"Treplew?", Newra eilte auf den kleinen Balkon ihres Zimmers. "Tut mir leid!", er war drei Stockwerke hoch geklettert, "Aber ich wollte gerne mit dir reden! Und die Wachen haben mich nicht zu dir gelassen, das erspart mir Ärger!"
Newra konnte es nicht fassen. Der alte Treplew hätte die Wachen abgestochen und die Türe eingetreten.
"Hier!", er überreichte ihr eine der violetten Blumen von der Wiese, an der sie vor ihrer Ankunft in Solon vorbeigekommen waren. Newra stiegen die Tränen in die Augen, die Blumen erinnerten sie an Illutia, an ihre Freunde und ihr Leben. Sie hatten ihr auf der Wiese gut gefallen und Treplew hatte sich das gemerkt. Dankbar nahm sie die Blume entgegen und umarmte ihren neu gewonnen Freund.
"Die Bewohner der Sicherheitszone machen heute Abend ein Feuerwerk, ich wollte es mit dir ansehen, also wenn du das möchtest!", erklärte Treplew deinen Besuch dann.
"Gerne, ich habe dich beinahe schon ein wenig vermisst hier in dieser Isolationshaft!", lachte Newra dann.
"Gut, treffen wir uns später unten?", wollte er erleichtert wissen.
"Ja, sobald es losgehen wird?", fragte Newra ihn, er schien ein wenig verlegen zu sein.
"Ich werde da sein!", er winkte ihr zu, "Jetzt klettere ich besser wieder hinunter bevor man mich entdeckt!"
Newra nickte: "Pass auf dich auf. Irgendwie ist mir das alles hier unheimlich!" Sie konnte nicht fassen, dass sie das gerade zu Treplew gesagt hatte. Und das sie sich mit Treplew ein Feuerwerk ansehen würde. Einen Moment später war Treplew wieder verschwunden.
"Prinzessin?", Newra erschrak, plötzlich stand ihre Aufpasserin, Angel, hinter ihr.
"JA!", entfuhr es ihr zu laut und zu aufgeregt.
"Ist alles in Ordnung?", wollte Angel wissen und musterte sie kritisch. Angel war es gewesen die sie und Treplew im Wald aufgelesen hatte. Aber sie war nicht alleine gekommen, neben ihr war ein seltsamer Mann gestanden, der sich Gott nannte. Groß und mit einer goldenen Maske, die ein Gesicht darstellen sollte. Er hatte sie Prinzessin genannt und auch wenn seine Stimme ihr bekannt vorgekommen war hatte sie sie nicht zuordnen können.
Er hatte sie und Treplew an der Schulter berührt und in diese eigenartige, eingezäunte Stadt gebracht. Fast so verfallen wie die, in der sie erwacht war, aber voller Leben.
Dann hatte er ihr vorgeschlagen Treplew loszuwerden, aber, aus welchem Grund auch immer, sie hatte das verneint. Trotzdem hatte man sie getrennt und Newra war in diesem alten Hotel gelandet.
Seitdem saß sie in diesem Hotelzimmer, bekam dreimal am Tag essen und „Gott“ hatte sie nicht noch einmal besucht. Worüber sie eigentlich auch froh war. All ihre Fragen über diesen Ort waren auf taube Ohren gestoßen. Das störte sie mitunter am meisten, man sagte ihr nicht warum sie hier war und was "Gott" von ihr wollte.
"Ja, alles in Ordnung! Ich habe nur beschlossen mir heute das Feuerwerk anzusehen!", merkte Newra an als sie aus ihren Gedanken zurückkehrte.
"Das könnt ihr vom Balkon aus tun.", Angel schien nichts von der Idee zu halten.
"Nein, ich werde nach draußen gehen, und zwar alleine!", bestimmte Newra.
"Das kann ich nicht zulassen, Prinzessin!", Angel wurde nun wütend, "Bitte hören sie auf uns, wir müssen dafür sorgen, dass sie in Sicherheit sind bis Gott sie abholen kann."
Silvan, der zweite Aufpasser, wie Newra ihn insgeheim nannte, schoss in den Raum.
"Angel, wir müssen uns draußen unterhalten!", befahl der wohl höher Gestellte. Angel nickte und folgte ihm, schloss ein wenig zu ordentlich die Türe.
Newra fand das alles sehr verdächtig, also öffnete sie die Türe möglichst lautlos wieder, um zu lauschen.
"...gehört das dieses widerliche gehörnte Wesen hier war! Auch wenn wir Prinzessin versprochen haben ihm nichts anzutun, wir müssen ihn loswerden!", Silvan schien kurzen Prozess mit Treplew machen zu wollen.
"Ich werde nun das Essen für Prinzessin zubereiten. Danach spreche ich mit ihr über ein Ausgehverbot.", beschloss Angel.
"Das kling gut, ich leite alles wegen dem gehörnten Problem in die Wege.", Silvan schien Feuer und Flamme vom Plan der beiden zu sein. Newra aber schloss die Türe leise wieder und zog sich das saubere weiße Kleid über den Kopf. Schnell eilte sie zu ihrem Kasten und zog das löchrige blaue hervor, das Treplew ihr geschenkt hatte. Sie streifte es über und legte das Weiße fein säuberlich zusammengelegt auf das gemachte Bett. Dann zog sie die dünnen Sandalen an, die man ihr gegeben hatte und stieg auf den Balkon.
Fasziniert starrte sie in die Tiefe, Treplew war viel geschickter als sie, aber sie musste es schaffen.
Julopatra hätte sie ausgelacht für ihre Angst und wäre mit einem Satz unten gewesen. Newra seufzte und schwang sich über das Geländer. Es ging gut bis zum untersten Balkon, dann wurde ihr das Schuhwerk zum Verhängnis und sie fiel.
Newra kam auf beiden Beinen auf und verstauchte sich den rechten Fuß ein wenig, ansonsten hatte sie es aber gut überstanden. Schnell humpelte sie die schmutzige Straße entlang und folgte ihr weg von der Hotelruine.
Ein Radfahrer kam vorbei, Newra fragte die Dame nach einem gehörnten Elfen.
Von ihr erfuhr sie das man das Wesen in einer Fischerhütte am nahe gelegenen Fluss untergebracht hatte. Also humpelte sie weiter, bis sie das Geräusch eines klapprigen Motors hinter sich hörte. Newra schauderte, als sie einen Mann auf einem Moped sah, einer alten Vespa.
Sie hatte vom Balkon aus immer Wachen mit solchen Fahrzeugen gesehen. Newra starrte auf den Boden und humpelte weiter, bis das Moped sie eingeholt hatte und hinter ihr hielt.
"Hast du dich verletzt, Mädchen?", frage eine strenge Stimme. Aber Newra kannte die Stimmen der Wachen vor ihrem Zimmer, das war keiner davon.
"Ja, auf dem Nachhauseweg!", antwortete sie wahrheitsgemäß.
"Hast du es noch weit?", der Mann mit dem Schnauzbart lächelte freundlich.
"Kennst du die alte Fischerhütte?", fragte Newra freundlich, erleichtert das er sie nicht einfangen wollte wie befürchtet.
"Spring auf, ich bringe dich hin, das liegt auf meinem Heimweg!", er deutete ihr hinter sich Platz zu nehmen.
Newra nickte dankbar und setzte sich hinter den Mann. Laut aufheulend startete der Motor wieder und in wenigen Minuten hatten sie die alte Fischerhütte erreicht. Newra stieg vorsichtig ab und bedankte sich.
"Ich bringe dich besser bis zum Haus, meine Frau wird mit dem Essen noch kurz warten können!", verkündete der Wächter und stützte sie über den steinigen Weg nach unten von der Straße zur Hütte. Newra war froh, alleine mit dem Fuß wäre das wahrscheinlich ein Problem geworden.
Nach einer gefühlten Ewigkeit erreichten sie die Laube, die den Eingang zur Hütte markierte. In dieser Laube sortierte Treplew gerade Angelhaken und war verwirrt die beiden zu sehen.
"Newra!", besorgt nahm er sie dem Wächter ab und leitete sie zu einem der alten Stühle, "Was ist passiert, wie hast du dich verletzt?"
Newra winkte ab und sah beunruhigt zu der Wache, ihm schien zu dämmern, wenn er gerade chauffiert hatte.
"Du wirst gesucht!", stellte der Mann mit dem nun sehr aufmerksamen Blick dann fest. Newra erhob sich von ihrem Platz und humpelte zu Treplew, der sie verwirrt musterte.
Sie umarmte ihn und flüsterte ihm dabei ins Ohr: "Sie wollen dich töten!"
Treplew löste sich sofort aus dieser Umarmung und fixierte nun den Wachmann.
Dieser sagte: "Ich bin nicht mehr im Dienst. Und wenn ich so darüber nachdenke habe ich nichts gesehen."
Treplew und Newra atmeten auf, als er ihnen ein mildes Lächeln schenkte.
"Danke!", hauchte Newra und die Wache stieg den Weg zurück hinauf.
"Was ist passiert?", fragte Treplew sie nun erneut.
"Sie wollten mich nicht gehen lassen, als ich darauf bestand, hörte ich danach wie meine Aufpasser sich berieten und beschlossen dich aus dem Weg zu räumen."
Treplew schien völlig erstaunt darüber zu sein. "Aber warum den bloß?", fragte er Newra dann mit trauriger Stimme, "Ich mache doch genau was sie mir gesagt haben damit ich in Frieden hier bleiben darf."
Newra schüttelte den Kopf: "Ich glaube das war von Anfang an eine große Lüge. Wir müssen sofort hier verschwinden!“
Weit weg, in einer anderen Welt, dem fernen Argenshire, schritt Shanora gerade durch den Gang des großen Turms der Stadt Katzus, zu ihrem ehemaligen Zimmer.
Sie hatte darauf bestanden den Körper des Erben des schwarzen Throns hier herbringen zu lassen. Ihre türkisen Augen funkelten voller Hoffnung, als sie eine Stimme aus denn Zimmer vernahm. Hatten die Götter ihre Gebete, das Hannibal Cash endlich aufwachen würde, erhört? Sie hielt vor der Türe an, die einen Spalt geöffnet war.
Die Stimme gehörte zu jemand gänzlich anderen. Vor dem Bett stand Claude, der letzte Druide, sein länger grauweißer Zopf verriet ihn.
„Ich hätte nach dir suchen müssen, hätte ihm nie dienen dürfen!“, Claudes Stimme klang, anderes als gewohnt, brüchig und unsicher. Shanora wusste, was er meinte, er hatte nachdem der Dunkle gekommen war und die Druiden, damit auch Alith, Claudes Schwester und Cashs Mutter, getötet hatte als letzter seiner Art dem Dunklen gedient. Dann hatte er Cashs Ziehvater, Norbert den Nordmann, kaltblütig ermordet und damit dem Jungen alles genommen.
Shanora hatte nicht erwartet, dass es Claude leid tat.
„Ich war so blind!“, sprach der Druide weiter, „Habe gehorcht und dir deine Vaterfigur genommen. Dann habe ich dich im Stich gelassen, obwohl ich wusste, wer du bist. Ich erwarte nicht das du mir je verzeihst wenn du aufwachst. Ich werde mir selbst nie verzeihen!“
Shanora ließ den Kopf hängen, auch sie konnte sich nicht vorstellen, dass nach dem vorgefallenen eine Familienidylle zwischen dem Onkel und dem Neffen herrschen würde.
„Die Erbin des weißen Throns lauscht also!“, eine spöttische Stimme ließ Shanora aufschreien. Sofort machte sie sich kampfbereit, wie auch immer es ihm gelungen war, Vincent, der Hexenmeister von Buldarak, stand mitten in dem gut bewachten Gebäude. Sein schwarzrotes Haar glänzte in der Sonne, die durch die bodentiefen Fenster schien und sein arroganter Blick hielt ihrem ohne Probleme stand.
„Kein Grund mich zu bekämpfen!“, seine roten Augen blitzten auf, „Ich bin ein Verbündeter deines Bruders, falls du das schon vergessen hast.“ Claude stürmte aus Cashs Zimmer: „Was willst du hier, verfluchter Hexenmeister?“
Vincent lachte über Claude, der sich vor Shanora stellte. „Das würde mich auch interessieren!“, Shanora ließ den mächtigen Hexer keinen Moment aus den Augen.
Vincent seufzte genervt: „Ich habe euch einen Vorschlag zu machen!“
„Das wird warten müssen!“, Cecilia stürmte durch die Türe, „Shanora wir haben da ein Problem!“
Shanora kniff die Augen zusammen, anscheinend musste sie ein ernstes Wort mit den Wachen reden. Cecilia war es schließlich gewesen die sich erpressen hatte lassen und Treplew zurück ins Leben geholt hatte.
„Soll ich sie töten?“, murrte Claude und fixierte die Vampirin. Cecilia erwiderte seinen Blick: „Komm her und versuche es!“ Vincent rollte mit den Augen: „Wie süß!“
Shanora dachte nach wen sie zuerst anhören sollte. Vincent, den zwielichtigen Hexer der eine Schülerin von Finn kaltblütig ermordet und Sassy als Geisel gehalten hatte? Eher nicht.
„Was ist los Cecilia?“, Shanora hatte sich entschieden.
Cecilia starrte auf den Boden: „Delina und Janina sind in Solon!“ Vincent wurde hellhörig und streckte die Hand aus, woraufhin Cecilia vor Schmerzen zu schreien begann: „Was sagst du da? Sie sollte sicher in der Welt der Menschen sein, was habt ihr widerlichen Blutsauger getan?“
Shanora riss Vincents Arm nach unten, aber selbst sein Blick schien Cecilia Schmerzen zu bereiten.
„Hör auf!“, schrie sie ihn an und Vincent seufze, worauf Cecilia zu Boden fiel.
„Sie sollte uns nur das Auge geben, aber dann kam Silas und nahm Delina und Janina mit nach Solon!“, brachte Cecilia hervor bevor sie das Bewusstsein verlor.
“Diesmal ist er zu weit gegangen! Diesmal wird er bezahlen!“, Vincent schien außer sich vor Wut zu sein. Er schnippte mit den Fingern und Shanora und Claude konnten sich nicht mehr bewegen. Dann ging er zu Hannibal Cash ins Zimmer. Shanora fühlte, wie dunkle Energie den Raum füllte, Vincent murmelte seltsame Worte in einer Sprache, die Shanora nicht kannte. „Erhebe dich, du wirst nicht mehr wissen, was in den letzten 2 Jahren geschehen ist!“, Vincents Stimme wurde wieder laut, „Aber du weißt das du nach Solon gehen musst, um Silas zu töten! Töte den Mann mit der Maske!“