"Ich kann nicht fassen, das er hier ist! Ich werde diese unwürdige Made in Stücke reißen und seine Asche über die ganze Welt verteilen!", empörte Sassy sich, ihre weißblonden Haare hatte sie zu einem langen Zopf gebunden, ansonsten trug sie, wie immer, Kleidung, die ein sofortiges Abenteuer überleben würden.
"Beruhig dich!", Finn hob abwehrend die Hände, manchmal konnte seine Freundin einem direkt Angst einjagen.
Shanora seufzte, sie standen schon beinahe vor Deseis Wohnungstüre: "Solange wir uns in der Welt der Menschen befinden sollten wir nicht von 'in Stücke reißen' oder 'Asche über Welten verteilen' sprechen, du machst ja sogar mir Angst! Was denken dann erst ein paar unschuldige Erdenbewohner, wenn sie dich hören?"
Sassy verschränkte die Arme: "Ich verstehe immer noch nicht warum ich mitkommen muss. Das macht alles keinen Sinn für mich! Das ist doch nur wieder eines seiner widerlichen Spielchen!"
Finn seufzte: "Mag sein, aber wir brauchen seine Hilfe um den Nachtschatten aus Celles zu extrahieren und damit die Verbindung zu Person X zu kappen!"
Sassy zog eine Braue hoch: "Person X? Etwas Besseres ist dem Rat nicht eingefallen, um diesen Psychokiller zu benennen?"
Shanora atmete einmal tief ein: "Wir haben uns entschlossen ihm keinen Namen zu geben damit er sich keinen machen kann. Es muss unter allen Umständen geheim bleiben, wer er ist. Das würde ganz Elensar in Gefahr bringen!"
Finn warf Sassy einen vorwurfsvollen Blick zu, den sie sofort verstand. Sie hatte gerade Shanoras leiblichen Bruder als Psychokiller betitelt. Aber leider schien er genau das zu sein. Vincent war der Meinung, das er seine Verbindung zu Celles genutzt hatte, um an die Macht des Nachtschattens zu kommen, die ihn wahrscheinlich davor bewahrte auf ewig an Solon gebunden zu werden. Durch die Teilung ein und derselben Energie konnte Celles gar nicht anders als ständig an ihn zu denken. Das hatte zu seiner Befreiung geführt als Deseis und Ation ihn gefangen hatten.
"Ich kann nicht fassen, wie sehr er mit uns allen spielt...", Shanora seufzte und verdrängte das Bild an Silas völlig zerstörten Körper. Sie hatte eine Verbindung zwischen ihm und ihr gespürt, aber vielleicht auch nur, weil er wollte das sie so empfindet. Irgendetwas hatte er an sich, sein Geruch, sein Auftreten, selbst seine Stimme schien tiefer zu gehen als die von normalen Wesen. Er war wohl über die Jahre zu dem geworden, was er am meisten gehasst hatte. Er war ein Monster, genau wie der Dunkle.
"Schön das ihr da seid!", Deseis Worte rissen Shanora aus ihren Gedanken und sie blickte erschrocken auf seine geöffnete Wohnungstüre.
“Was ist der Plan?“, Shanora betrat die Wohnung und begrüßte Ation und Celles.
“Diesen Vodoopriester anzuzünden gehört leider nicht dazu!“, Celles funkelte Vincent wütend an der sich in der Küche gerade einen Kaffee gönnte.
Ation versuchte sie zu beruhigen: „Er will uns helfen Celles!“
Shanora konnte an Celles Gesicht erkennen, das sie wütend war und etwas sagte, aber ihre Ohren könnten es nicht Vernehmen, mehr schien ihr Geist auf eine Reise zu gehen und sich immer weiter von ihren Verbündeten zu entfernen.
„Was einst durch den Dunklen gestohlen wurde, wird wieder zurück zu den Erben des Lichts finden.“
Shanora schauderte bei der Erinnerung an Evas Worte, damals in Allisters Haus. Der Engel hatte ihr eine Prophezeiung überbracht.
Damit konnte nur Silas gemeint sein, ihr leiblicher Bruder, durch den Dunklen gestohlen.
„Die Toten werden den Weg der Gerechtigkeit pflastern, ihr ableben so sinnlos und doch so endgültig.“
Newra, Julopatra, Norbert... beinahe Chruchs Sohn, Atep, und Cash, der sich geopfert hatte. Aber so entgültig wie prophezeit schien es nicht zu sein. All die Jäger, die sich geopfert hatten. Eva, Treplew, beinahe Finn. Shanora schauderte bei der Erinnerung an ihren Kampf gegen Suma. Celles wäre beinahe gestorben, Leichen pflasterten ihren Weg.
“Eine Armee verborgen in der Dunkelheit, wartet auf ihre Erweckung.“
Die Unterlande, aber ihr war es noch nicht gelungen die Völker des 9. Kreises zu einen. Sie brauchte Church und Marbas dafür, die beiden würden einen Weg finden diese Macht für sich zu gewinnen.
“Die Königin, beschützt von den Schwingen des Drachens, in Vollbesitz ihrer Kräfte, wird befreien, was gefangen gehalten wurde.“
Sie dachte an Finn der in Gestalt des schwarzen Drachens, des Nachtschattens, über das Schlachtfeld vor Osilia gefegt war. Und an Church, der sich als er die Siegel die seine Macht in ihm verschlossen hatten, auch in einen gewaltigen Drachen verwandelt hatte. Aber welcher Drache war gemeint? Der Nachtschatten oder der Baal der Zerstörung? Vor allem da der Nachtschatten gerade in Celles und Silas geteilt versiegelt war.
“Der dunkle König, bereit sich der gerechten Sache hingeben, wird ihr zur Seite stehen.“
Der Dunkle König, der Erbe des schwarzen Throns.
Plötzlich fiel es Shanora wie Schuppen von den Augen. Nicht Finn war dazu auserkoren diese Macht in sich zu tragen. Es gab jemanden, der schneller war, stärker und ein direkter Nachfahre des Dunklen. Der schwarze Thron folgte seinem eigenen Willen. Und er hatte einen Thronerben.
“So wird das Gleichgewicht der Welten wieder hergestellt!“
Wenn es Shanora gelingen würde alle Punkte der Prophezeiung zu erfüllen. Wenn sie alle davon überzeugen konnte ihr Vertrauen in sie zu setzen. Wenn sie Silas Teil des Nachtschattens zurückbekommen könnte.
“Erde an Shanora!“, Finns Stimme riss sie aus dem Tagtraum, welcher sie entführt hatte. Schnell sah sie sich um und atmete tief ein. Nicht viele würden ihre Entscheidung verstehen können. Vor allem Celles würde damit sicher nicht einverstanden sein. Aber sie musste es versuchen, um die Welten wieder ins Gleichgewicht zu bringen und alles, was den Laboren des Dunklen entsprungen war, zu beseitigen. Außer Finn natürlich, das verstand sich von selbst. Im Zweifelsfall würde sie sich sogar ihren leiblichen Bruder stellen müssen und ihn töten, falls er nicht kooperativ sein sollte.
„Wir werden den Nachtschatten nicht in Finns Körper bannen!“, verkündete sie dann und versuchte ihrer Stimme einen festen Ausdruck zu verleihen.
„Werden wir nicht?“, Finn sah sie überrascht an und auch die anderen schienen verwirrt über ihre Worte zu sein. Shanoras Gedanken kreisten um ihre Erinnerungen.
Wer war sie geworden, sodass sie darüber nachdachte jemanden zu töten der trotz seiner Verfehlungen versucht hatte sie zu schützen. Wahrscheinlich hätten sie den Kampf gegen Suma und Treplew ohne ihn nicht überlebt. Wahrscheinlich hätten sie nicht einmal Sassy befreien können. Shanoras Herz fühlte sich so schwer an, wo waren die Zeiten geblieben in welchen sie mit Allister durch die Gegend gezogen war, in Gestalt einer kleinen Katze. Sie war so unschuldig und naiv gewesen damals. Aber ihr Blick auf die Welten, die sie besuchte hatte sich verändert.
Er war hart und klar geworden, sie sah nun eher das schlechte, nicht mehr das gute um sie herum.
Sie vertraute nicht mehr so leicht und hatte Angst verraten zu werden. Oder belogen, wie ihr ganzes Leben lang von beinahe jedem geliebten Menschen.
„Shanora?“, ihr Name erklang, besorgte Blicke um sie herum.
„Ich kann das gerade nicht!“, brachte sie hervor und appretierte.
Sie hatte ein Ziel vor Augen, auch wenn sie nicht genau wusste warum.
Die Firma.
Sie stand vor den Laboren des Dunklen, wo ihr leiblicher Bruder wohl über Jahre gefoltert wurde. Sie musste es mit eigenen Augen sehen. Sie konnte ihn nicht verurteilen, solange sie nicht alles über ihn wusste.
Loki. Silas. Finn.
Wer auch immer er mittlerweile geworden war, er hatte eine Chance verdient.
Langsam ging sie durch den Schutt, um in den nicht völlig zerstörten Teil der Firma zu finden. Ein Schauer lief über ihren Rücken als sie das Gebäude oder besser, die Ruine betrachtete. Es war fast so, als könnte sie die Mauern sprechen hören, sie klagten über all das Leid, das hier durch den Dunklen anderen zugefügt wurde.
Der Ort schien beinahe nach ihr zu rufen, ihr den Weg weißen zu wollen, und so stieg sie in die Ruine und kletterte geschickt durch halb verschüttete Gänge, bis sie eine große Sicherheitsschleuse erreichte.
Die verschiedenen Glastüren waren zersplittert und Shanora musste aufpassen sich beim hindurchgehen nicht zu verletzen.
Hinter der Schleuse lagen Zellentüren.
Shanora hörte wieder die Stimmen des Ortes, die klagenden Seelen. Und Schritte. Schritte.
Shanora wirbelte herum und starrte in das Auge einer Bestie. Aus verschiedenen Tieren zusammengestellt, mit Eisen beschlagen und zu einer Waffe geformt.
„Darf Zero erfahren, was es hier will? Es riecht wie der Meister, sieht aus wie der Meister. Und doch darf es nicht hier sein.“, die Stimme der Katzenkreatur klang eindringlich, fast als würde das Wesen versuchen Shanora zu hypnotisieren.
„Ich suche eine Zelle!“, Shanora versuchte Selbstbewusst zu klingen und sich nicht zu sehr von dem abscheulichen Anblick unter Druck setzen zu lassen.
Zero, wie sich das Wesen nannte, schlich um sie herum und musterte sie mit seinem einen gelben Auge. Das andere schien entfernt und zugenäht worden zu sein.
„Es gibt viele Zellen in diesem Ort, beinahe jedes Zimmer war jemandes Zelle. Aber es will die Zelle des Meisters sehen. Und Zero bewache die Zelle des Meisters, darf niemanden durchlassen!“, knurrte Zero dann bedrohlich.
Shanora seufzte: „Dein Meister ist schon lange tot!“
Zero schüttelte den Kopf: „Nicht tot nur verdammt. Wird zurückkehren zu Zero. Er kehrt immer zurück. Was ist es? Wer ist es? Es hat dieselben Augen wie der Meister, ein Trick? Ein Betrug?“
Langsam dämmerte Shanora das Zero nicht für den Dunklen hier unten Wache hielt. Ihr Bruder wollte wohl auf keinen Fall das man diesen Ort entdeckte und darin herumschnüffelte.
„Ich bin Shanora!“, Shanora kniff die Augen zusammen und starrte Zero streng an, „Und dein Meister wäre sehr böse, wenn er wüsste, dass ich hier nicht durchgelassen werde.
Zero sah sie interessiert an: „Es lügt. Es kann nicht hier sein, weiß nichts von dem Ort! Es muss in Elensar sein! Betrug!“
Shanora starrte entsetzt auf Zero, welcher zum Sprung ansetzte. Er stieß sie ab und schoss auf sie zu, Shanora sah sich panisch nach einer Waffe um.
Sie war einmal wieder ohne Vorbereitung aufgebrochen. Und wieder einmal wusste niemand so genau, wo sie war.
Zeros Blick veränderte sich, als blitzschnell etwas unter ihn schlitterte.
„Argh, es brennt, es schneidet!“, Zeros Sprung würde von einer schwarzen Klinge aufgehalten und das Ungetüm prallte gegen die Wand.
Ein seltsames Sekret tropfte aus der Wunde des Monsters und von dem schwarz glänzenden Dolch.
„Es wird dir gleich die Eingeweide herausreißen, wenn du noch einmal auf Shanora losgehst!“, Sassys Stimme klang angespannt, und zu Shanoras Überraschung schien sie alleine zu sein.
„Woher wusstest du wo ich bin?“, fragte sie Sassy erleichtert.
Sassy steckte den Dolch wieder weg und lächelte sie an: „Warum sonst hättest du Finn nicht gesagt, wo du hin willst, nachdem du unseren Plan so plötzlich änderst.“
Shanora sah sie verwundert an: „Und du hast Finn nichts gesagt?“
Sassy schüttelte den Kopf: „Er hätte versucht dich aufzuhalten. Ich bin der Meinung das du jedes recht hast zu wissen was hier vor sich geht.“
Shanora lächelte dankbar zurück: „Du warst schon einmal hier, weißt du, wo alles passiert ist? Also hast du...“
Sassy unterbrach sie: „Ich war noch nie hier unten, aber ich denke das jemand, oder besser etwas hier genau weiß, wo wir suchen müssen!“
Sassy starrte Zero, der sich an die Wand drückte, wütend an.
„Zero zeigt den Weg aber dann lässt es Zero mit verfluchter Klinge in Ruhe, nicht mehr brennen und schneiden!“, grummelte die Missgestalt und kroch förmlich an Sassy vorbei, weiter in den Dunklen Gang.
Sassy und Shanora folgten Zero an vielen schwarzen Türen vorbei. Einige hatten ein Gitter, einige nicht. Am Ende des Ganges gab es eine weitere Türe, nur war diese unter all dem Schmutz wohl einmal weiß gewesen.
„Hier ist es geschehen! Hier wurde der Meister gefangen gehalten. Aber es sollte nicht hineingehen, dieser Ort ist böse!“, Zero schien die Türe beinahe zu fürchten, „Zu viel Leid in der Zelle, kein Licht, nur Verdammnis!“
Sassy winkte ab: „Es ist nur eine Zelle!“ Aber es fröstelte sie. Eine dunkle Energie schien von der Türe auszugehen. Noch bevor sie etwas sagen konnte griff Shanora nach der Klinke und öffnete die Türe. Ein kupferartiger Geruch stieg Ihnen entgegen, das Flüstern der Wände schien lauter zu werden und aus der Dunkelheit des Raumes zu kommen.