Unbewusst umschloss sie ihre Hand fester um die Kerze, die schon zur Hälfte heruntergebrannt war. Die kleine, lodernde Flamme machte sie zunehmend nervös, doch ohne ihr Licht war es ihr unmöglich, den Psalm, den sie vor sich hatte, zu erkennen.
Dieser war in den letzten Minuten jedoch ohnehin mehr in den Hintergrund gerückt. Verstohlen blickte sie auf, um zu sehen, ob einer der Nonnen ihre Nervosität schon aufgefallen war. Doch diese sangen in aller Ruhe weiter. Eine Ruhe, die sie auch gerne besitzen würde, doch waren ihre Augen unfähig, sich von der tänzelnden Flamme zu lösen. Wenn sie sich nicht bald beruhigte, so dachte sie sich, würde das Wachs in ihren schwitzigen Händen anfangen zu schmelzen.
Hastig bekreuzigte sie sich und murmelte leise Worte vor sich hin, die ersten, die ihr in den Sinn kamen.
„Herr, sei mir gnädig, denn mir ist angst. Entreiße mich der Hand meiner Feinde und Verfolger.“ Sie schloss die Augen. „Herr, lass mich nicht scheitern, denn ich rufe zu dir. Herr, sei mir gnädig, denn mir ist angst.“ Sie zuckte zusammen, als Wachs auf ihren Handrücken tropfte. „Entreiße mich der Hand meiner Feinde und Verfolger...“ Ein weiterer Tropfen Wachs fiel auf ihre zittrige Hand und ließ sie erneut zusammenzucken. „...lass mich nicht scheitern, denn...“ Ein Schrei unterbrach ihr Gebet und den Gesang der Anderen.
Alle Augenpaare richteten sich sogleich auf die erschrockene Frau, welche immer noch ihren Blick auf die über den Boden rollende Kerze gerichtet hatte. Die Flamme brannte auf dem Steinboden und sah aus wie eine kleine Gestalt, die fröhlich auf und ab tanzte und die Frau auslachte.