Mit 11 kam ich ins Gymnasium. Ich brauche, glaube ich, gar nicht mehr zu erwähnen, dass ich es gehasst habe. Neue Umgebung, neue Menschen, alles anders. Zwar ging meine Schwester B auch auf diese Schule, aber sie war drei Jahre über mir. Wir sahen uns selten und es wäre ja uncool gewesen, mit seiner jüngeren Schwester abzuhängen. Abgesehen davon verstand ich mich mit ihren Freunden tatsächlich besser, als mit meinem eigenen Klassenkameraden. Vielleicht waren sie aber auch nur freundlich zu mir, weil ich B's Schwester war.
Bei meinen Klassenkameraden war ich jedenfalls gleich durch. Brillenträger, ohne Freunde. Oh! Und hatte ich erwähnt, das ich just zum Übertritt etwas von meinen Eltern geschenkt bekommen habe? Eine Zahnspange!
Meine Noten wurden zusehens schlechter, weil ich mich nicht mal mehr zu Sprechen traute. Meistens wurstelte ich im Bereich 3-4 rum. Anfangs hats mich noch gestört. Irgendwann war mir auch das egal.
Ein paar Mitschüler aus der Grundschule waren mit in meine 5. Klasse gekommen. Es dauerte keine Woche, bis alle über mich bescheid wussten. Ich war die Ausgestoßene, das Mobbingopfer (zu dieser Zeit kannte mensch den Begriff Mobbing zwar noch nicht, aber das trifft es ziemlich gut). Wie schon erwähnt: es war mir egal. Alles war mir egal. Ich wollte immer nur den Tag überleben, wieder nach Hause zu meinen geliebten Büchern, meinem vergötterten Fernseher (und ich meine das so, wie ich es schreibe. Ich habe den schwarzen Kasten im Wohnzimmer förmlich angebetet).
Der Rückzug in mich selbst wurde immer krasser. Ich baute mir meine eigene Welt auf. Andere hatten Fantasiefreunde, ich hatte mein eigenes Universum!
Der einzige Ort, an dem ich mich wohl fühlte. Der einzige Ort, an dem ich frei war, akzeptiert wurde wie ich war. Tun und lassen konnte, was immer ich wollte.
Die Außenwelt - wie ich sie nannte - wurde mehr und mehr zur nervigen Last für mich. Hätte ich in meiner eigenen Welt leben können und damit aus der Realität komplett verschwinden, ich hätte es getan.
Das alles gepaart mit den üblichen Pubertätsproblemen - die Tage kriegen, Jungs interessant finden, akzeptiert werden wollen, usw. - brachte mich so manches mal an den Rand der Verzweiflung. Suizidgedanken waren keine Seltenheit. Diese Zerissenheit schlug sich auch in meinen Gedichten nieder. Papier ist geduldig. Und war zu dieser Zeit auch mein einziger Zuhörer. Nur hat es keiner gelesen. Also wusste auch niemand bescheid.