War das letzte oder das erste Bier schlecht? Steppi hätte es nicht mit Gewissheit sagen können. Was er aber sagen konnte war, dass der zwei-Tage-Kurzurlaub bei Aron verdammt gut tat. Weit weg von allem, in Reykjavik, kurz vor Ende der Winterpause hatten sie sich in seiner kleinen Wohnung eingenistet und schon eine beachtliche Menge Bier hinter sich gelassen, nebst Pizza und Tortillas, Arons absolute Schwäche.
Sie hatten es sich in seinen großen Lederohrensesseln gemütlich gemacht und nippten beide etwas angetrunken an einem Bier.
”Man”, lallte Aron, ”Frauen sind echt Mist. Du hast da aber eine ganz besonders Blöde erwischt. Sei froh, dass du sie los bist.”
Steppi brummte zur Bestätigung. ”Nie wieder lass ich mir ein Kind anhängen. Jetzt bin ich richtig froh, dass ich doch noch kein Vater werde.”
”Besser nicht, sonst musst du zahlen.”
Das flaue Gefühl im Magen, das schon eine ganze Weile Steppi begleitete, wuchs langsam, aber stetig zu einer ausgewachsenen Übelkeit heran. Vielleicht war das letzte Bier ja tatsächlich schlecht. Mit einer Hand vor den Mund gepresst erhob er sich langsam aus dem Sessel und wankte richtung Bad. Aron lallte ihm etwas hinterher, aber Steppi war so konzentriert, dass er es nicht verstand. Steppi kniete sich vor die Toilette, öffnete den Deckel und im gleichen Moment überflutete ihn eine Erleichterung, dass er es bis hier hin geschafft hatte. Der Geschmack war zwar unvergleichlich widerlich, viel Galle war dabei, aber danach fühlte sich sein Magen direkt besser. Er hatte eben noch nie sonderlich viel vertragen, da war auch viel Bier nichts für ihn. Noch ein wenig diesig von der plötzlichen Magenentleerung rappelte sich Steppi auf, spülte und schlurfte zurück ins Wohnzimmer. Dort wusste er dann auch, warum Aron zu seinen engsten Freunden gehörte.
„Ich hab dir Cola eingeschenkt, kannst du gebrauchen, oder?“, begrüßte er ihn und wies auf ein Glas mit brauner Flüssigkeit inmitten all der Bierflaschen.
„Und wie“, seufzte Steppi und leerte das Glas in einem Zug.
Der eklige Gallengeschmack war verschwunden und Steppi fühlte sich wieder einigermaßen fit.
Steppi hatte es sich gerade wieder im Sessel bequem gemacht, da klingelte es an der Haustür.
„Würdest du? Du bist fitter“, lallte Aron merklich. Steppi nickte und stand auf, dabei fragte er sich, wer jetzt wohl bei Aron klingeln mochte.
An der Tür stand Lilja und den beiden war die Überraschung ins Gesicht geschrieben.
„Oh Steppi, damit habe ich nicht gerechnet. Ist Aron etwa nicht da?“.
„Doch, ich besuche ihn. Komm rein“, brachte Steppi hervor und während er hinter Lilja die Tür wieder schloss, ließ er das unangenehme Gefühl wirken, dass sich bei ihm eingestellt hatte. Liljas Worte erinnerten ihn noch zu sehr an die Trennung und das tat weh.
Steppi ging ins Wohnzimmer, wo Lilja sich bei Aron gerade über den Haufen an Bierflaschen beschwerte.
„Wenigstens hab ich nicht gekotzt“, lallte Aron, „außerdem hat Steppi Liebeskummer und da muss man mal trinken.“
Lilja wandte sich Steppi zu. Dass Aron betrunken Mist erzählen konnte, war ihr klar, aber hatte sie gerade wirklich richtig gehört? Steppi war getrennt?
„Oh nein, wirklich? Was ist passiert? Hat die blöde Kuh Schluss gemacht? Oder willst du gar nicht drüber reden?“.
Steppi wog das Angebot ab, darüber nicht zu reden. Aber eigentlich sprach außer seinem gebrochenen Herzen nichts dafür. Vielleicht würde es ihm gut tun.
„Doch, ist okay. Sie hat nicht Schluss gemacht, ich habe Schluss gemacht. Sie wollte mir tatsächlich ein Kind unterschieben, kannst du dir das vorstellen? Nein, Moment, du kannst ja..sorry.“
Lilja grinste, weil Steppi eingefallen war, dass sie ihn ja darauf hingewiesen hatte, aber dann setzte sie wieder eine Mitleidige Miene auf. Sie tätschelte Steppi am Arm.
„Solange sie dich nicht zahlen lässt, sei froh, dass du die Frau los bist. Ich dachte mir schon, dass die Deutschen in dir nur den Star sehen, du solltest dich eben doch auf Isländerinnen beschränken. Vor allem die, die dich schon länger kennen.“
Sie zwinkerte und entlockte Steppi damit tatsächlich ein kleines Lächeln.
„Ja, du hast Recht. Jetzt bin ich erst mal froh, keine zu haben und irgendwann kommt schon wieder jemand.“
Lilja lächelte geheimnisvoll. Die Aussage war für sie mehr Herausforderung als Enttäuschung, jetzt könnte sie Steppi endlich für sich haben, wenn sie es nur geschickt genug anstellte.
Steppi bot Lilja seinen Sitzplatz, den einzigen noch freien, an und sie unterhielten sich eine Weile, Steppi hatte sich auf die Sessellehne gesetzt. Schließlich wurden sie aber von einem lauten Aufschnarchen unterbrochen und stutzten beide. Aron hatte sich in seinem Sessel zusammengerollt und schnarchte vor sich hin. Sie hatten ihn beide total vergessen und schmunzelten sich deshalb zu.
„Was meinst du, wir tragen Aron ins Bett und dann unterhalten wir uns weiter? Dann haben wir auch zwei bequeme Sitzplätze“, schlug Lilja vor und Steppi nickte bestätigend.
„Ich nehme den Oberkörper, du die Beine.“
Es war umständlich, den großen Handballer verletzungsfrei durch eine schmal geschnittene Wohnung zu bugsieren, aber schließlich schafften sie es, dass Aron teilweise entkleidet im Bett lag und dabei nicht aufgewacht war.
Erleichtert atmeten sie aus, dann machten sie es sich wieder im Wohnzimmer gemütlich, dieses mal saß Steppi auf Arons Sessel.
„Warum bist du eigentlich zu Aron gekommen? War es wichtig?“, wollte Steppi wissen.
„Nein, eigentlich wollte ich nur einfach mal so vorbeikommen, ab und zu mache ich das. Dass du da bist war dann eine schöne Überraschung. Bist du hier wegen der Trennung, ist das ein Frustsaufen?“.
„Ja, irgendwie schon“, seufzte Steppi und dachte mit Kopfweh an die vielen vernichteten Biere der letzten Stunden, „ich musste einfach mal ein bisschen raus, ein bisschen den Kopf frei kriegen, bevor die Rückrunde wieder anfängt, und auch mal raus aus unserer Wohnung.“
Lilja stand auf, setzte sich auf Steppis Lehne und streichelte im tröstend über die Schulter.
„Das kann ich verstehen, das muss ein Schock für dich gewesen sein. Wenn ich irgendwas für dich tun kann, dann musst du es mir nur sagen. Ich würde es schön finden, wenn du wieder Grund hast zum Lachen und nicht zum weinen.“
Dankbar lächelte Steppi zu Lilja hoch. Er war froh, in solchen Zeiten so viel Rückhalt zu haben, auf den er zählen konnte, und ihre Worte taten seiner verletzten Seele unglaublich gut.
„Im Moment fällt mich nichts konkretes ein, aber vielen Dank für dein Angebot, ich bin wirklich froh, dass du mir das gesagt hast. Danke, Lilja.“
Lilja grinste triumphierend, sie spürte, dass jetzt ein guter Moment war, Steppi schien weich zu sein.
Sie rutschte, das Gesicht ihm zugewandt, auf seinen Schoß, sodass nur noch wenige Zentimeter zwischen ihren Lippen waren.
„Ich könnte dich auch einfach nur ablenken. Einfach so, ohne Verpflichtung. Damit du wieder andere, schöne Dinge erlebst. Was meinst du, mh?“.
Steppi war im ersten Moment wie paralysiert. Obwohl er Lilja nie beachtet hatte, konnte er nicht leugnen, dass gerade eine sehr hübsche Frau auf seinem Schoß saß und ihm eindeutige Angebote machte. Eigentlich war es Steppi zu billig, darauf einzugehen, aber der Frust wischte eine Menge Bedenken beiseite. Bereitwillig ließ er sich seine Hände auf ihren Po legen und packte zu.
Lilja jubelte innerlich. Seine Reaktion war der Beweis dafür, dass sie ihn richtig eingeschätzt hatte. Sie lächelte leicht, dann beugte sie sich ein wenig vor. Nur Millimeter trennten ihre Lippen noch voneinander, die Nasen berührten sich bereits.
„Küss mich, Steppi. Heute Nacht gehöre ich nur dir“, hauchte sie.
Begierig verschloss Steppi ihre Lippen mit seinen. Lilja schmeckte süß, vielleicht nach Erdbeere und Steppi spürte ihren ganzen Körper, der sich an seinen presste, ihre Hände, die seinen Körper erkundeten.
In diesem Moment waren all seine Bedenken vergessen. Gierig tippte er mit der Zungenspitze gegen Liljas Lippen, um Einlass zu erbitten, gleichzeitig wanderte eine Hand ihre Wirbelsäule hinauf, um sie im Nacken zu streicheln. Lilja gewährte ihm den Einlass und bewegte dabei ihr Becken sanft vor und zurück, immer wieder. Sie spürte bereits durch die Hose, dass sie damit Erfolg hatte. Heute Nacht würde Steppi ihr gehören und dann konnte sie sich endlich endgültig an ihn heften, wie sie es schon so viele Jahre lang vorgehabt hatte.
Inzwischen hatte sich Steppi mit seinen Lippen an ihrem Hals festgesaugt. In sich hinein lächelnd ließ sie ihn gewähren, eine Souvenir von heute Nacht, oder vielleicht sogar noch mehrere, dagegen hätte sie nichts. Sie beugte den Kopf noch ein bisschen mehr zur Seite, um den Hals noch mehr zu entblösen, eine Einladung für Steppi.
Ihm war mittlerweile jedoch alles egal. Ihm war egal, wie billig Lilja eigentlich war, ihm war egal, dass er eigentlich überhaupt keine Lust hatte auf irgend eine Frau. Ihm war egal, dass er Lilja gerade benutzte, sie hatte sich ihm ja angeboten. Und vor allem war ihm egal, dass er kaum 24 Stunden vorher noch eine Freundin gehabt hatte, der er das Herz gebrochen hatte. Die Frauenwelt war gemein genug, jetzt konnte er sie wenigstens ein mal genau so behandeln wie sie ihn die ganze Zeit behandelt hatte.
„Aron hat noch ein Gästeschlafzimmer. Da ist es bequemer“, raunte er, die Lippen immer noch an ihrem Hals.
„Dann machen wir da weiter“, stimmte Lilja zu. Steppi stand auf und ging mit Lilja in den Armen ins Gästezimmer. Für ihn war es zum Glück kein Problem, die zierliche junge Frau zu tragen.
Dort ließ er sie so sanft wie möglich in die Laken gleiten. Lilja streichelte ihm glücksselig über die Wange.
„Ich liebe dich, Steppi“, raunte sie, dann wurden ihre Lippen mit einem weiteren Kuss verschlossen.