Die Woche ging vorbei, wie nix und der unliebsame Besuch stand an. Mir war klar, dass das sogenannte Expertenteam vielleicht nicht unser Bestes im Sinne hatte, jedoch bestand die Chance, dass sie dem Phänomen auf den Grund gehen könnten, um endlich des Rätsels Lösung zu finden. Die Ernüchterung beim Eintreffen der Visite hätte nicht größer sein können. Als wir die Hauptschleuse öffneten und das Transportschiff mitten im Hangar wie ein stählerner Koloss landete, sprang sofort ein Haufen Söldner aus dem Schiff, die uns mit erhobenen Waffen bedrohten und zusammentrieben, als wären wir entlaufenes Vieh oder Sklaven. Machnir Gonrar, das Dreckschwein, behandelte uns wie Lebewesen zweiter Klasse. Mein Sicherheitschef beanstandete dieses Vorgehen und wurde eiskalt niedergeprügelt, bis er schwieg. Davon eingeschüchtert gehorchten wir und taten, wie uns befohlen wurde. Der gesamte Sicherheitsdienst wurde entwaffnet, eingesperrt und durch die Söldner und Geheimdienstoffiziere ersetzt. Wir wurden alle einzeln von drei sehr fähigen Mentalisten befragt, deren Gaben genug ausgeprägt waren, um zwischen Wahrheit und Lüge unterscheiden zu können und uns bei Bedarf das Hirn zu brutzeln. Im Hintergrund hielt sich ein viertes Metawesen auf, dass gelegentlich einen goldenen Coin in die Luft schnippte und wieder auffing, um zu sehen, ob es Kopf oder Zahl war. Vielleicht sollte der uns zusätzlich Angst machen oder war einfach die gelangweilte Reserve. Zu diesem Zeitpunkt war mir seine Rolle noch nicht klar. Für Gonrar schien diese ganze Prozedur viel zu routiniert. Er musste das schon einige Male gemacht haben. Immer dann, wenn scheinbar neue Aspekte der Monster aus der anderen Dimension beim Verhör zu Tage kamen, war Gonrar der Erste, der in den Raum stürmte und das Fragen übernahm. Irgendwie hatte dieser Bastard ein persönliches Interesse daran alles über die andere Dimension in Erfahrung zu bringen. Er zwang mich Tag und Nacht bei allen Verhören dabei zu sein. Die Mentalisten lösten sich ab. Aber mir gönnte man keinen Schlaf. Stattdessen bekam ich Aufputscher, um wach zu bleiben. Das war komisch, denn ich konnte quasi nichts dazu beitragen, dass mehr Informationen herauskamen. Warum mich also wachhalten und mich zwingen, das alles mitzuerleben? Erst später erfuhr ich das Warum.
Ab und an plauderte Gonrar, wenn er mal selber im Verhörraum war mit mir über die wahre Bedeutung des Solki Trans Projektes. Dabei erfuhr ich auch, dass Ghoulin in Wirklichkeit arkanes Meridiangestein war. Psychoaktiv und noch viel rätselhafter, als ich ahnte. Deshalb konnte es auch so viel Hitze und Bearbeitung ertragen, ohne eine Atomspaltung auszulösen. Wenn die Situation nicht so verfahren und absurd gewesen wäre, hätte ich bestimmt darüber nachgedacht, was ich für 100 kg Meridian alles hätte bekommen können. Aber so, wie es aussah, würde ich nicht mehr sehr alt werden. Fragen nach Reichtum stellen sich dann einfach nicht mehr. Ich war nie ein besonders mutiger Mann, allerdings fand ich in den letzten Monaten meiner Existenz doch noch zu einigem Anstand. Nach einer Woche der unerträglichen Verhöre wurde mir klar, dass Gonrar uns mindestens einfrieren lassen würde. Firmenpolitik, sie wissen schon. Vielleicht würden sie uns auch gleich töten. Ich traute denen Alles zu. Und da mein Leben scheinbar sowieso verwirkt war, konnte ich doch noch meinen Mut finden. So konfrontierte ich Gonrar mit einigen brisanten Fragen und verlangte von ihm eine Auskunft über unser Schicksal. Ich rechnete fest damit, dass ich zusammengeschlagen würde oder von den Mentalisten in die Mangel genommen würde. Aber aus irgendeinem Grund amüsierte sich Gonrar über meinen neuen Biss und beantwortete mir tatsächlich einige Fragen. Vielleicht wollte er sich auch nur die Zeit vertreiben, bis sie Phase 3 einleiten würden. Ja, sie haben richtig gelesen. Diese ganzen Vorfälle waren geplant und gehörten zu Phase 2. Phase 3 wird deutlich schlimmer und blutrünstiger, das kann ich ihnen sagen. Lesen sie bitte trotzdem weiter. Entweder war er zu selbstsicher oder es rutschte ihm so raus. Das war mir egal. Aber diese neue Information gab mir tatsächlich einen Handlungsspielraum. Für Phase 3 brauchten sie nämlich freiwillige Opfer, die sich wieder in jene Traumwelt zu den Monstern begeben würden. Und da kam dann auch der mysteriöse vierte Metaagent ins Spiel. Er hatte die Fähigkeit jemanden in die Rem-Schlafphase zu versetzen. Dabei träumt sein Opfer. Und währenddessen konnte dieser Metaagent im Traum selbst auftauchen und darin herumpfuschen. Einfach widerlich. Und wie sich später noch herausstellen sollte auch selten dämlich.
Damit sie noch mitkommen, fasse ich alles nochmal zusammen. Ghoulin ist in Wirklichkeit Meridian. Wo auch immer Timurai das her hatte, sie mussten ein Vermögen dafür aufgewendet haben. Meridian ist arkanes heißes Eisen im wahrsten Sinne. Jeder der es berührt hat, bekam später im Traum Besuch von den Monstern aus einer anderen Dimension. Nennen wir sie Dämonen. Gonrar wusste das schon, seitdem er das erste Mal am Meridian experimentieren ließ und versuchte mit Nachdruck dem Geheimnis dieser Dimension auf die Spur zu kommen. Ob die anderen Vorsitzenden darüber Bescheid wussten oder nicht kann ich nicht sagen. Es ist mir auch völlig egal. Denn jeder Konzern, der solche skrupellosen Verbrecher, wie Machnir Gonrar in der Führungsetage sitzen ließ, ist ein Verbrecherkonzern in meinen Augen. Zurück zur anderen Dimension. Das alles war keine Einbildung, so viel wusste ich, aber darüber hinaus konnte ich nur spekulieren. Vielleicht waren die Mythen und Sagen um Mepholons Unterwelt und seine Dämonenheere ja tatsächlich wahr. Oder eine unbekannte Spezies konnte perverserweise im Schlaf in unser Unterbewusstsein eintauchen und uns Horrorszenarien einpflanzen. Vielleicht waren es auch die sogenannten Erschaffer, die uns dramatisch warnen wollten, dass man mit Meridian nicht spielen sollte. Zu diesem Zeitpunkt hielt ich alles für wahrscheinlich und gleichzeitig für sehr besorgniserregend. Und Gonrar wollte Freiwillige genau wieder in diesen lebendigen Alptraum hineinschicken, um seine Nachforschungen anstellen zu können. So viel zur Lage in der dritten Woche nach besagtem Klipponstag.
Die Kaltschnäuzigkeit und die Routiniertheit, mit der Gonrar und seine Söldner vorgingen, machten es mir leicht, zu glauben, dass sie das nicht zum erstem Mal durchzogen. Ich erinnerte mich an schwammige und damals sehr unglaubwürdige Gerüchte, dass zwei bis drei kleinere Forschungststationen von Timurai im Botev Cluster von mysteriösen Psychokrankheiten heimgesucht worden seien. Mittlerweile hielt es diese Gerüchte für sehr glaubhaft. Es machte mir echt Angst.