Eine Woche ist vergangen, seit wir vom Institut zurückgekehrt sind und wir stehen zu viert in einem Kreis auf dem Feld hinter Hilleys Haus. Miles sitzt auf einem großen Stein ein Stück von uns entfernt und beobachtet uns mehr oder weniger interessiert. Hilley neben uns und blickt in die Runde: "Aria, du fängst an!"Aria nickt und tritt in die Mitte des Kreises. Daraufhin schließen wir den Kreis wieder. "Ihr wisst, was jetzt zu tun ist?", fragt die Erwachsene weiter. Alle nicken. Ich gehe alles nochmal durch. Einer stellt sich in den Kreis und die anderen beginnen die Person im Inneren des Kreises anzugreifen. Diese Person muss dann versuchen die Attacken der Anderen abzuwehren. Wenn, in diesem Fall Aria, es nicht schafft sich zu verteidigen, muss ein anderer in den Kreis. Vorher haben wir auch noch abgesprochen, dass den anderen erst mal nicht so hart angreifen wie möglich, da sie sich ja nicht richtig verletzen soll. Miles sollte eigentlich auch mitmachen, aber aus einem Grund, den er uns nicht mitteilen wollte, hat er sich geweigert. Ich hätte gerne den Grund gewusst, doch auch mir hat er diesen nicht mitgeteilt.
"Konzentrierst du dich, Stella?", fragt Hilley mich, da ich wohl nicht so auszusehen scheine. Schnell verlasse ich meine Gedankenwelt wieder und richte meinen Fokus auf die Übung.
"Ja, tut mir leid."
Aria begibt sich in eine Kampfposition. Eine Hand streckt sie nach vorn und streckt deren Handfläche nach vorn, fast wie im Karate, während sie die andere Hand zu einer Faust ballt und zur Verteidigung ein Stück weiter hinten hält. Sie scheint wirklich zu wissen, was sie da tut.
"Ich bin bereit."
Nun begeben auch wir uns in Kampfposition. Ruby, die ihren Arm wieder richtig bewegen kann, richtet beide Handflächen auf Aria, während ich mich so wie das brünette Mädchen im Kreis positioniere. Hilley stellt sich so hin, als würde sie im nächsten Moment lossprinten.
"Okay, drei ...zwei ...eins. Los!"
Auf das Stichwort hin, schließe ich selbst meine Augen und konzentriere mich auf das Fass voll mit Wasser neben mir, was es mir erleichtern soll meine Kräfte einzusetzen, da ich noch nicht stark genug bin selbst welches zu erzeugen. Hilley hat mir erklärt, dass der Wasserkristall mir das zwar erleichtern und mir mehr Kraft verleihen könnte, doch diesen möchte sie mir erst überlassen, wenn ich meine eigenen Blockaden überwunden habe, obwohl ich keine Ahnung habe, was sie meint. Als ich sie darüber aufklärte, meinte sie nur, dass ich wissen würde, was das zu bedeuten hat, wenn es soweit ist.
Wie auf einen stillen Ruf hin, öffne ich meine Augen in genau dem Moment in dem das Wasser aus dem hölzernen Fass schießt und mit geballter Kraft auf meine Freundin zurast. Zur selben Zeit beginnen sich auch in Rubys Händen flammend rote Feuerbälle zu bilden, die sie auf das Mädchen im Kreis wirft. Diese weicht jedoch geschickt aus. Auch mein Wasser hält sie wie von Zauberhand auf. Kurz bevor es sie an dem Hinterkopf trifft, wird es abgelenkt und wird auf mich zurückgeworfen, wodurch ich in Sekundenschnelle von oben bis unten durchnässt da stehe. Verwundert und gleichzeitig überrascht stehe ich da und blicke Aria an, die mir nur verschmitzt zuzwinkert. Genau in dem Moment, in dem das Wasser aufgehalten wurde, hatte ich eine weiße Barriere wahrgenommen, die für wenige Sekunden auf glimmte, bevor sie das Wasser zurückwarf. Hat Aria etwa einen teilweise unsichtbaren Schutzwall aus Wind um sich herum gebildet?
Ohne sie weiter anzugreifen, starre ich auf die Barriere, die nun immer sichtbarer wird. Jedes Mal, wenn einer von Rubys Feuerbällen auf die Barriere trifft, wir ein weiteres Stück sichtbar und der Ball wird stärker zurückgeschleudert, wenn man eine Stelle zweimal trifft. Mit der Zeit muss nicht mehr Aria ausweichen, sondern Ruby, woraufhin Aria den Triumph in ihrem Gesicht nicht mehr verstecken kann. Ich selbst bin aber einfach nur sprachlos. Das ist total faszinierend. Kann ich sowas auch? Auch der Wind um Aria herum beginnt stärker zu pusten und an uns zu ziehen.
Plötzlich räuspert sich jemand hinter uns und beginnt mit einer mir unbekannten weiblichen Stimme zu sprechen: "Da scheine ich ja genau im richtigen Moment hier eingetroffen zu sein!"
Wir alle richten unsere Blicke im selben Moment auf die unbekannte Person hinter uns und nicht nur mir stockt der Atem.
Dort steht ein Mädchen etwa im selben Alter wie die anderen Erbinnen und ich selbst. Sie hat ihr schwarzes Haar zu vielen kleinen Zöpfen geflochten, die sie ein wenig wie Medusa aussehen lassen. Ihre Haut ist hell und ihre Augen sind braun wie die Erde unter meinen Füßen, aus der das helle Gras sprießt. Sie trägt einen schwarzen Pulli, der von einer braun-gelben Strickjacke ein Stück weit verdeckt wird. Auch ihre Hose ist schwarz und ihre Füße stecken in dunklen Lederstiefeln. Über ihre Schulter hat sie einen alten Sack geworfen, der mit einigen Sachen vollgestopft zu sein scheint.
"Wer bist du?", frage ich, da ich selbst mich als erste fange, während Aria, Hilley und Ruby das Mädchen weiterhin nur anstarren. Miles hingegen scheint sich jedoch gar nicht für sie zu interessieren. Er starrt nur durch die Landschaft.
"Ich bin Sarah Montgomery", stellt sie sich vor, woraufhin Hilley nach Luft schnappt: "Und ich bin deine Schwester, Stella!"
Mir stockt der Atem und das Herz springt mir fast aus der Brust, während sich in meinem Hals ein großer Kloß bildet. Kann es wirklich möglich sein, dass das Mädchen dort meine Schwester ist?
Uh, das letzte Kapitel! Einerseits ein schönes Gefühl und andererseits ein ziemlich beklemmendes. Jetzt kommen noch ein paar Sachen und dann fange ich den zweiten Teil an ;-)