Silvester war für Steppi zu einer Familienfeier ausgeartet. Seine Schwester samt Ehemann und der beiden Töchter waren zu Besuch gekommen und so wurde aus der kleinen Feier eine nicht mehr ganz so kleine. So lernte Julia auch Steppis Nichten kennen, die nach anfänglichen Kommunikationsschwierigkeiten begeistert von ihr waren und sie nicht mehr los ließen.
Es gab ein großes Festessen, viel Musik und viel Feuerwerk, bis sich alle voneinander verabschiedeten und ins Bett fielen. Bis Julia und Steppi endgültig eingeschlafen waren, ging die Sonne bereits wieder auf und sie verschliefen den Tag bis in den späten Nachmittag.
In den nächsten Tagen verbrachten Steppi und Julia ihre Teage außerhalb, sie machten Reitausflüge, Bootsausflüge, gingen essen und trinken und Abends verbrachten sie die Zeit mit Steppis Eltern, manchmal auch mit Eivor und den Kindern. Die Tage gingen viel zu schnell vorbei, sodass Julia schon bald wieder abreisen musste. Das Semester begann bald wieder. Der letzte gemeinsame Abend wurde mit einem großen Familienessen gefeiert, zu dem noch einmal alle zusammenkamen.
Am nächsten Morgen allerdings waren Steppi und Julia alleine, denn es war ein Werktag und alle anderen Familienmitglieder mussten arbeiten.
Steppi war so leise wie möglich früher aufgestanden, um ein Frühstück für sich und Julia vorzubereiten. Er hatte bereits Kaffee gekocht und war gerade dabei, Brötchen aufzuschneiden, als Julia in die Küche kam. Sie sah noch ein bisschen zerzaust und müde aus.
„Guten Morgen Steppi, was machst du da?“, nuschelte sie und kuschelte sich mit verschlafenem Gähnen an ihren Freund.
„Frühstück für uns, eigentlich ich wollte es dir ans Bett bringen. Aber wenn du da bist, wir können auch in der Küche frühstücken, oder?“.
„Ja. Ich richte den Tisch.“
Nach ein paar Tagen schon kannte Julia den Standort zumindest von den meisten Gegenständen in der Küche, deshalb fiel ihr Tischdecken nicht schwer. Sie entdeckte, dass der Kaffee schon durchgelaufen war, deshalb stellte sie die Kanne gleich mit auf den Tisch.
Steppi hatte währenddessen das Essen auf den Tisch gestellt und die beiden setzten sich. Schon der erste Schluck Kaffee weckte in Julia leise ihre Lebensgeister. Sie griff nach einem Brötchen und lächelte Steppi zu, der sie gerade beobachtete und sich dann selbst Kaffe einschenkte.
„Wie hat es dir gefallen hier?“, fragte er.
„Gut, wirklich. Ich werde deine Familie vermissen. Mir ist es zwar ein bisschen zu kalt auf Island, aber die Landschaft ist trotzdem irgendwie toll. Ich möchte nur nochmal im Sommer herkommen um alles ohne Schnee zu sehen.“
„Das können wir machen.“
Julia lächelte wieder und widmete sich erst einmal ihrem Brötchen. Nach einigen Minuten Stille war sie gedanklich schon fast zu Hause.
„Wann müssen wir denn losfahren, damit ich den Flug noch rechtzeitig bekomme?“.
Steppi warf sicherheitshalber einen Blick auf die Uhr.
„So in 45 Minuten spätestens“, gab er dann zur Antwort.
Nach dem Frühstück trug Steppi die am Vorabend gepackten Koffer in den Hausgang, während Julia sich im Bad fertig machte. Während sie sich schminkte, musste sie ein paar Tränen zurückhalten. Sie hätte gerne noch länger Urlaub gemacht, aber vor allem hätte sie gerne noch länger Zeit verbracht mit Steppi. Die paar Tage Urlaub hier auf Island hatten sie beide genossen, sie hatten wahnsinnig viel geredet und er hatte ihr viel von seinem Zuhause gezeigt.
Julia hatte das Gefühl, dass sie sich die letzten Tage noch einmal ein Stück näher gekommen waren und deshalb schmerzte es sie umso mehr, jetzt zurück nach Deutschland fliegen zu müssen.
Nur ein Trost blieb, sie würde viel Zeit mit Liv verbringen. Die war ebenso alleine wie Julia über die WM-Zeit, also hatten sie sich zum gemeinsamen Schauen verabredet.
Als Julia dann fertig war, packte sie noch die letzten Sachen in den Koffer und hatte damit die 45 Minuten ziemlich gut getroffen. Wehleidig seufzend schlüpfte sie in ihre Jacke und folgte Steppi nach draußen.
Der hatte inzwischen die Koffer schon verstaut, dann kam er zu Julia und nahm sie in den Arm.
„Ich werde dich auch vermissen“, nuschelte er leise.
„In zwei Wochen bist du ja schon wieder da“, tröstete Julia sie beide und auch Steppi seufzte.
„Ja. Komm, wir müssen fahren. Am Flughafen haben wir noch eine Moment Zeit für uns.“
Julia warf noch einen letzten Blick auf das Haus, bevor sie einstieg.
„Du sagst allen nochmal liebe Grüße von mir, oder?“.
„Klar. Vielleicht sie könne uns auch bald besuchen kommen in Deutschland so es ist nicht mehr so lange, bis wir uns wiedersehen. Sei nicht traurig.“
Steppi nahm eine Hand vom Steuer und legte sie auf Julias Hände in ihrem Schoß, er hoffte, sie so zu trösten. Julia klammerte sich an seine Finger. Ein leichter Tränenschleier legte sich über ihre Augen. Deshalb hasste sie Abschiede so, sie weinte sehr schnell.
Die Autofahrt wurde nur von wenig anderen Autos begleitet. Die Meisten hatten wohl noch Urlaub oder waren schon auf der Arbeit, die Landstraße nach Keflavik war wie leergefegt. Das kam Steppi sehr gelegen, denn so konnte er eine Hand für Julia entbehren, das Autofahren war nicht anstrengend.
Selbst der Flughafenparkplatz war relativ spärlich besucht, viele Parkplätze waren noch frei. Steppi hievte den Koffer aus dem Kofferaum, dann legte er einen Arm um Julias Schultern und sie liefen zum Check-in.
Dank Steinunns Beruf als Flugbegleiterin hatte er schon viel Erfahrung sammeln können bevor er im Handball international spielte, deshalb übernahm er die Gespräche soweit er konnte.
Sie gaben das Gepäck ab, dann machten es sich die beiden auf einer der unzähligen gepolsterten Bänke bequem, die den Flughafenbesuchern zur Verfügung standen. Immer noch hatte Steppi einen Arm um Julia gelegt uns die kuschelte sich mit trauriger Mine an seine Schulter. Sie hatten die Hände verschränkt.
„Du fehlst mir jetzt schon“, seufzte Julia irgendwann und kuschelte sich noch ein bisschen enger an Steppi.
„Du mir auch. Aber bald ich bin wieder da, und du wirst mich im Fernseher sehen, oder?“.
„Natürlich schaue ich die Spiele! Ich habe mich schon mit Liv verabredet, bevor wir geflogen sind, wir werden alle Spiele gemeinsam schauen, die für uns interessant sind. Also Deutschland, Dänemark und Island.“
„Siehst du“, grinste Steppi, „du siehst mich, aber ich dich nicht. Ich kann nur jede Tag an dich denken. Ich hoffe, dass das ist genug und ich sterbe nicht an Herzschmerzen.“
Obwohl Julia eher nach weinen zumute war, musste sie grinsen.
„Bitte nicht sterben, Steppi, ich melde mich auch jeden Tag. Ich will nie mehr verlieren, hörst du?“.
Sie streckte sich ein wenig, um Steppis Lippen erreichen zu können und bedeckte dann seine Lippen mit ihren. Der Kuss war gerade deshalb so gut, weil es einer der letzten für viele Tage sein würde.
Steppi löste seine Hand von ihrem Schoß und streichelte ihr über die Wange.
„Du verlierst mich nicht. Ich liebe dich.“
Julia lächelte. Das Blau von Steppis Augen machte seinen Blick noch viel intensiver, sodass sie eine Gänsehaut davon bekam. Sie konnte es nicht anders ausdrücken, gerade fühlte sie sich wahnsinnig geliebt und glücklich. Steppi küsste sie noch einmal, dann richtete er sich auf.
„Ich glaube dass sie haben gerade deinen Flug durchgesagt. Vielleicht sie wiederholen es noch einmal, warte.“
Julia spitzte konzentriert die Ohren und versuchte dabei, den Trubel um sie herum auszublenden. Die nächste Ansage kam und Julia verstand tatsächlich, dass die Gäste ihres Fluges gebeten wurden, sich einzufinden.
„Keflavik- Frankfurt, du hast Recht, das ist meiner“, seufzte sie.
Die Durchsage machte den Abschied so greifbar.
„Lass uns aufstehen, sonst verpasst du alles“, meinte Steppi mit sanfter Stimme, nahm Julia an die Hand und zog sie sanft von der Bank.
Sie schlängelten sich gemeinsam zum durchgesagten Gate, wo auch schon Leute herumsaßen und warteten. Steppi wollte die Verabschiedung kurz halten, auch weil er dann selber weniger litt. Er fasste Julia an beiden Händen und küsste sie auf die Stirn.
„Ich liebe dich. Und ich freue mich wenn ich bin wieder bei dir. Melde dich, wenn du bist gelandet, ja?“.
Julia nickte und schluckte einen Kloß hinunter, der sich in ihrem Hals gebildet hatte. Sie hatte sich vorgenommen, nicht zu weinen.
„Und grüße Liv von mir. Wenn wir wieder in Deutschland sind wir machen mal wieder ein Party zu viert, versprochen.“
Das entlockte Julia sogar ein zaghaftes Lächeln. Über die Zeit nach der Trennung nachzudenken machte sie gerade weniger schlimm.
„Mach ich. Danke für die schöne Zeit, Steppi, es war wirklich schön. Ich hoffe, dass wir Island bald mal wieder besuchen. Und ich wünsche dir natürlich viel Glück bei den Spielen, ja?“.
Steppi umarmte Julia fest.
„Danke. Es ist viel für mich dass es dir alles gefallen hat und dass du mir Glück wünschst. Ich werde jeden Tag an dich denken, versprochen.“
„Ich auch an dich“, beeilte sich Julia zu sagen, dann wurden die Passagiere im Gate zum Bereitmachen aufgerufen.
Steppi gab Julia einen kurzen, eiligen Kuss.
„Guten Flug, bis später.“
Als Julia durch das Gate ging, drehte sie sich noch ein letztes Mal um und lächelte Steppi zu, der mit verschränkten Armen draußen wartete. Sie winkte ihm ein mal kurz, dann begab sie sich in die Schlange, die sich vor der Treppe gebildet hatte.
Steppi wartete noch, bis Julia ganz verschwunden war, dann wandte er sich zum Gehen. Er hoffte, dass sich die Zeit nicht allzu sehr ziehen würde, bis sie sich wiedersehen konnten. Die letzten freien Tage vor dem Trainingslager hatte er bereits verplant.