Der nächste Morgen versprach einen schönen Tag. Keine Wolke verunzierte den Himmel und die Sonne strahlte hell. Sie schaffte es nicht die Luft merklich zu erwärmen, aber eine trockene Kälte bei blauem Firmament und Sonnenschein schrieb ihre eigene Romantik.
Oma war unterwegs in die Ortschaft und wollte Besorgungen tätigen. Matthias und Verena schliefen tief und fest.
Einzig die Zwillinge waren munter und nutzten die Gunst der Stunde. Sie wollten hinab zum See und Steine flitschen. Milans Rekord lag bei zwölf ditscher und Bastian hatte beschlossen, diesen nun allenfalls zu brechen.
»Och menno. Nu sie dir das an. Wie will man denn bei der Pampe anständig flitschen?«
»Reg dich ab Basit. Lass uns lieber nachsehen, ob das Eis uns trägt. Wir bauen uns eine Schlitterbahn.«
»Auja.«
Am Ufer angekommen warfen sie Stöcke und Steine auf das Eis, was ihnen bereits nach kurzer Zeit zu langweilig erschien. Milan war der mutigere der beiden und trat munter auf dem Eis herum. »Schau, es hält.«
»Mmh, ich Weiss nicht. Papa hat doch gesagt, dass wir uns eigentlich vom See fernhalten sollen. Ich glaube, wir sind nah genug.«
»Eigentlich. Olle Memme, dann geh zurück und vergiss nicht zu petzen.«
Bastian haderte mit sich und sah sich verstohlen um. Etwas machte ihm Unbehagen und spürte, das der Wind der nunmehr aufkam, nicht nachlassen würde. Als er sich zu seinem Bruder umsah, erstarrte er zur Gänze. Er bekam nicht einmal einen laut von sich, geschweige denn, dass er sich rühren konnte.
Verena gähnte herzhaft, als sie sich aus dem Bett rekelte. Die Arme streckte sie weit von sich und musterte eine scheinbar uralte Aufnahme von zwei Kindern, die altmodische Schlittschuhe um den Hals trugen.
Beide trugen sie dieselbe Kleidung. Einen gestreiften Rollkragenpullover und eine, vermutlich in der gleichen Farbe gehaltenen, Pudelmütze. Bei näherer Betrachtung, wähnte die Anwältin sogar Ähnlichkeiten mit ihren Jungs zu erkennen.
»Guten Morgen.« Matthias küsste sie sanft auf der freilegenden Schulter. »Das waren Karl und Gerd. An dem Tag, als dieses Foto entstand, hatten sie ein Dorfwettbewerb gewonnen. Siehst du den Stolz in ihren Augen?«
»Sie ähneln Bastian und Milan.«
»Wundert dich das?«
Noch bevor sie sich ihm zuwenden konnte, um den Kuss zu erwidern, zerriss die Stille ein markerschütternder Schrei.
Matthias stolperte beinahe, als er sich vom Bett schwang und zum Fenster eilte. Ohne nachzudenken, riss er den verdunkelnden Vorhang zur Seite und stieß das mit Schneekristallen vereiste Glas brüsk nach außen.
Was er glaubte zu sehen, stahl ihm schier den Atem. Es konnte nicht sein. Es durfte nicht sein.
Oma Marga ließ ungeachtet der Dinge ihre Einkaufstaschen fallen und lief mit rudernden Armen schreiend hinab zum See.
Es war weder Furcht noch Panik die sie beflügelte so zu laufen, es war Entsetzen. Immer wieder rief sie zwei Namen und Worte wie nein, nicht, das dürft ihr nicht und so etwas wie lasst sie gehen.