
Janina schüttelte entschieden den Kopf: „Er lügt doch!“
Delina aber schöpfte Hoffnung: „Was wenn er die Wahrheit sagt? Was wenn er uns zu Church bringen kann?“