Noch ein wenig müde machte sich Steppi daran, seine Sitzbank im Bus bequem einzurichten. Extra dafür hatte er sich Kissen angeschafft, schlafen wollte er schließlich bequem. Allerdings war es mit seiner Größe nicht einfach, auf einer kleinen Sitzbank eine angenehme Position zu finden. Er wälzte sich herum, drehte sich um 180 Grad, den Kopf in den Gang hinein, dann wieder zurück zum Fenster. Heute wollte er irgendwie keine bequeme Position finden. Davon schlecht gelaunt klopfte er gerade sein Kissen auf, als sich Niklas, der eine Reihe vor ihm saß, zu ihm nach hinten beugte.
„Hej, sag mal, wie geht’s Julia?“, fragte er leise. Niklas senkte absichtlich die Lautstärke, denn niemand sonst wusste von Steppis neuer Beziehung und das wäre erfahrungsgemäß das Gesprächsthema im Bus.
„Okay, denke ich. Sie hat eine Plan so sie macht weiter und wir sind immer noch zusammen. Aber es gibt ein Problem mit ihr Geld und ich habe gesagt, dass sie kann zu mir ziehen, das würde alles lösen. Ich weiß dass es ist sehr früh, aber es ist eben ein besondere Situation. Ich hoffe dass sie sagt ja wenn wir wieder zu Hause sind“, erzählte Steppi ebenso leise.
„Mh“, machte Niklas, „also es ist wirklich sehr früh aber wenn es nicht anders geht, dann ist das so. Ich hoffe, dass sie wird sagen ja zu dir.“
Steppi lächelte und wollte sich gerade bequem hinlegen, als Steinis Kopf hinter Steppis Lehne auftauchte. Steini hatte ein schiefes Grinsen aufgesetzt und das Funkeln in seine Augen verriet, dass er etwas gehört hatte.
„Welche sie sagt zu Steppi ‚ja‘? Haben wir da was nicht mitbekommen?“.
Neugierig wanderte sein Blick zwischen Niklas und Steppi hin und her. Steppi hatte sein Gesicht unter seinen Händen verborgen, aber das rettete ihn nicht vor Steinis Kreuzverhör, das wusste er schon. Niklas hatte sich wieder auf seinen Sitz zurückgezogen, sodass Steini nur noch übrig blieb, Steppi selbst zu löchern.
„Jetzt rück raus mit der Sprache, hast du etwa eine Freundin? Seit wann? Und wen?“.
Selbst Steppis vernichtender Blick schlug Steini nicht in die Flucht, deshalb gab Steppi seufzend nach und hoffte, dass es mit einer kurzen Information erledigt war.
„Ja, ich habe ein Freundin, seit ein paar Tagen erst. Fertig.“
Dann wandte er sein Gesicht Niklas‘ Rückenlehne zu und hoffte, damit seine Ruhe zu haben. Allerdings kannte er Steini besser. Der hing mittlerweile mit seinem Oberkörper halb auf Steppis Sitzbank.
„Echt jetzt, endlich mal? Wer? Kennen wir sie? Ich kann auch gleich zu Lexi gehen, oder zu Andy, vielleicht wissen die ja was...“.
„Oh Gott, bitte nicht Andy, dann ich kann gleich allen erzählen“, stöhnte Steppi und drehte sich mühsam wieder auf den Rücken.
„Ja, ein paar kennen sie. Niklas und Mads und Harry. Sie gibt den beiden gerade Deutschunterricht. Und Lexi habe ich von ihr erzählt.“
Steini grinste breit von einem Ohr zum anderen. „Wenn die sie kennen, kann ich die ja auch ausfragen. Wissen sie eigentlich schon, dass ihr zusammen seid?“.
„Niklas ja“, antwortete Steppi, bereute es aber schon im nächsten Moment, da sich Steini aus seinem Sichtfeld entfernte. Er wusste, dass irgendwo hinten im Bus Mads und Harry saßen und Steppi hatte das ungute Gefühl, dass die beiden sehr bald Bescheid wissen würden.
Weil er nach dem Gespräch so aufgewühlt war, dass er an ausruhen gar nicht mehr denken konnte, griff er nach seinem Handy, das in einem Rucksack im Fußraum steckte, und tippte eine kurze Nachricht an Julia.
Sie mit ihren Entscheidungen für die nächsten Jahre alleine zu lassen machte ihn genau so unglücklich wie sie, deshalb versuchte Steppi wenigstens, so oft es irgendwie ging, sich zu melden. Er hoffte nur, dass das reichte und Julia nicht schon nach vier Tagen genug hatte vom Sportlerleben.
Seinen Gedanken nachhängend hatte er gar nicht bemerkt, dass sich Mads es sich auf der Sitzbank gegenüber bequem gemacht hatte und Harry im Gang stand, mit einem Arm lässig auf Steppis Sitzbank gelehnt.
„Ey, Steppi, stimmt es was Steini sagt? Du und Julia?“, fragte Harry und Steppi schreckte hoch, nur um gleich wieder mit einem genervten Stöhnen in den Sitz zurückzusinken. Natürlich konnte Steini nicht an sich halten, es war schon immer so gewesen. Weil Mads und Harald aber ganz sicher nicht locker lassen würden, so gut kannte er sie mittlerweile, rang er sich zu einer Antwort durch.
„Ja, stimmt. Uns geht’s super, wir sind glücklich, Kinder sind noch keine unterwegs. Sonst noch was?“.
„Aber es ist was ernstes, oder?“, fragte Mads weiter und in einem kleinen Anflug von Eifersucht musste Steppi an seine Anmachen im Unterricht denken. Die hatten offenbar nicht gefruchtet, aber dennoch. „Ja, ich denke schon. Ich nehme das ernst jedenfalls.“
„Tja Mads, dann du hast wohl Pech gehabt“, grinste Harry und Mads ließ den Kopf hängen, grinste aber.
„Das nächste Mädchen kommt“, meinte er nur und Steppi war ganz froh, dass Mads anscheinend kein richtiges Interesse an Julia hatte.
„Aber weißt du was toll ist? Wir sehen Julia am Dienstag so wir können sie die ganze Unterricht ärgern.“
Die beiden gaben sich mit breitem Grinsen ein Highfive und Steppi nahm sich fest vor, Julia davor zu warnen. Er wusste nicht, wie das ‚Ärgern‘ aussehen würde, aber er hoffte, dass er sie nicht trösten musste.
Weil Mads und Harald mittlerweile dazu übergegangen waren, Knutschgeräusche zu machen, lehnte sich Steppi auf seine Sitzbank zurück und ersparte sich den Anblick, indem er sein Kissen über Gesicht und vor allem über die Ohren zog. War er vor zwei Jahren auch so kindisch gewesen? Immerhin lagen zwischen ihm und Harry nur gut zwei Jahre, Mads war nur ein Jahr jünger als er. Hoffentlich musste Julia nicht auch solche Kindereien ertragen. Obwohl er das dumpfe Gefühl hatte, dass sie bei den beiden besser durchgreifen würde als er gerade. Eine Berührung an seinem Knie bewegte ihn dazu, das Kissen zur Seite zu nehmen. Mittlerweile hatte sich Uwe zu den beiden Neuen gesellt und fixierte sie mit hochgezogenen Augenbrauen und verschränkten Armen. Dass Steppi auftauchte, registrierte er nur kurz im Augenwinkel.
„Ah, Steppi, was ist hier eigentlich los? Die faseln nur wild durcheinander und halb in ihrer Muttersprache, ich bin überfordert.“
„Die machen sich lustig über mich. Ich hab ein Freundin seit ein paar Tage und sie kennen sich und… ja.“
„Sie ist unser Lehrerin“, fügte Harry hinzu und die Bewegung, mit der er das Wort Lehrerin in Anführungszeichen setzte, ließ Steppi wiederum genervt stöhnen. Nein, derart kindisch war er noch nie gewesen, und vor zwei Jahren auch nicht.
Uwe runzelte immer noch die Stirn, aber langsam schien er zu begreifen. „Ah, von dem Deutschkurs, oder? Na dann. Schert euch, Jungs, Steppi hat genug zu tun. Frauen sind anstrengend, glaubt das eurem Captain. Und jetzt husch.“
Da Uwe trotz seinem kumpelhaften Verhältnis zu allen als Captain noch eine gewisse Autorität hatte, verschwanden Mads und Harald ohne Widerworte, aber mit breiten Grinsen auf den Gesichtern.
„Danke, Uwe“, seufzte Steppi, aber sein Kollege winkte ab.
„Kein Ding. Und Glückwunsch übrigens, wenn ich das so sagen darf.“
Steppi hob die Schultern. „Ich denke schon, danke. Es ist was ernstes, glaube ich. Ich freue mich sehr.“
Uwe klopfte ihm auf die Schulter. „Das ist klasse für dich. Allerdings befürchte ich, dass dich die beiden noch eine ganze Weile damit aufziehen werden, von den älteren Jungs will ich gar nicht reden. Du solltest dir ein dickeres Fell zulegen, wenn dich die beiden schon nerven.“
„Ja, vielleicht hast du Recht. Ich hoffe dass es dauert nicht sehr lange.“
„Sorge dafür, dass einer von den Pimpfen auch eine Freundin kriegt, dann stürzen sich alle auf ihn“, schlug Uwe vor, „aber was anderes, willst du vor zu Johnny und mir, Karten spielen? Wenn du beschäftigt bist, wirst du vielleicht in Ruhe gelassen, zumindest auf der Fahrt.“
„Nein danke. Eigentlich ich wollte schlafen bevor Mads und Harald da waren, so eigentlich ich bin müde“, winkte Steppi ab und unterdrückte wie zum Beweis ein Gähnen. Mittlerweile war er wirklich müde und das stetige Ruckeln der Räder auf der Autobahn gab sein Übriges dazu.
„Alles klar. Aber wenn du Hilfe brauchst, kannst du immer zu Johnny und mir flüchten, das weißt du ja jetzt.“
Ohne ein danke abzuwarten machte sich Uwe wieder auf den Weg nach vorne zu seinem Platz und Steppi lehnte sich, nun endlich wieder etwas entspannter, in sein Kissen zurück.
Schon leicht schläfrig griff er nach seinem Handy und sah, dass er eine Nachricht von Julia erhalten hatte.
Ich vermisse dich, Steppi. Ich freue mich schon so auf Sonntag, ich kann es kaum abwarten, dich wieder zu sehen.
Die Traurigkeit, die in diesen Worten lag, versetzte ihm einen kleinen Stich ins Herz und er tippte noch eine tröstende Antwort, bevor er das Handy wieder wegpackte. Die letzten Gedanken, bevor er schließlich einnickte, galten Julia. Er vermisste sie genau so wie sie ihn. Gleichzeitig hoffte er aber, dass sie sich davon dazu bewegen ließ, mit ihm zusammen zu ziehen. Zwischen ihnen würde das schon irgendwie klappen und so viele Dinge wären dann einfacher, dass Steppi schon gar keine Gegenargumente mehr dafür einfielen. Vielleicht war das aber auch der Müdigkeit geschuldet, die ihren Tribut forderte und ihn langsam einschlafen ließ.