Wir kommen dem wunderschönen Palast mit jeder Bewegung unserer Gliedermaßen näher. Schon von weitem habe ich die Wachen entdeckt, die mich sofort in ihren Bann gezogen haben. Während ihre obere Körperhälfte der einer Seraphine stark ähnelt, ist die Untere eher wie die eines Fisches gebaut. Anstelle eines Beinpaares befinden sich dort blaue mit Schuppen besetzte Schwanzflossen, die sich langsam im Wasser hin und her bewegen.
Als ich nahe genug daran bin, sehe ich, dass jeder von ihnen einen eigenen Dreizack aus massivem Silber besteht. Auf ihrem Kopf tragen sie Helmes aus demselben Material.
Sie verschränken die Waffen vor uns, als wir nicht mehr weit entfernt sind. Aus dem Augenwinkel sehe ich, dass Hilley genervt die Augen verdreht. Als wir vor ihnen auf der Stelle schwimmen, zieht Hilley ein kleines Etwas aus ihrer Tasche und hält es den Männern vor die Nase. Daraufhin lösen sie die Speere und lassen uns passieren.
Ich schwimme weiter, nachdem Hilley und Ruby es mir vorgemacht haben. Aria befindet sich hinter mir. Interessiert schaue ich dabei zu wie die Beiden vor mir eine wabbelige Stelle an der Außenhülle des Schlosses passieren. Es wirkt, als würden sie durch durchsichtigen Pudding gleiten. Ich habe Angst davor, was diese Substanz ist und, was sie für eine Wirkung hat, doch dann tue ich es einfach. Ich durchquere die Substanz einfach und versuche alles zu spüren, was es zu spüren gibt. Das Zeug ist eisig, doch als ich die ganz besondere Wand übertreten habe, bleibt kein einziger Rückstand auf meiner Haut zurück.
Im Inneren des durchsichtigen Gebäudes angekommen, hole ich erst mal wieder tief Luft. Nachdem ich drinnen bin, drehe ich mich um, um zu schauen, ob Aria mir direkt gefolgt ist oder ob sie sich nicht traut, obwohl ich nicht glaube, dass sie kneift.
Auch Aria hat den Wall durchquert und ich kann gerade noch mit ansehen, wie die Kopfblase augenblicklich verschwindet, nachdem sie das Ratsgebäude betreten hat. Mein Blick wandert weiter zu Hilley und Ruby, um zu schauen, ob dessen Blasen ebenfalls verschwunden sind. Diese Vermutung wird bestätigt, als unsere Blicke sich treffen.
"Geht es allen gut?", fragt Hilley ein wenig besorgt. Wir alle bejahen es, obwohl Ruby sich mit einem leicht verzehrten Gesicht den verletzten Arm tätschelt. Irgendwie tut sie mir schon ein wenig leid. Ich wäre gerade auch nicht sonderlich gerne an ihrer Stelle.
"Und? Was machen wir jetzt?", fragt Aria, als Hilley auf diese Frage aber dann nur mit einem leisen "Warten" antwortet, driften meine Gedanken weg und ich konzentriere mich auf meine wunderschöne Umgebung.
Erst jetzt fällt mir auch, wie einzigartig dieser Ort ist. Ein Schwarm orange-roter Feuerfische schwimmt an der Schiebe vorbei. Ich mache einige Schritte darauf zu, um alles besser sehen und meine Hände an die Scheibe legen zu können. Das Glas pulsiert unter meiner Haut angenehm. Dieser Anblick hat mich ganz in seinen Bann gezogen. Auf dem Boden unter uns bewegen sich die bunten Korallen und Wasserpflanzen in der Strömung des Wassers.
Plötzlich tippt mir jemand mit seinen Fingern auf die Schulter und weckt mich aus meiner Traumwelt. Ich fahre erschrocken herum und mache instinktiv ein ziemlich merkwürdiges Geräusch.
Der Junge hinter mir sieht mich verwirrt an und lässt dann seinen Blick über meine Körper schweifen. Er schaut von unten, von meinen Zehen, nach oben bis zu meinem Haaransatz. "Hey", ist jedoch sein einziger Kommentar. Ich schaue ihn verwirrt an, fragt, aber lieber nicht wieso er mich so genau gemustert hat: "Hey." Auch ich nutze die Zeit ihn zu mustern.
Seine Haut ist etwas dunkler, was wohl dafür spricht, dass es entweder geerbt ist oder, dass er aus einem sehr sonnigen heißen Gebiet stammt. Seine Haare sind schwarz und seine Augen tragen ein helles Grün. Dank seiner Gesichtszüge und seiner Größe kann ich sein ungefähres Alter gut abschätzen. Er scheint etwa so alt wie ich zu sein, vielleicht aber auch ein Jahr älter. Seinen Körper hat er mit einer Art Uniform bedeckt, die fast dieselbe Farbe wie seine Augen trägt. Auf der Brust trägt er ein Zeichen, was ich leider nicht einordnen kann. Möglicherweise ist es das Zeichen oder Elementarier oder ein Familienwappen. Bei Gelegenheit werde ich Hilley einmal fragen, wofür es steht.
"Hallo Marcel", grüßt Hilley, woraufhin der Junge herumfährt. Auch ich wende meinen Blick von ihm ab und schenke ihr wieder meine Aufmerksamkeit. "Hallo Hilley", er erwidert die Begrüßung beschwingt: "Wie du sicher schon weißt, bin ich hier, um euch den Weg zu zeigen." "Ich hatte da schon so eine Ahnung", grinst sie und zwinkert ihm zu. Diese Reaktion überrascht mich total. Ich habe Hilley wahrscheinlich noch nie so ausgelassen und verspielt gesehen. Dazu muss ich aber auch sagen, dass ich ihre wirkliche Identität noch nicht lange kann.
"Wie sollte es auch sonst sein", bemerkt der Grünäugige. "Dann zeig uns doch endlich den Weg", drängt Ruby genervt. Anscheinend konnte sie sich von ihrem schmerzenden Arm losreißen und hat sich nun eine Person gesucht, der sie auf den Geist gehen kann. Aria, die so steht, dass Marcel und ich sie sehen können, verdreht die Augen und macht Ruby nach.
Sowohl Marcel als auch ich selbst versuchen ein Grinsen zu unterdrücken. Der Dunkelhaarige seufzt und läuft vor uns her: "Na gut, dann mal los!" Ich seufze ebenfalls und folge ihm mit den Anderen im Schlepptau. Das wird sicher noch witzig, wenn Ruby jetzt schon so sehr auf Krawall gebürstet ist.