Steppi lehnte sich auf seinem Stuhl zurück und beobachtete die Menschen, die das Café außer ihm noch besuchten. Die meisten waren zu zweit hier und es waren entweder Pärchen oder Freundinnen, die sich zum Reden trafen, urteilte er. Auch Steppi würde gleich noch Gesellschaft bekommen, er hatte sich mit einem alten Freund und dessen Cousine verabredet. Genau genommen nur mit seinem alten Schulfreund, aber das übersah Steppi großzügig.
Aron und Lilja, beide in dicke Mäntel und Mützen gehüllt, betraten das Café und blickten sich suchend um. Steppi hob den Arm.
”Palmarsson, hier drüben!”, rief er dabei und die beiden wandten sich ihm zu.
Mit einem Kopfnicken gab Aron zu verstehen, dass er ihn gesehen hatte, dann schlängelten sie sich um die anderen Tische herum bis hin zu dem Tisch, an dem Steppi bereits saß.
Er umarmte die beiden zur Begrüßung und während sie ihre Jacken auszogen konnte er nicht umhin zu bemerken, dass Lilja aufreizend angezogen war. Ihr dunkelblaues Wollkleid hatte einen sehr tiefen Ausschnitt und betonte gleichzeitig ihre schlanke Figur.
”Erzähl, was gibt es Neues bei dir?”, eröffnete Aron das Gespräch und nach einer kleinen Unterbrechung durch die Kellnerin, die ihnen die Getränkebestellung abnahm, begann Steppi zu erzählen.
Die meisten Neuigkeiten drehten sich um Julia und sie endeten damit, dass sie bis vor ein paar Stunden noch hier gewesen war.
Während Aron sich zu freuen schien, dass Steppi endlich einmal vergeben war, verriet Liljas Gesichtsausdruck Skepsis.
”Ihr seid jetzt schon zusammengezogen, wie lange seid ihr nochmal zusammen? Doch noch nicht so lange, oder?”.
”Nur ein paar Monate, aber es ging nicht anders. Bisher klappt es eigentlich auch ganz gut und meine Eltern mögen sie auch.”
Steppi spürte, wie sich sein breites Grinsen langsam festsetzte, wenn er nur an Julia dachte. Lilja entschuldigte sich für einen kurzen Toilettengang und kaum war sie außer Hörweite, seufzte Aron vernehmlich.
”Das ist nicht das, was sie hören will”, meinte er, verschränkte die Arme hinter seinem Kopf und lehnte sich zurück.
”Wie, was meinst du?”, fragte Steppi verwirrt nach und entlockte Aron damit ein kurzes Lachen.
”Du weißt doch, dass sie auf dich steht, immer noch übrigens. Ihr passt es gar nicht, dass du eine Freundin hast, glaube mir. Aber was anderes, also früh zusammengezogen seid ihr schon?”.
”Ja”, antwortete Steppi gedehnt, ”aber es war eben die einfachste Lösung. Ich denke schon, dass es bisher klappt und wenn nicht weiß ich wenigstens früh, dass eine ernste Beziehung nicht funktioniert. Zusammenziehen sollte man sowieso irgendwann mal.”
Aron schmunzelte. ”Ja, sollte man. Na gut, ich gönne dir das Glück, du scheinst sehr verliebt zu sein. Wenn was ist kannst du aber immer zu mir kommen, okay?”.
”Klar, ist gut. Aber jetzt lass uns über positive Dinge reden. Wie geht es deiner Schwester und deinen Eltern?”.
Bevor Aron mehr als ”okay” sagen konnte, war Lilja wieder von der Toilette zurück und das Gespräch erstarb.
Steppi versuchte, Lilja möglichst unauffällig zu mustern. Dass sie ihn mochte war wirklich kein Geheimnis, aber er hatte sie so oft abgelehnt in der Vergangenheit, dass er nicht geglaubt hatte, dass sie es immer noch versuchen wollte. Lilja hingegen strahlte ihn an. Steppi meinte sogar, jetzt deutlicher den Parfümgeruch wahrzunehmen, der vorhin nur ganz leicht in der Luft gelegen hatte.
”Du hast ezählt, deine Freundin war hier, hast du ihr denn ein paar Sachen gezeigt? Mag sie Island überhaupt? Ich meine, die Deutschen hassen sowieso alle Ausländer, das weiß man ja.”
Von der Aussage verärgert runzelte Steppi die Stirn. ”Das ist Quatsch. Ja sie fand die Sache mit den Elfen ein wenig komisch, aber Ausländer hassen? Das tut sie ganz sicher nicht, das glaubst du mir mal.”
Lilja rümpfte die Nase. Sie konnte es immer noch nicht so richtig fassen, dass Steppi nach all den Jahren eine Freundin hatte. Dass er sie mehrmals abgewiesen hatte, war schlimm genug, aber erträglich, solange es keine andere Frau bei ihm schaffen konnte. Jetzt hatte dieses Mädchen allerdings die Linie überschritten. Lilja fühlte sich herausgefordert und sie hatte nicht vor, diesen Kampf zu verlieren.
Aron hingegen war der Gesprächsverlauf peinlich und er versuchte mit Infos aus seiner Familie, nach denen Steppi ja gefragt hatte, das Gespräch wieder in eine andere Richtung zu lenken. Zu seiner Erleichterung schwieg Lilja zu dem Thema, aber Aron war sich nicht sicher, ob es damit schon erledigt war.
Zur Freude der Jungs verlief auch die zweite Runde Gespräch und Getränke ohne eine Zwischenfrage von Lilja, die Steppis Beziehung betraf. Auch Steppi war das nicht ganz geheuer, aber er beschloss, es einfach zu verdrängen.
Als die Getränke schon fast ausgetrunken waren, lehnte sich Aron zurück und streckte sich. Langes Sitzen versteifte seine Glieder und machten die Vorfreue auf das Training morgen noch größer.
”Wie kommst du morgen nach Rejkjavik? Ich fahre heute Abend schon und schlafe bei meinen Eltern, willst du mit? Ein Gästezimmer ist noch da”, fragte er dann.
”Danke, aber ich habe mit Steinunn verabredet, dass sie mich fährt, sie muss wieder fliegen gehen. Wenn ich ihr das jetzt absage, wäre sie wohl zurecht sauer. Also nein.”
”Schade”, brummte Aron, aber er verstand Steppis Einwände.
Arons Frage hatte eine Aufbruchsstimmung eingeleitet, und so zahlten sie ihre Getränke und erhoben sich allmählich von ihren Plätzen.
Vor dem Restaurant verabschiedete sich Aron von seiner Cousine und von Steppi. ”Pass auf meine Cousine auf”, raunte er ihm bei der Verabschiedung so leise ins Ohr, dass es Lilja unmöglich hören konnte.
”Wo wohnst du denn?”, fragte Steppi, nachdem Aron sich schon einige Meter entfernt hatte.
”In der Dverghella”, antwortete Lilja und Steppi achte an Arons Satz, den er ihm eben gerade ins Ohr geflüstert hatte. Vielleicht hatte er das ja gemeint.
”Oh, ich wohne um die Ecke, dann kann ich dich ja nach Hause begleiten”, bot er an und Lilja nickte, in ihrem Gesicht ein strahlendes Lächeln.
Sie hakte sich bei ihm unter und ließ sich führen. Wenn er sie schon nach Hause brachte, wollte sie unbedingt wissen, wie weit sie gehen konnte.
Schon nach den ersten Schritten startete sie ihren Test.
”Sag mal, bist du denn glücklich mit deiner Freundin? Ich meine, ihr habt ja die Sprachbarriere und all das… eine völlig andere Kultur.”
”Natürlich bin ich glücklich! Die Sprache ist gar kein so großes Hindernis, ich kann ja Deutsch ganz gut. Und im Notfall würde es Englisch ja auch tun. Aber der Rest ist überhaupt kein Problem, wir haben keine großartig unterschiedliche Kultur oder sowas.”
Insgeheim ärgerte sich Steppi schon wieder darüber, dass er auf Aron gehört hatte und Lilja nach Hause begleitete. Die ständigen Sticheleien nervten ihn sehr und er beschleunigte seinen Schritt ein wenig, um schneller an der Dverghella anzukommen.
”Mhm, ich könnte fast wetten, sie ist nur scharf auf den Geld. Was macht sie denn? Also was arbeitet sie?”.
”Sie studiert”, antwortete Steppi knapp.
”Also lebt sie auf deine Kosten? Wie armselig. Jede Wette, wenn du nach Hause kommst hängt sie dir ein Kind an und dann sitzt du richtig tief in der Tinte. So machen das Frauen und dann hast du sie ein Leben lang am Hals.”
Steppi lachte kurz auf. Das alles klang so absurd, dass er sich fragte, woher Lilja ihre blühende Fantasie nahm.
”Hör mal Lilja, dein Engagement in allen Ehren, aber ich glaube, du solltest einfach ruhig sein. Du kennst meine Freundin nicht und du kennst unsere Beziehung nicht, also kannst du auch nicht urteilen, okay?”.
Lilja presste die Lippen aufeinander. Die Beziehung schien gefestigter zu sein, als sie anfangs gedacht hatte, denn Steppis Aussage klang nicht danach, als hätte sie es geschafft, Zweifel zu säen. Vielleicht sollte sie sich auf eine andere Taktik verlassen.
Mittlerweile waren sie allerdings schon fast bei ihr zu Hause angekommen und ihr lief die Zeit davon. Sobald Steppi wieder in Deutschland war, würde es bedeutend schwieriger sein, ihn für sich zu gewinnen.
Sie bogen schon um die letzte Ecke, da entschloss sich Lilja, einfach voll zum Angriff überzugehen.
”Ach Steppi, es ist immer schade um so wunderbare Männer wie dich. Ich meine, sieh dich doch an, du bist sehr attraktiv, sportlich und so unglaublich höflich, sonst hättest du mich nicht nach Hause begleitet. Jemand wie du hat nur die allerbeste Freundin verdient, findest du nicht?”.
Steppi wollte antworten, dass er die ja schon habe, da stoppte Lilja, wandte sich ihm zu und kam ihm gefährlich nahe. Als sie sich auf die Zehenspitzen stellte, schob sie Steppi sanft, aber bestimmt von sich weg.
”Ich glaube, wir sind da, oder? Ich wünsche dir schönen Weihnachtsurlaub, bis demnächst”, verabschiedete sich Steppi und wandte sich zum gehen.
Während Lilja vor Wut die Galle hochkam, seufzte Steppi erleichtert. Er wollte ihre Gefühle nicht verletzen, das passte nicht zu ihm, deshalb war er froh, dass er sie höflich, aber eindeutig hatte abweisen können. Schnellen Schrittes ging er nach Hause, wo überraschenderweise seine Schwester in der Küche stand.
”Hallo Steinunn, was machst du hier?”.
”Bei uns ist der Herd kaputt, weiß der Geier warum, ich koche ein bisschen was vor für meine Lieben. Wo kommst du her? Mama und Papa haben erzählt, du hast dich mit Aron getroffen?”.
”Und mit Lilja”, fügte Steppi hinzu und konnte einen bitteren Unterton in seiner Stimme nicht ganz verberben.
”Oh”, machte Steinunn und grinste, ”na dann war das ja sicher ein ganz tolles Treffen. Hat sie dich mal wieder angegraben?”.
”Wie immer”, seufzte Steppi und brachte seine Schwester damit zum Lachen.
Steinunn klopfte ihm kumpelhaft auf die Schulter.
”Nimm es nicht so schwer, solange du nicht nachgibst kann sie ja tun und lassen, was sie will. Aber ich muss zugeben, hartnäckig ist sie...”.
”Themenwechsel. Kochst du auch für heute Abend oder kannst du mir irgendwas Warmes hinstellen? Wir haben nichts gegessen und ich habe einen riesigen Hunger.”
”Setz dich in die Küche, mein kleiner Lieblingsbruder, ich koche etwas, so wie früher. Hast du dir verdient nach dem anstrengenden Abend.”
Steppi grinste nur und fischte sein Handy aus seiner Jeanstasche um Julia eine SMS zu schreiben. Zu seiner Freude hatte sie sich gemeldet, der Flug war gut verlaufen.
Die Nachricht besserte seine Laune erheblich.