Veyeds Gedanken schweiften in die Ferne. In einer Zeit, als die beiden noch jünger waren, also glaubten, sie lebten in einer heilen Welt und niemand würde ihnen etwas wollen.
Sie spielten oftmals mit den Kindern der Arbeiter und Nachbarn und lauschten gemeinsam, stets wiederkehrend den gleichen Erzählungen vergangener Tage.
Der Müller wusste mutmaßlich von einem Mann, der so Alt gewesen sein musste wie Veyed jetzt.
Immer dann, wenn ihr Nachbar mit seiner hübschen Tochter im Schlepp, von dessen Taten schwärmte, spekulierten ihre Väter, wer wohl hinter dieser Person gestanden haben mochte.
Es handelte sich bei den Ausführungen um einen stattlichen jungen Mann, der dem alten Adel angehörig sein solle. Zu welcher der angesehenen Familien er indessen gehörte, war ungewiss, seitens der Obristen hingegen vorherbestimmt. Für sie entsprang jedwede Gegenwehr und Hetze einem einzigen Hause. Thule gab dem bekannten Adel wie auch deren Gefolge die Schuld daran, dass kein Frieden einkehrte.
Ungeachtet der offensichtlichen Buhlerei, war für die Gemeinen von Belang, dass nach wie vor jemand den Feind bekämpfte und mit seinen Taten für die traditionelle Ordnung und dem geschundenen Volk einstand.
Diese einst volksumjubelte Gestalt sollte nach den Übergriffen und Einmarsch thulenischer Truppen für stete Unruhen in derer Reihen gesorgt haben.
Soldaten, die auf Wachgängen hinterrücks erstochen wurden. Aufgeknüpfte Posten, die als Mahnmal an Bäumen sich kreuzender Wege baumelten. Sabotiertes Zaumzeug, das für unangenehme Zwischenfälle sorgte. Unerklärbare Brände wie Diebstähle in den engsten Reihen.
Eines Tages jedoch fanden die Erzählungen wie das Getuschel hinter vorgehaltener Hand ein jähes Ende. Eine Frau und ein Mann wurden auf dem großen Marktplatz von Memnach vor aller Augen öffentlich hingerichtet.
Die Obristen vollführten ein Exempel, welches als Vorbild dessen galt, wie man seither mit jenen verfuhr, die das angebliche Zeichen des kommenden Erlösers trugen.
Veyeds Kiefer begann zu schmerzen, als er an die Beschreibungen Alrics zurückdachte. Er biss die Zähne kräftig aufeinander und kämpfte mit seiner Haltung.
Er erinnerte sich noch an diesen einem Abend, als er sich mit seinem Bruder stritt und beide ihren Onkel weinen hörten.
Die Obristen meuchelten Kinder und junge Burschen wie Mädchen. Unter den Blicken ihrer Mütter und jenen, die es werden sollten, schnitt man ihnen die Bäuche und suhlte in deren Inneren. Mit bluttriefenden Händen wie Armen hielten die Henker wie in Ekstase das jeweilige Herz in die Menge und predigte wiederkehrend den Namen ihrer falschen Gottheit.
Ausgenommen Befohlener und durchweg thulenischer Abstammung, durften keine Männer bei solch einer Bestrafung in der Stadt verweilen. Allesamt wurden diese auf die angrenzenden Felder getrieben.
Veyed konnte sich denken, aus welchen Gründen ebendieses geschah.
Der hingerichtete Mann solle augenscheinlich besagter Unruhestifter gewesen sein und die mit ihm geopferte, in Umständen gelegene, Frau die Seine. Mit dieser Dreifachhinrichtung wollte man dem Volk verdeutlichen, dass die Ära des alten Adels schlussendlich und unausweichlich sein Ende fand.
Seither galt die Familie Myrefall als vollständig ausgerottet und künftige wie mögliche Bastarde die ein potenzielles Anrecht als Erben innehatten als enteignet. Ebenso wie gleichgestellte Erbansprüche etwaiger Adelsgeschlechter und Landeigner Agreas.
Der Müller beschrieb den damaligen Volkshelden als standhaft und durchweg mutig, jedoch gleichauf unauffällig. Alle Übergriffe, Morde und Brände endeten unvermittelt tags darauf.
Als Mahnmal für jene, die dachten es diesem Gutmenschen gleichtun zu wollen, nagelten die Häscher, seine Augenklappe über das Tor zur Garnison und Burg. Sein linkes Auge sollte bedingt eines ungleichen Kampfes erblindet sein.