Julia und insgeheim auch Steppi waren beide erleichtert, dass der Urlaub hauptsächlich aus sight-seeing bestanden hatte, man war schließlich nicht jeden Tag in Rom und außerdem wäre das vor ihren Freunden schwer zu rechtfertigen gewesen. So freuten sich alle über das doppelte Ergebnis: Das neue Paar und der wunderschöne Urlaub.
Heute waren die beiden bei Steppi verabredet, sie wollten gemeinsam kochen. Das hatten sie sehr lange nicht mehr gemacht und sie freuten sich sehr aufeinander. Steppi hatte sogar extra noch einmal geputzt, obwohl er durch seine lange Abwesenheit nie viel verdreckte. Er hatte ein Hemd herausgesucht, das er normalerweise nur für feierliche Anlässe auspackte, aber auch dieser Anlass war genug für ihn. Das Klingeln seines Handys störte ihn bei den Vorbereitungen, aber er hatte es absichtlich in die Küche mitgenommen, falls Julia irgendetwas von ihm wollte. Etwas gehetzt meldete er sich und war enttäuscht, dass es nicht Julia war, die ihn anrief.
„Hallo, Brüderchen. Gehts dir gut? Wir haben die Karte aus dem Urlaub bekommen, vielen Dank dafür. War der Urlaub auch sonst schön? Wie geht es Julia?“, fragte Steinunn.
„Es geht ihr gut und mir auch, danke. Übrigens“, verkündete er mit unverhohlenem Stolz in der Stimme, „wir sind wieder zusammen, also ganz offiziell seit dem Urlaub.“
„Wow, hat sie dir denn alles verziehen?“. Steinunn hatte zwar damit gerechnet, aber sie fand es immer noch bewundernswert, dass Julia sogar einen Seitensprung verzeihen konnte.
„Ähm, naja, um genau zu sein, weiß sie von Lilja gar nichts...“.
Steppi packte sofort das schlechte Gewissen wieder, das er bisher immer erfolgreich verdrängt hatte, sobald es aufkam. Dieses mal wollte es ihm aber nicht recht gelingen.
„Na dann wundert mich nichts mehr“, grummelte Steinunn leise vor sich hin.
„Aber du hast schon noch vor, es ihr zu sagen? Das ist nicht fair ihr gegenüber, das weißt du ganz genau.“
Steppi brummte nur unwillig. Eine Moralpredigt war das letzte, was er kurz vor dem Treffen jetzt gebrauchen konnte.
„Ja, keine Ahnung, natürlich ist es fair“, rang sich Steppi zu einer Antwort durch, aber erntete dafür nur verächtliches Schnauben von seiner Schwester.
„Wenn du es nicht machst, mach ich es. Ich hab dich sehr lieb, Brüderchen, aber wenn du nicht fair mit Frauen umgehst, das kann ich gar nicht leiden, das weißt du.“
„Jajaja, ich mach das schon. Wenn der passende Moment ist, dann sage ich es ihr, hoch und heilig versprochen. Sonst noch was? Ich muss nämlich auflegen, gleich kommt mein Besuch.“
„Gut, ich gebe dir, sagen wir, so vier Wochen Zeit. Sonst löse ich das Problem für dich. Und jetzt geh dich schick machen für deinen Besuch. Bis zum nächsten Mal.“
Die Leitung war plötzlich tot und Steppi stopfte das Handy zurück in seine Hosentasche. Es kam selten vor, dass er mit Steinunn stritt, aber heute hatte es nur schief gehen können.
Der Zorn auf seine Schwester verrauchte augenblicklich, als Steppi die Türklingel wahrnahm. Mit einem Lächeln auf den Lippen öffnete er die Tür und nahm Julia in den Arm.
„Ich freue mich so, dass du bist da“, hauchte er in ihr Haar und küsste den Scheitel.
„Ich freue mich auch. Du hast dich ganz schön schick gemacht, das fürs Kochen?“.
Julia zupfte an dem weißen Hemd herum, das aussah, als hätte es eine größere Summe Geld gekostet. Es stand Steppi zweifellos gut, aber darin kochen? Dafür war das Hemd doch eigentlich zu schade.
„Ich dachte dass es ist was besonderes wenn du kommst so ich mache mich auch besonders hübsch weißt du?“.
Steppi war ein wenig verunsichert über seine Entscheidung, das Hemd zu tragen. Gefiel er ihr etwa nicht?
„Du siehst toll aus darin, Steppi, das kannst du mir glauben. Aber zum Kochen ist das Hemd viel zu schade. Wie wäre es, wenn du einfach ohne Hemd kochst? Dann wird auch nichts schmutzig.“
Julia lächelte verschwörerisch und begann, die ersten Knöpfe vom Kragen ab zu lösen. Steppi half ihr ebenfalls grinsend und streifte das Hemd ab. Insgeheim gab er Julia sogar recht, das Hemd war für offizielle Empfänge gedacht und nicht, um zu Hause zu kochen.
„Ich gehe es schnell aufhängen, gehst du schon mal in die Küche?“, schlug Julia vor und küsste Steppi auf die Wange.
Er nickte und ging in die Küche, um die Zutaten für das Sushi aus dem Kühlschrank zu holen, die sie verabredet hatten. Gerade hatte er das Gemüse auf die Theke neben dem Herd gelegt, da kam Julia auch schon wieder, ohne Hemd. Sie umarmte Steppi von hinten und schmiegte ihre Wange an seinen Rücken.
„So gefällt mir kochen mit dir sehr gut“, nuschelte sie leise und wanderte mit ihren Lippen in sanften Berührungen über die nackte Haut.
Steppi musste sich zusammennehmen, um nicht die Beherrschung zu verlieren und über Julia her zu fallen. Das schlechte Gewissen nagte an ihm. Es war nicht fair, Julia nichts von seinem Ausrutscher zu erzählen, aber er wollte sie nicht verlieren. Genau davor hatte er aber Angst. Andererseits, wenn Lilja sich jemals entscheiden sollte, aufzutauchen, dann war seine Beziehung ohnehin kaputt. Wenn er es selbst beichtete, vielleicht gab es dann noch eine Chance für sie beide.
„Hast du sehr Hunger?“, fragte er deshalb, „oder wir könne noch kurz reden vorher?“.
Der Tonfall ließ Julia aufhorchen. Steppi klang Schuldbewusst und genau das strahlte auch sein Blick aus, als er sich zu ihr herumdrehte. Sie fragte sich, was er angestellt haben könnte, das so wichtig war, dass er es vor dem Essen besprechen wollte.
„Von mir aus können wir jetzt reden. Was ist los?“, fragte sie argwöhnisch.
„Wir… setzen uns? Bitte?“.
Steppi nahm ihre Hand und zog sie sanft zum Sofa. Julia runzelte die Stirn, aber sie ließ sich mitziehen und setzte sich schließlich Steppi gegenüber. Er hatte ihre beiden Hände in seine genommen und wirkte sehr nervös, sein Blick war unstet.
„Erst, bitte lass mich alles reden, dann du kannst gehen wenn du willst, okay? Aber ich will alles sagen. Mir geht es richtig schlecht weil ich dir etwas nicht sage.“
Steppi atmete tief durch. Er klammerte sich ein wenig fester an Julia, jetzt hatte er erst Recht Angst, dass sie weglaufen würde. Aber außer, dass sie ihn skeptisch musterte, passierte nichts.
„Wenn wir waren… kurz getrennt, als ich war dumm, ich war sehr dumm. Nicht nur ich habe dir nicht geglaubt, ich war so sauer, dass ich habe mich betrunken. Dann eine Frau, sie hat… ich finde mich eklig danach, wirklich. Sofort danach. Aber es ist passiert so es ist fair, dass du es weißt. Wenn du willst gehen, dann werde ich nichts sagen. Aber ich liebe dich und ich will, dass du bleibst. Ich will dich für immer. Heirate mich. Bitte.“
Julia stiegen die Tränen in die Augen, ob vor Trauer oder Freude konnte sie gar nicht sagen. Worte zu finden fiel ihr schwer und sie wusste auch noch gar nicht, was sie ihm sagen sollte. Deshalb sprach Steppi weiter.
„Jetzt du kannst gehen, wenn du es willst. Aber ich will lieber, dass du mich heiratest. Ich liebe dich, nur dich, wirklich.“
Julia überlegte wirklich, zu gehen. Betrogen worden zu sein, verletzte sie, auch wenn es betrunken passiert sein sollte. Aber die Liebe zu Steppi war so groß, dass sie bereit war, ihren Stolz hinunter zu schlucken.
„Wieso hast du das gemacht? Dich so betrunken, dass sowas passieren kann?“, fragte sie leise.
„Ich war enttäuscht von dir, weil ich dachte, du lügst. Ich wollte alles einfach vergessen. Das ist nicht sehr schlau, ich weiß. Es ist ja auch sehr schlechtes passiert dann. Seitdem ich habe nicht einen Tropfen Alkohol getrunken. Ich will das nicht mehr machen. Ich will dich heiraten so keine Frau kommt mehr auf die Idee, mich anzuschauen.“
Sanft wischte er die Tränen von Julias Wangen, die sich ihren Weg bahnten.
„Bitte, heirate mich.“
Julia konnte die Tränen nicht mehr zurückhalten und ließ sich bereitwillig von Steppi umarmen, um sich an seiner Schulter ausweinen zu können. Die Gefühle überrumpelten sie einfach, aber die Glücksgefühle überwogen. Steppi wollte sie heiraten, das war unglaublich! Ein Lächeln schlich sich zwischen die Schluchzer und allmählich beruhigte sie sich wieder, bis sie ihr Gesicht mit der Hand von Tränen befreite.
„Du willst mich wirklich heiraten?“, fragte sie leise.
Steppi sparte sich eine Antwort, er nahm ihr Gesicht in beide Hände und küsste Julia erst leicht, dann fordernder.
Gefühlt rutschte ihr bei dem Kuss das Herz in die Hose, so intensiv spürte sie Steppi. Er legte seine ganze Überzeugungskraft in diesen Kuss, und das zeigte Wirkung.
„Ich will dich auch heiraten“, keuchte Julia außer Atem, aber lächelnd. „Aber nur mit richtigem Antrag. Nicht so.“
Steppi stöhnte innerlich, aber er grinste. Er hatte schon vermutet, dass ihm das nicht erspart bleiben würde.
„Ich verspreche dir, du bekommst noch.“
Diese Worte zauberten Julia ein noch breiteres Lächeln auf das Gesicht und Steppi befreite ihre Wangen von schwarz-grauen Makeup-Schlieren.
„Aber nur wenn du dann auch noch sagst ‚ja.“
Julia grinste spitzbübisch, aber bevor sie etwas erwidern konnte, intervenierte Steppis laut knurrender Magen.
„Okay, also wie wäre es mit kochen?“, schlug er vor und hielt sich den Bauch, der beim Knurren mörderisch weh getan hatte.
„Das war ja nicht sehr romantisch“, grinste Julia, „aber ich verzeihe dir. Wir kochen weiter.“
Sie stand als erste auf und zog Steppi vom Sofa hoch. Dabei küsste sie ihn, als er vor ihr stand.
„Verheiratete wohnen doch auch zusammen, oder? Da müssen wir auch nochmal drüber reden, aber erst nach dem Essen. Einverstanden?“, grinste sie.
„Und wie“, stöhnte Steppi hungrig, aber trotzdem sehr glücklich.