Nur wenige Tage danach überraschte die beiden ein Anruf von Harry. Julia hatte ihn, seit er nicht mehr bei ihr Deutschunterricht erhielt, ein wenig aus dem Auge verloren und so fiel sie aus allen Wolken, als er am Telefon verkündete, er habe eine Freundin und möchte sie ihnen vorstellen. Während Julia ein Treffen mit den beiden für den Mittag ausmachte, stierte sie Steppi böse an.
„Hast du was gewusst?“, fragte sie vorwurfsvoll, nachdem das Telefonat beendet war.
„Nicht so ganz. Harry hatte mal eine Freundin, mal nicht, ich wusste nicht dass es ist sowas festes. Also wir sehen sie nachher?“.
„Ja, wir haben uns zu einem Treffen auf der Neckarwiese verabredet. Und wenn ich so an die Parkplatzsuche jedes Mal denke, sollten wir vielleicht jetzt gleich schon losfahren, wir wollen uns nämlich in einer Stunde treffen.“
Steppi seufzte auf. Zwar hasste er es, so spontan von anderen verplant zu werden, andererseits hatte er aber schon eine Menge über Haralds neue Freundin gehört, wenn es dieselbe war, und das ließ ihn neugierig werden. Während sie sich mit dem Auto auf den Weg machten, dachte er darüber nach, auch Julia einzuweihen, aber er entschied sich dagegen und schwieg beharrlich über die Dinge, die er zu Haralds Freundin wusste.
Wenn es Julia stutzig machte, verriet sie es nicht, sie wirkte eher neugierig auf die neue Bekanntschaft.
Wegen des guten Wetters war die Neckarwiese gut gefüllt mit Studenten, Familien, Touristen und vielen Tieren, von der Gans bis zum Hund. Sie waren froh, einen festen Treffpunkt ausgemacht zu haben und so fanden sich die beiden Pärchen am Spielplatz relativ schnell.
Harrys Freundin wirkte schüchtern, was sie Julia sympathisch machte, sie mochte allzu laute Menschen nicht. Sie war zwar ein bisschen verwundert, dass Salome nicht einmal Augenkontakt halten wollte, aber das schob sie auf ihre Schüchternheit.
„Wir haben ein paar Kleinigkeiten dabei, so wir können essen und uns setzen? Schlug Steppi vor und nickte zur Wiese.
„Ja, ich möchte nah ans Wasser“, stimmte Harry zu und so setzte sich das Quartett in Bewegung. Die Plätze am Wasser waren zwar begehrt, aber sie hatten Glück noch einen Platz zu finden, der gerade so für vier Personen reichte.
Nachdem es sich alle gemütlich gemacht hatten, konnte Julia sich kaum zurückhalten, Salome mit einem Kreuzfeuer an Fragen zu bombadieren.
„Erzähl mal, woher kommst du und was machst du so? Ich weiß noch gar nichts, ich habe mit Harry eine halbe Ewigkeit nicht gesprochen.“
Salome und Harry tauschten wissende Blicke und Julia runzelte irritiert die Stirn. Sie fragte sich, ob sie die einzige war, der ein Detail entgangen war.
„Ich komme aus der Gegend, ich bin nicht zugezogen. Gerade arbeite ich… nichts mehr, aber ich suche etwas Neues. Ich dachte vielleicht an ein Studium oder so etwas, ich weiß aber noch nicht genau“, erzählte Salome bewusst vage.
Wiederum runzelte Julia die Stirn, fragte aber nicht weiter. Sie spürte, dass Salome nichts erzählen wollte. Deshalb erzählte sie ein wenig von sich und fragte sie über ihre Pläne für das Studium aus.
Dabei taute Salome schon viel mehr auf und erzählte von ihren Wünschen und ihren bisherigen Bemühungen.
Steppi und Harry ließen die Frauen ein wenig alleine.
„Wie macht sich Salome?“, fragte Steppi und nickte mit dem Kopf zu ihr.
„Ihr geht es gut, wir kommen auch miteinander klar. Ich denke, dass das gut geht, wir haben auch nichts mehr gehört von ihrer letzten Arbeit“, lächelte Harry und Steppi nickte zufrieden.
„Das klingt gut. Aber wem erzählst du es? Julia hat mich schon gefragt so ich habe nichts gesagt, aber für immer ich werde nichts verheimlichen können.“
Harry seufzte und verschränkte die Arme vor seiner Brust.
„Ich weiß, aber ich werde nichts sagen, das muss Salome selbst tun, schließlich geht es auch um sie.“
Steppi nickte wiederum. „Ja, du hast Recht. Jedenfalls ich freue mich, dass ihr beide jetzt zusammen seid.“
Harry lächelte und wandte sich dann den beiden jungen Frauen zu, die aufgestanden waren und zu ihnen kamen.
So wie Julia sich an Steppi schmiegte, nahm Salome Harrys Hand und lächelte ihm zu. Verwirrt tauschten Steppi und Harry Blicke, aber Julia klärte die beiden auf.
„Salome war… sehr ehrlich zu mir“, meinte sie und lächelte Salome zu.
Harry hob genau so wie Steppi die Augenbrauen.
„Das heißt, sie weiß alles?“, fragte Harry an Salome gewandt. Sie nickte lächelnd.
„Irgendwie… hat es gepasst. Und es ist alles in Ordnung“, beruhigte sie Harry.
„Und du hast kein, ähm, Problem damit?“, fragte Steppi mit irritiertem Blick seine Freundin.
„Nein“, grinste Julia, „Vergangenheit ist Vergangenheit. Außerdem hat sie doch jetzt Harry, wieso sollte ich dann wegen irgendetwas eifersüchtig sein?“.
Sie tauschte ein Lächeln mit Salome, wie die Jungs verwirrte, aber anerkennende Blicke tauschten.
„Ich bin überrascht“, gab Harry zu, „aber ich freue mich, dass ihr hinter uns steht, das gibt Kraft.“
„Gibt es denn Leute, die Probleme machen?“, wollte Julia wissen, sofort war sie besorgt.
„Noch nicht“, wiegelte Salome ab, „aber ich glaube nicht, dass das für immer so bleibt. Ich bin mir sicher, dass irgendwer was dagegen hat und gegen uns wettert.“
„Dann müssen sie sich aber mit vier Leuten anlegen“, meinte Julia und legte Salome eine Hand auf die Schulter, „darauf kannst du dich verlassen. Solange ihr glücklich seid, ist alles in Ordnung.“
Salome lächelte dankbar.
„Vielen Dank. Aber so viel möchte ich eigentlich nicht mehr darüber reden. Lasst uns das Thema wechseln, egal was.“
„Hunger?“, schlug Steppi vor und wies auf ihre Picknickdecke.
Julia lachte, stimmte ihm aber zu und die vier setzten sich wieder. Harry und Salome hatten Kekse mitgebracht und weil die Jungs mitten in der Saison waren, fiel für Julia und Salome die größere Menge ab.
„Du studierst doch, oder? Vielleicht könntest du mir helfen, mich bei den Studiengängen ein bisschen zurecht zu finden, ich habe nämlich keine Ahnung, was ich da noch so studieren könnte“, fragte Salome hoffnungsvoll, denn etliche Studienberatungen hatten sie eher noch mehr verwirrt als aufgeklärt.
„Klar, können wir machen. Wir können Nummern tauschen, dann treffen wir uns und du sagst mir mal, was du magst. Vielleicht finden wir zusammen einen Studiengang.“
„Ich muss mal auf die Klo“, meldete sich Harald zu Wort und blickt Hilfe suchend zwischen Salome und Julia hin und her.
„Ich zeige dir wo es ist“, seufzte seine Freundin und Salome machte sich mit Harry auf den Weg über die Wiese.
Steppi lehnte sich zurück und ließ sich die kühle Flussluft um die Nase wehen. Im Sommer war es nah am Wasser besonders angenehm, das hatte er hier gelernt.
„Du magst Salome?“, stellte er dann halb fragend fest.
Julia lehnte sich gegen Steppi und legte ihren Kopf an seine Schulter.
„Ja, ich glaube schon, jedenfalls habe ich mit ihr bisher kein Problem. Ich bin ganz froh, wenn wir uns weiter so gut verstehen. Seit Liv weg ist fehlt mir eine Freundin vor Ort.“
„Stimmt ja“, fiel Steppi ein, „manchmal ich vergesse noch, dass die beiden sind weg. Dann ich freue mich wenn du wieder jemanden hast.“
Julia lächelte und räkelte sich ein wenig, die Sonnenstrahlen wärmten ihre Haut angenehm und sie wollte so viel Haut wie möglich davon profitieren zu lassen.
„Das sehe ich, wenn ich ihr beim Studium ein bisschen helfe. Ich hoffe nur, dass sie hier ankommt, ich weiß ehrlich gesagt nicht, wie die anderen Frauen so reagieren.“
Steppi hob vorsichtig, weil Julias Kopf ja noch auf seiner Schulter lag, die Schultern. „Ich weiß es auch nicht, aber ich hoffe so wenn Harry glücklich ist, dann ist Salome gut. Vielleicht ich mag sie, ich weiß es noch nicht.“
Julia nickte bestätigend und ein leichtes Lächeln umspielte ihre Lippen.
Es war schön, dass Harry jetzt auch eine Freundin hatte.
Harry und Salome waren schon wieder in Sichtweite, sie hatten jeweils eine Hand miteinander verschränkt und lächelten, wie man beim Näherkommen sehen konnte.
„Hat alles geklappt?“, fragte Julia und nickte in Richtung der öffentlichen Toiletten.
„Ja, das auch. Harry hat noch einen Anruf bekommen. Wir haben eine Wohnungsbesichtigung“, erzählte Salome und konnte dabei ihr Lächeln kaum bändigen.
Julia und Steppi tauschten ein kurzes, wissendes Grinsen.
„Wann?“, fragte Steppi.
„In zwei Stunden… es ging nicht anders, leider. Der Vermieter wäre sonst ein paar Wochen in Urlaub und wir hätten dann während seines Urlaubes Bedenkzeit hat er gesagt...“.
„Wir wollen die Wohnung anschauen, so wir müssen leider uns verabschieden“, meinte Harry und bemühte sich, dabei wenigstens ein bisschen traurig auszusehen. Eigentlich freute er sich auf die Wohnungsbesichtigung, denn vielleicht konnte er ja dann schon bald mit Salome zusammenziehen.
„Oh, das ist schade“, meinte Julia und sie war wirklich ein wenig enttäuscht, „aber eigentlich ist es ja gut für euch. Wir sehen uns ja dann bestimmt noch öfter.“
Sie lächelte wieder und die vier umarmten sich zum Abschied untereinander.
„Viel Erfolg bei der Besichtigung. Und sagt ihr Bescheid, wie es gelaufen ist? Sonst drücken wir uns die Daumen kaputt.“
„Wir melden uns“, versprach Harry, „und danke dass ihr uns Daumen drückt. Wir sprechen uns nachher.“
„Viel Erfolg!“, rief Julia den beiden noch hinterher, als sie schon ein paar Meter entfernt waren.
Salome und Harry hoben ihre jeweils freie Hand zum Abschiedsgruß.
„Und, was meinst du?“, fragte Julia und nahm Steppis Hand.
„Ich bin zufrieden. Sie ist gut für Harry“, befand er, „aber jetzt ich will nach Hause. Die Sonne ist viel zu heiß.“
Julia nickte und auch sie machten sich auf den Weg zum Auto, um wieder nach Hause zu fahren, nachdem sie die Sachen zusammengepackt hatten.