Der Mond steht still und massiv am schwarzblauen Firmament und überwacht, begleitet von einer Garde aus himmlischen Funken sein nächtliches Königreich. Das Treiben der Menschen auf den Straßen scheint verstummt, nur manchmal stiehlt sich das Geräusch eines einzelnen Gefährts unschuldig und fast schon beschämt wirkend in die Stille der Nacht.
Sämtliche Lichter in den Häusern sind erloschen, jedoch liegst, irgendwo hinter einem der hundert Fenster, du friedlich in deinem Bett, wie ein Vogel in seinem Nest. Deine Augen sind geschlossen und dein Atmen wird ruhiger, bis es sich eine fast schon hypnotisierende Gleichmäßigkeit zu Eigen macht. Deine ganzen Sinne beginnen zu ruhen und du wartest nur noch, dass dich diese aus der Realität tragen und du endlich in das ersehnte Traumland steigen kannst. Doch bis dies geschieht und du einen Fuß in deine fantastischen Sphären setzten kannst, passiert eine Menge im Hintergrund. Denn, wenn du so langsam in den Schlaf sinkst, in diesem Zeitraum zwischen kalter Realität und warmen Traum, dem du am nächsten Tag nicht mal eine Erinnerung würdigst, regt sich etwas in der Dunkelheit deines ruhenden Verstandes. Tief in der Schwärze deines Geistes pafft der Schornstein einer Fabrik, in der alles phantasievolle entsteht, in der der Traum anfängt. Innerhalb dieser Fabrik ist beginnt nun das rege treiben und die Fabrikanten setzen sich in Bewegung. Schatten tanzen an den Wänden dieser gedanklichen Manufaktur
Die Arbeiter begeben sich alle an ihre Posten, um an ihren Maschinen das Wunderwerk Hönirs zu vollbringen. Jeder dieser Arbeiter hat seine Aufgabe: Der Weber webt die Stoffe, der Näher näht die Kostüme, der Bildhauer bildhauert deren Träger. An der einen Ecke der Fabrik sitzen die Dramaturgen, welche den Ablauf des heutigen Abends bestimmen, und an der anderen Ecke sitzen die Bildner, welche schon beginnen die Szenerie zu formen. Maschinen rattern, dampfen und zischen und setzten die erdachten Landschaften, Bilder und Personen vor dein, in seiner sinnlichen Ruhe geschlossenes, inneres Auge.
Prüfend, ob alles seinen rechten Gang geht, gehen die zwei Gesellschafter, welche die Manufaktur leiten, durch das Treiben der Arbeiter. Diese zwei Gesellschafter, welche Fabrik, deren Arbeiter und deren Arbeit in Hand haben heißen Erfahrung und Fantasie und arbeiten zudem für die Dramaturgie, doch jetzt gerade halten sie nach jemanden speziellen Ausschau. Denn, jede Nacht, jedes Mal, wenn ein Traum in Arbeit ist, versucht sich ein ungebetener Gast in das Fabrikgebäude zu schleichen: Die Angst. Manchmal schafft es diese ungesehen an den Gesellschaftern vorbei zu gelangen und sich unter die Dramaturgen zu mischen, dann verseucht sie den Spielplan mit grausamen und verängstigenden Ideen, weswegen der Traum abgebrochen und der Träumende aus seinem Schlaf gerissen werden muss. Dann muss auf die Schnelle ein neuer Traum geschrieben werden oder schlimmer noch die Produktion wird komplett abgebrochen und du erlebst einen traumlosen Schlaf. Doch zu deinem Glück scheint die Angst heute nicht aufzutauchen.
In der Fabrik beginnt nun der Endspurt, das Rattern der Maschinen wird schneller und schwarzer, rußiger Rauch strömt aus ihren Rümpfen. Die Bühnenbildner fangen an die Traumwelt aufzubauen, vor deinem immer noch geschlossenen, inneren Auge formen sie den blauen Himmel und die grünen Wiesen. Weber und Näher haben die Kleidung gefertigt und kleiden damit die, von den Bildhauern erschaffenen, Skulpturen ein. Diese Skulpturen werden nun in das gefertigte Bühnenbild gestellt. Manche von ihnen sind Nachbildungen von Personen, die du kennst. Zu denen geht die Erfahrung und belebt diese mit einer Berührung an Herz und Kopf zu leben. Manche sind Personen, welche nur im inneren deines Geistes existieren. Zu denen geht die Fantasie und belebt diese zu leben. Die Maschinen stoppen. Noch ein letztes Mal überprüfen Fantasie und Erfahrung den Traum, er sollte nicht zu fantastisch sein, denn sonst besteht die Gefahr, dass du mitten im gedanklichen Spiel realisierst nicht in der Realität zu sein. Und dann wärst du Herr über die Maschinerie und die Manufaktur. Nachdem alles überprüft und jeder an seinem Platz ist, beschließen die Fabrikherren dich eintreten zulassen.
Am Rande deines Verstandes steht eine Tür, welche nun von Erfahrung und Fantasie geöffnet wird. Hinter dieser Tür steht dein geistliches Abbild, seine Augen sind geschlossen. Einige Arbeiter der Fabrik helfen dein Abbild in den Traum zu tragen und es startbereit aufzustellen. Alle Angehörige der Traummanufaktur schauen sich gegenseitig in die Augen und fangen an von zehn herunter zuzählen. Bei der Eins angekommen, klatschen alle Arbeiter einmal in die Hände und verschwinden aus der Szenerie. Im selben Moment wird Umgebung belebt und fängt an den von den Dramaturgen ausgearbeiteten Spielplan abzuarbeiten.
Dein Abbild öffnet nun die Augen und du tust deinen ersten Schritt, hinein in eine traumhafte Nacht.