Obwohl die Nachricht alle verstummen ließ und es aus heiterem Himmel nach Monaten der ja man möchte schon bald sagen Langeweile, einem Bombeneinschlag gleichkam, was sie gerade zu hören bekamen, mussten trotzdem viele wegen der Sache mit Colli Upton lachen oder zumindest schmunzeln. Der erste Bordingenieur war wirklich ein Kautz. Die weitverzweigten Schächte und Korridore der Engelsflügel Waren sein zu Hause. Dort hielt er sich auf und bastelte an irgendwas herum. Gemeinschaft pflegen oder Landurlaub genießen, das stand nicht auf seiner Agenda. Als Maßnahme zur Sozialisierung wurde ihm der schrille aber auch geniale Sirius Spanhaven zur Seite gestellt, der ihn fortan ziemlich auf Trapp hielt.
Sirius gab Colli gerade einen 12er Laserschlüssel für das Luftdurchlass-Steckfeld vor ihnen, als sie plötzlich aufhorchten und ihrem geliebten Captain ihre Aufmerksamkeit schenkten.
„Da hast Du es Colli, auch du bist gefragt, wenn wir morgen unser nächstes Abenteuer planen. Dafür musst Du natürlich Deinen Duschzyklus verändern und ausnahmsweise drei Tage früher in die Duschbox hüpfen.“ lachte Sirius seinen verschrobenen Kollegen aus.
Der grummelte nur etwas Undeutliches zurück und zerschnitt weiter einige kaputte Steckfelder vor sich. Er und Sirius waren die einzigen Schiffsingenieure an Bord der Engelsflügel. Obwohl, wenn man Colli Glauben schenkte, war Sirius nur ein feiner Pinsel von der Eliteuniversität, der vom wirklichen Handwerk nichts verstand und sich selten die Finger schmutzig machte.
Sirius Spanhaven, der immer fröhliche Ingenieur gehörte nicht zu den Menschen, die ihre Meinung zurückhalten konnten, ob gefragt oder ungefragt, er musste seinen Senf dazu geben.
„Ach komm schon Colli, grummle nicht so herum. Wir sind schließlich die einzigen Bordingenieure aller Zeiten, die es geschafft haben ein Schiff intakt zu halten, dass einen Flug nach Utopia und zurück gewagt hat. Wir sind richtig wichtig morgen und auch Deine Meinung wird gefragt werden. Keiner kennt das Schiff so wie Du alter Kumpel.“
Colli Upton, der vornübergebeugt arbeiten musste, um an die richtigen Schnittstellen zu gelangen ließ sich zu einem kurzen Kommentar herab; „Ja, ja, ich werde da sein und jetzt sei einfach mal still und gib mir den 14er Brennerstick, die Belüftungsanlage repariert sich schließlich nicht von alleine!“
Ohne aufzusehen forderte er mit der rechten Hand ungeduldig den Brennerstick, den er auch prompt erhielt.
„Der Kerl muss erst noch geboren werden, der mir den Mund verbietet, Colli. Und Du bist es ganz bestimmt nicht!“ Philosophierte Sirius munter weiter und besah dabei seine mittlerweile spröde gewordenen Fingernägel mit einiger Besorgnis im Gesicht.
Trem, der wohl als einziges Crewmitglied seiner Tätigkeit während der Durchsage des Ersten Captains weiter nachging, erreichte sein zweites Ziel.
Die Mannschaftsmesse, auch liebevoll Korridor oder K 56 genannt, war die allgemeine Essensausgabe. Ein Koch war nicht nötig, da Herolda voll automatisch auf alle Crewmitglieder persönlich abgestimmte Gerichte zubereiten konnte.
Aus einem Spektrum von über Dreihunderttausend Gerichten von über 100 Welten wurden die Gerichte je nach Geschmack durch die Essensautomaten bereitgestellt.
Eliav, der Steuermann zum Beispiel liebte deftige Bohnengerichte, zum Leidwesen seiner geliebten Frau Kasandra.
Oder auch Nuri Ba, der Samptane, der nur alle paar Tage Essen zu sich nehmen musste. Dann aber eine so große Portion Primwürmer oder lebende Gelle Tierchen, dass sie gerade so noch auf die Essensplatte passten. Samptaner genießen ihr Essen lebendig und schleimig. Immer wenn mal wieder ein menschliches Crewmitglied seine Essgewohnheiten für eklig und barbarisch hielt, konterte er mit der Tatsache, dass Samptaner nachweislich durch ihre Ernährung eine erhöhte Lebensspanne hätten.
Ein Mensch konnte durch die vielen medizinischen Errungenschaften der Jahrtausende durchaus 500 Jahre alt werden. Aber der durchschnittliche Samptaner zählte 800 Jahre. Irgendetwas musste also dran sein. Immerhin hatten Estshaaner, Hoyboldaner und Samptaner zu über 95 % die gleiche Gen Saat in sich. Lediglich der verstärkte Körperbau, das zweite Herz und die dritte Lunge der Samptaner bildeten den klaren Unterschied zur angeloiden Physiologie. Äußerlich sahen sie aus wie eingefärbte Estshaaner und kamen in vielfältigen Farben vor.
Nuri hatte eine kirschrote Färbung mit gelben Tupfern, die ihm zusammen mit seinen Essgewohnheiten den Spitznamen „Käfer“ eingebracht haben.
Er war der Sicherheitsmann an Bord und wahrscheinlich der beste Waffenspezialist, den man für Kredits auf Neblabo, der größten Kolonie der Samptaner außerhalb von Samptane bekommen konnte.
Nach der dramatischen Begegnung mit Zoel hatte er allerdings beschlossen seinen Söldnerstatus aufzugeben und Teil der Engelsflügelfamilie zu werden und sich somit ebenfalls als Pilger geoutet, was speziell unter den Samptanern ein absoluter Affront gegen ihre derzeitigen Lebensphilosophien war.
Alle Gewinne wurden seitdem gerecht unter allen Crewmitgliedern aufgeteilt. Außerdem erklärte sich jeder bereit einen bestimmten Teil seiner Einnahmen regelmäßig für die Armen herzugeben, die es in diesem Kosmos zur Genüge gab. Das war natürlich eine ganz neue Erfahrung für Nuri Ba, doch mittlerweile hatte er sich schon daran gewöhnt, seinen Lohn zu teilen.
Schließlich war dies eine Anweisung von Zoel persönlich gewesen. Und Zoel konnte man nichts abschlagen, wenn man ihn einmal erlebt hatte.