"Das Fest wird gleich beginnen, wir sollten uns schonmal unter die Leute mischen", flüsterte Lucian nach unserem Kuss. Ich konnte nur nicken und Lucian nahm meine Hand. Gemeinsam gingen wir auf den Flur und einige große Treppen hinab, bis zu einem großen Saal, der sich über mehrere Etagen erstreckte, sodass man wie von einem Balkon von oben auf die unteren Etagen hinab sehen konnte. Überwältigt von der ganzen Szene bekam ich nur am Rande mit, wie ich einige Hände schüttelte, Leute begrüßte und lächelte, während Lucian mich vorstellte. Der ganze Saal war von Menschen oder eher Vampiren bevölkert, die sich unterhielten. Dazwischen liefen ein paar Kinder hin und her, ein paar davon staunten mich an, als sie an mir vorbei liefen.
Nach unzähligen geschüttelten Händen entschuldigte Lucian sich damit, uns Getränke zu besorgen und so stand ich allein an der Brüstung und schaute mich um.
Doch ich blieb nicht lange allein. Eine junge Frau, etwa in meinem Alter gesellte sich zu mir und stellte sich als Asta vor. Sie erzählte ein bisschen von sich, bis sie auf mich zu sprechen kam. "Du bist also unsere neue Hoffnung. Lucian muss ja wirklich von dir hingerissen sein." Ich wusste nicht so recht, was sie damit meinte und schon gar nicht, wie ich darauf antworten sollte."Wie meinst du das?""Oh nein. Hat Lucian dir nicht davon erzählt? Das hier ist eure Verlobungsfeier. Du wirst bald die Frau das Vampiroberhauptes sein." Wie bitte? Das konnte nur eine Verwechslung sein."Ich glaube du verwechselst mich mit Jemandem. Entschuldige mich bitte für einen kurzen Augenblick." Sie nickte elegant und ich verließ sie, in Richtung meines -unseres- Zimmers. Ich wusste nicht wirklich, was ich davon halten sollte, aber irgendwie hatte ich so ein Gefühl, dass es wahr war, was sie sagte. Ich kam nicht weit, denn schon wurde ich erneut aufgehalten, diesmal von einem älteren Herrn."Freut mich Sie endlich zu treffen. Ein wundervolles Fest, was Sie da zu Ihrer Verlobung geben, wirklich wundervoll. Lucian und Sie sind bestimmt ein tolles Paar."
Also war es keine Verwechslung.
Ich bedankte und verabschiedete mich so höflich wie ich gerade konnte und versuchte, ohne irgendwelche Ausfälle zum Zimmer zu kommen. Ich wollte nur noch von hier weg. Doch auch diesmal kam ich nicht weit, denn eine Gruppe älterer Damen hielt mich an, um mir zu meiner Velobung zu beglückwünschen. Ich hielt es hier keine Sekunde länger aus und bewegte mich so schnell es halbwegs elegant ging. Von überall hörte ich Glückwünsche, doch ich schenkte ihnen nur ein gequältes Lächeln und lief weiter. Endlich erreichte ich einen ruhigeren Flur und orientierte mich. Ich musste noch ein Treppe weiter nach oben, bevor ich zum Flur gelangte, auf dem sich das Zimmer befand. Dort angekommen quälte ich mich aus dem Kleid, zog mir meine Sachen über, schnappte mir meinen Rucksack und suchte überall nach dem Schlüssel für den Camaro. Endlich fand ich ihn auf einem kleinen Tischchen im Nebenraum und machte mich auf den Weg, bevor noch jemand etwas von meinem Verschwinden bemerkte. Leise schlich ich auf den Flur und zum Treppenhaus. Dort rannte ich die Treppen hinunter, bis ich zur Etage mit der Tiefgarage kam. Die schwere Tür knallte viel zu laut hinter mir zu, doch ich kümmerte mich nicht darum. Plötzlich griffen zwei Hände von hinten nach mir und versuchten, mich gegen die Wand zu pressen. Ich wand mich und es gelang mir, mich zu meinem Angreifer umzudrehen. Der drückte mich jetzt mit seinem ganzen Körper gegen die Wand und versuchte mit der Hand unter mein Shirt zu kommen. Wie in Trance merkte ich, wie sich meine Eckzähne in seinen Hals bohrten. Der Blutrausch überfiel mich und ich konnte gerade noch rechtzeitig aufhören, bevor der Mann ganz tot war. Ich überzeugte mich noch kurz davon, dass er noch atmete und rannte weiter zum Auto. Meine Frisur hatte sich inzwischen aufgelöst und einige Stähnen meine Haare fielen mir ins Gesicht. Ich streifte sie hinters Ohr und drückte den Türöffner am Schlüssel. Die Lichter des Camaros blinkten kurz auf, bevor ich die Tür aufriss und einstieg. Ohne einen wirklichen Plan im Kopf fuhr ich los, aus der Tiefgarage hinaus und auf die Hauptstraße. An zwei Ampeln bog ich ab und fuhr weiter, bis ich an eine dritte Kreuzung kam. Ohne auf den Verkehr zu achten gab ich nochml Gas, als die Ampel auf gelb schaltete.
Ein Fehler. Ein lauter Knall war zu hören, dann das Quietschen von Metall. Ich konnte mich gerade nach rechtzeitig aus dem Auto retten. Schnell sah ich nach, ob die Person im anderen Wagen noch lebte, bevor ich losrannte. Ich lief so gut ich konnte in kleinen Gassen und suchte nach einem Hostel oder einer Herberge. Gerade als ich eine Pause einlegen wollte, sah ich am Ende einer Gasse ein Schild auf dem 'Zimmer frei' stand.Meine Rettung. Ich konnte nicht mehr viel weiter laufen und schaffte es gerade noch bis zur Tür. Dahinter lag eine ganz andere Welt - es war warm und gemütlich und eine freundlich lächelnde alte Dame begrüßte mich."Junge Dame, sie sehen ja schrecklich aus, ist mit ihnen alles in Ordnung?" fragte sie mich besorgt."Ja, mir geht es gut, aber ich brauche ein Zimmer für heute Nacht", versicherte ich ihr."Aber natürlich. Wir haben noch einige Zimmer frei, hast du irgendwelche besonderen Wünsche?" Ich verneinte und sie reichte mir einen Schlüssel."Soll ich dich nach oben begleiten?" Auch dies verneinte ich."Aber sie könnten noch etwas anders für mich tun. Egal wer kommt und nach jemanden wie mir fragte auch wenn er sagt, dass er mich kennt oder mein Verlobter ist, sagen sie ihm bitte nichts von mir. Bitte, es ist sehr wichtig, dass niemand erfährt, dass ich hier bin." Sie nickte und ich atmete erleichtert auf. "Danke." Von meinen Kräften verlssen schaffte ich es gerade noch so, die Treppen nach oben zu kommen und mein Zimmer zu finden. Es war klein, mit nur einem Bett, einem Fenster, dass sich über die gesamte Wand erstreckte und einem, nur mit dem nötigste ausgestatteten Bad. Doch das reichte mir. Erschöpft ließ ich mich auf das Bett fallen, fand jedoch keine Ruhe. Die Begenung mit Ben, dem Werwolf ging mir immer wieder durch den Kopf und ich wurde mir immer sicherer, dass er von der Verlobung wusste. Und je länger ich darüber nachdachte, desto wütender wurde ich auf Lucian und Raphael. Sie hatten keine Sterbenswörtchen davon erzählt - was natürlich nur logisch war. Hätte ich von all dem gewusst, wäre ich niemals mit den beiden mitgegangen. Die Gedanken kreisten in meinem Kopf und ich musste an die frische Luft. Ich hoffte einfach, dass ich irgendwie auf das Dach kommen würde, schnappte mir die Decke vom Bett und lief los. Langsam lief ich durch die Flure, bis ich irgendwann auf ein Treppenhaus stieß, dass laut Schild bis zum Dach führte. Es waren endlose Stufen, bevor ich an die Tür kam, die auf das Dach führte. Draußen erwaretete mich die kalte, dunkle Nacht, aber diesmal genoss ich es. Die Sterne über mir waren wunderschön und beruhigten mich. Die Decke schlang ich um meine Schultern, denn hier in der Kälte begann ich zu frösteln und setzte mich an die Außenwand des Teppenhauses. Ich konnte die Lichter der Stadt sehen und mein Puls verlangsamte sich endlich wieder. Hier hatte ich erstmal Ruhe und fühlte mich, wie ich selbst. Das Adrenalin in meinem Körper war verbraucht und ich ließ meine 'Flucht' noch einmal durch meinen Kopf laufen und erschrak vor mir selbst. Erst jetzt wurde mir bewusst, dass ich zwei Menschen fast getötet hatte. Und dass ich immer noch vollkommen blutverschmiert war. Ich blickte auf meine Sachen hinab und sah die großen, dunklen Flecken von halb getrocknetem Blut. Ich hatte das Blut eines Menschen getrunken. Und ihn dabei fast getötet. Ich war ein Monster. Aber deshalb hasste ich mich nicht, denn in jedem von uns steckte ein Monster und manchmal kam es an die Oberfläche. Ich hoffte nur, dass beide es überlebt hatten. Außerdem brauchte ich einen Plan, wie ich weiter vorgehen sollte. Ich könnte einfach nach Hause fahren und so tun, als wäre all das niemal passiert. Meine Mutter würde zwar einige Fragen stellen, aber ich könnte einfach sagen, Lucian hätte sich von mir getrennt und dass ich nicht wieter darüber reden wöllte. Andererseits würden wahrscheinlich weder die Vampire, noch die Werwölfe so leicht aufgeben. Und - auch wenn ich es mir nicht wirklich eingestehen wollte - ich hatte mich doch etwas in Lucian verknallt. Auch wenn ich ihn erst seit ein paar Tage kannte, fühlte es sich an, als ob wir durch irgendetwas miteinander verbunden waren.
Dennoch, er hatte mir nichts von der Verlobung erzählt und auch sonst wusste ich nicht, was er mir noch verschwiegen hatte. So einfach war die ganze Situation also nicht. Und zu allem Übel begann ich immer mehr zu frieren. Mittlerweile wusste ich, dass es nicht an den Außentemperaturen lag, sondern an dem Blut, was ich getrunken hatte. Die Decke wärmte mich nicht wirklich, sie sorgte nur dafür, dass mich nicht auch noch die Luft auskühlte. Lange würde ich so wohl nicht mehr aushalten. Als ich gestern das Blut getrunken hatte, war es nur eine kleine Menge gewesen und selbst die hatte dafür gesorgt, dass ich innerhalb von 20 Minten nicht mehr wirklich bei mir war.
Meine einzige Rettung war Lucian und der war - gott sei dank- gerade nicht hier. Keine Ahnung, ob ich jetzt erfrieren oder einfach nur das Bewusstsein verlieren würde, aber ich wolllte ihn gerade wirklich nicht sehen. So hoffte ich einfach darauf, dass sich mein menschlicher Teil nicht von dem Blut beeindrucken ließ und mich am Leben hielt."Sie muss aber hier irgendwo sein. Sie hat ein Zimmer in diesem Hotel genommen und bei der Menge an Blut, die sie zu sich genommen hat, kann sie nicht viel weiter gekommen sein", hörte ich plötzlich ein Stimme sagen, die sich sehr verdächtig nach Raphael anhörte."Und wo bitte schön ist sie dann? Sie wird sterben, wenn ich sie nicht bald finde. Und ich möchte nicht daran schuld sein", hörte ich Lucian aufgebracht sagen. Mit seiner Stimme kam meine Wut zurück. Sie brannte wie eine kleine Flamme in mir und brachte mich dazu aufzustehen und mich bemerkbar zu machen."Ach, du möchtest nicht daran schuld sein, falls ich erfriere? Tja, vielleicht hättest du dir ja vorher denken können, dass ich ein wenig überrascht bin, wenn ich höre - nicht mal von einem von euch - dass die heutige Feier unsere Verlobungsfeier ist."Ich stand auf und lief in ihre Richtung. Mit genügend Abstand blieb ich stehen und verschränkte die Arme vor der Brust, was mit der Decke um meine Schutern wahrscheinlich weniger dramatisch rüberkam, als ich beabsichtigte."Gott sei dank, da bist du. Können wir bitte über alles reden, wenn du nicht kurz vor dem Erfrierungstod stehst?"
„Mit dir will ich über gar nichts mehr reden. Verschwinde von hier.“ Ich hatte alles gesagt, drehte mich um und lief bis zum Rand des Daches. Von dort blickte ich nach unten in den Abgrund und trat doch lieber einen Schritt zurück.
„Redest du mit mir? Bitte.“ Raphael stellte sich eben mich und blickte in die Ferne.
„Warum hat keiner von euch irgendwas gesagt? Ich meine, klar, ich wäre dann vermutlich nicht mitgekommen, aber wenigstens hätte ich es dann von einem von euch gehört.“ Ich drehte mich zu ihm um und auch er drehte sich zu mir, sodass ich sein Gesicht sehen konnte.
„Hätten wir es dir vorher gesagt, wärst du niemals mit uns gekommen. Du bist wichtig für uns, noch wichtiger als du dir im Moment vorstellen kannst. Du kannst mir glauben, ich hatte ein wirklich schechtes Gewissen. Es war eine total blöde Idee, mit der Verlobung, aber nur so konnten wir ein Zeichen setzen. Ein Zeichn, dass du zu uns gehörst und nicht zu den Werwölfen.“
Würde ich ihnen verzeihen? Keine Ahnung.
Machte es mich wütend, wie eine Trophäe betrachtet zu werden? Oh ja.
Spürte ich meine Finger und Zehen nur noch halb? Defintiv.
Und trotzdem war ich nicht bereit einfach mit Lucian mit zu gehen. Irgendeinen anderen Weg hätte es doch geben müssen.
"Wie geht es dir? Also ich meine, außer, dass dir kalt ist und du wütend auf uns bist."
Miserabel. Furchtbar. Kalt.
"Naja, ich habe vielleicht zwei Menschen getötet, ein wunderschönes Auto zu Schrott gefahren, Menschenblut getrunken - aus einem Menschen - und nicht zu vergessen, dass ich mit einem Vampir VERLOBT bin, den ich erst seit ein paar Tagen kenne, aber ansonsten ganz gut", antwortete ich sarkastisch mit einem wahrscheinlich ziemlich missglückten Lächeln.
"Den beiden geht es den Umständen entsprechend gut, um das Auto solltest du dir im Moment wirklich keine Gedanken machen und alles andere bekommen wir irgendwie hin, dass verspreche ich dir." Ich blickte kurz in Lucians Richtung, der mich flehend ansah."Ich kann jetzt trotzdem nicht einfach zu ihm gehen und so tun als wäre nichts gewesen." Mittlerweile zitterte ich schon am ganzen Körper, doch diesmal würde ich nicht schwach werden und Lucan freiwillig berühren. Dazu müsste ich schon ohnmächtig sein. Wovon ich nicht mehr weit entfernt zu sein schien, so wie ich mich fühlte."Lucian bekommt gerade echt Konkurrenz um den Patz der stursten Person die ich kenne. Es ist absolut nicht gut, wenn du ohnmächtig wirst, bitte." Jetzt sah auch er mich flehend an, doch ich blieb stur und ging mit meiner Decke wieder zu meinem Platz an der Wand und setzte mich. Raphael schüttelte nur mit dem Kopf, gesellt sich aber wieder zu mir.
"Okay. Dann sitzen wir jetzt eben hier und warten, bis dir entweder so kalt ist, dass du ihn freiwilig berührst oder du ohmächtig wirst." Letzteres würde der Fall sein. Langsam fühlte sich mein Kopf an, als wäre er mit Watte gefüllt und ich spürte meine Füße, Hände und Teile meines Gesichts nicht mehr. Lange würde ich nicht mehr durchhalten. Meine Lider wurden langsam schwer und mein Zittern sah wahrscheinlich aus, wie ein Anfall. Es war so furchtbar kalt, doch ich konnte mich nicht dazu überwinden, zu Lucian zu gehen. Raphael saß einfach nur neben mir. Es wurde immer schwerer, die Augen offen zu halten. Ich dämmerte immer weiter weg. Es war kalt. die Kälte umgab mich, war überall und ich konnte ihr nicht entfliehen. Sie zog mich in die Dunkelheit, in die Kälte. Ich konnte ihr nicht entfliehen.