Es begann vor etwa 6 Monaten. Nachdem ich ausgewählt wurde und mein Leitungsteam zusammengestellt hatte, fing die mühevolle Prozedur der Geheimhaltungs- und Verschwiegenheitsprotokolle an. Dafür war ich selbst zuständig. Und ich musste sie mit jedem der 420 Mitarbeiter durchführen. Das hat eine ganze Woche gedauert. Die drei Mitarbeiter, die mir dabei halfen, wurden natürlich im Anschluss in Verwahrung gebracht, wie es bei Timurai heißt. Das war gängige Firmenpolitik, um Sicherheitsvorfälle und Datendiebstahl zu vermeiden. Es ging schließlich um viele Credits. Verwahrung bedeutete, dass betreffende Personen mit geringer Sicherheitsfreigabe für längere Zeit eingefroren wurden. Mindestens so lange, wie ein Risiko bestand, dass Informationen auf schädliche Art nach Außen dringen könnten. Es geschah von Zeit zu Zeit, dass eingefrorenes Personal vorzeitig verschied. Probleme mit den Kryoanlagen oder schlichte Stromprobleme waren dann die offiziellen Ursachen. Inoffiziell war man dann Ballast los. Wenn man über 5 Milliarden Angestellte hatte, konnte man sowas natürlich leicht vertuschen. Die Timurai Cooperatio beherrscht ganze Sektoren. Sollte dann doch mal ein Rechtsvertreter unangenehme Fragen stellen bezog man sich einfach auf die Zusatzklausel 456, die standardmäßig an jedem Arbeitnehmervertag angehängt wird. Jene Klausel besagt im Grunde, dass alle Unfälle und Todesfälle im Rahmen der Vorsichtsmaßnahmen der Informationspolitik der Gesellschaft juristisch unanfechtbar sind und keine Forderungen von Dritten erlauben würde. Anders ausgedrückt, wenn es Dich während der Kryophase erwischt, dann war es das einfach. Deine Angehörigen würden nichts bekommen. Willkommen in der modernen Sklaverei, willkommen bei Timurai. Was für ein Slogan, hä? Vielleicht hätte ich in die Werbeabteilung gehen sollen?
Für alle übrigen Mitarbeiter, mich eingeschlossen galt, eine Aufenthaltspflicht von mindestens 10 Jahren auf der Forschungsstation. Dies wurde uns allerdings durch reichhaltige Unterhaltungsangebote, viel Geld und die Eingrenzung des Personals auf menschliche Spezies versüßt und erleichtert.
Nachdem wir erste Fortschritte im Bereich der sichtbaren und nur noch schematisch darstellbaren Analyse der drei Grundmaterialien Ghoulin, Paratrypsis und Nokromelikas (ich habe mir die Namen nicht ausgedacht) gemacht haben, hat sich das äußerst unreaktive Ghoulin als das brauchbarste für uns herausgestellt. Zumindest für die Zwecke, die Gonrar im Sinne hatte. Sie müssen sich das ungefähr so vorstellen, dass wir ein Material brauchten, dass sich auf subatomarer Ebene unter großer Hitzeeinwirkung bearbeiten ließ ohne Strahlung freizusetzen. Deswegen war Ghoulin auch so unverschämt teuer. Gonrar, der sich sonst nie einmischte, war zu meinem Bedauern ziemlich interessiert an jedem noch so kleinen Fortschritt. Ja mehr als das, jeden zweiten Tag erhielt ich eine neue Nachricht aus seinem Büro mit ominösen Anweisungen und geheimen Befehlen, darunter waren sogar drei Vernichtungsbefehle für verdächtige Mitarbeiter. Angeblich sollen sie ein paar Gramm Ghoulin aus dem Quarantänebereich hinausgeschmuggelt haben. Dies konnte niemand so bestätigen und es wäre auch völlig unlogisch gewesen, da sie trotzdem die nächsten 10 Jahre mit uns auf G-HAN 89 festgesessen hätten. Wahrscheinlich waren sie aus anderen Gründen ins Fadenkreuz von Gonrar geraten. Und was tat ich? Tja, was denken Sie denn wohl? Ich tat meine verdammte Pflicht und entledigte mich der subversiven Elemente. Waren wir also noch bei 414 Mitarbeitern. Sechs Verluste und das schon in der dritten Woche. Mein Wohlbefinden war bereits auf ein Minimum gesunken. Weitere Killorder würde ich einfach ignorieren, dass hatte ich mir gschworen. Mein Gewissen schrie bereits lauter, als ich es ertragen konnte.