Gonrar hatte anschließend noch ein paar Fragen. Ich antwortete wahrheitsgemäß und war froh, als ich endlich aus dem Raum gebracht wurde. Aber als die beiden Söldner mich in die Kantine brachten, kehrte meine Anspannung sofort wieder zurück. Genau dort wollte ich gerade nicht sein, nach meinem letzten Alptraum. Fast rechnete ich damit, dem Schweinedämon wieder zu begegnen, aber so weit war es noch nicht.
In der Kantine standen, saßen und lagen alle möglichen Leute durcheinander, die aus Bechern tranken und leise miteinander tuschelten. Einige schliefen sogar. Ich hatte mittlerweile mein Zeitgefühl völlig verloren. Es mussten Tage vergangen sein, seit ich zuletzt einen meiner Mitarbeiter gesehen habe. Instinktiv suchte ich nach Lonlio oder zumindest Pea meiner Stellvertreterin. Lonlio war nicht dort und Pea saß gegen die Wand gelehnt und an einem Sandwich knabbernd apathisch im hinteren Teil der Kantine. Ich ging zielstrebig auf sie zu, wurde aber immer wieder von allen möglichen Mitarbeitern aufgehalten, die von mir wissen wollten, was als Nächstes geschehen würde. Doch ich wusste ihnen auch nichts zu sagen, außer, dass sie ruhig bleiben sollten, bis entschieden wurde, wie es weiterging. Als ich endlich bei Pea ankam, war sie anscheinend vor Erschöpfung eingeschlafen. Ich konnte es Ihr nicht verübeln. Sie wurde wahrscheinlich auch stundenlang in die Mangel genommen. Ich ließ sie schlafen und beschloss mich einfach neben sie zu hocken und es ebenfalls mit einer Mütze Schlaf zu versuchen. Die Beleuchtung in der Kantine war gedimmt und die Geräuschkulisse war für die Fülle an Leuten verhältnismäßig leise. Die einzigen, die sehr beschäftigt waren, waren die Küchen- und Serviceangestellten, die versuchten möglichst alle mit Nahrung und Getränken zu versorgen, inklusive unseren Besatzern, versteht sich. Irgendwann schlief ich tatsächlich ein. Das war der nächste Fehler. Denn die Dämonen kommen im Schlaf und das Gegenmittel war raus aus meinem Blutkreislauf.
Wieder erwachte ich schwebend kurz unter der Decke und stieß mir vor Schreck den Kopf an. Diesmal war ich direkt in der Kantine. Gott sei Dank war sie leer. Dennoch hatte ich das Gefühl, beobachtet zu werden. Vor lauter Anspannung, fiel mir im Traum das Atmen schwer und ich wollte auch nur durch halb zugekniffene Augen wahrnehmen, was als Nächstes geschehen würde. Ich rechnete mit dem Schlimmsten. Mein Rechnung ging leider auf.
Die Kantine war zwar leer, doch die Gänge waren es nicht. Ich beschloss kurzerhand irgenwohin zu fliehen, wo ich die letzten Male, nicht war. Doch mein Plan scheiterte bereits im Gang vor der Kantine. Dort lauerten sie schon und schienen nur auf mich zu warten. Diese grässlichen Gestalten waren so furchteinflößend, dass ich den Atem anhielt und die Augen schloss. Instinktiv rollte ich mich zusammen und duckte mich mit zugekniffenen Augen weg. Plötzlich begann ich wieder zu schweben und verlor die Kontrolle über meine Körperhaltung. Die Wesen waren bereits herangenaht und griffen nach mir. Ich ergab mich einfach und schwebte in den sicheren Tod. Da war kein Lebenswille mehr und so erschlaffte ich und ließ mich davonzerren. Einer der Dämonen schnappte mich aus der Luft, als würde er einen Fliegenden Fisch fangen und schwebte mit mir zurück zur Kantine. Er sprach mich sogar mit Namen an. Aber mich verwunderte gar nichts mehr. Irgendwas von, der Boss warte bereits auf mich und ich hätte die Lösung. Hinter dem Monster schwebten weitere heran und schlossen sich uns an. Sie gackerten und glucksten, wie vergnügte Kinder, was ihrem Äußeren völlig zuwieder lief. Plötzlich kehrte der Magnetismus wieder zurück und wir landeten unsanft auf dem Boden. Zumindest ich landete unsanft. Die Dämonen schienen an diese Wechsel gewöhnt zu sein, weil das vielleicht ein normaler Teil ihrer Dimension war. Da meine ständige Panik dazu führte, dass ich emotional bereits völlig ausgelaugt war, begann ich mich innerlich zu beruhigen und einfach der Dinge zu harren, die da kommen würden. Natürlich vermied ich es, die Monster direkt anzuschauen, aber gänzlich verhindern konnte ich es nicht. Die meisten sahen aus, als wären sie irgendwann mal ansehnlich gewesen und dann mit der Zeit völlig entartet und entstellt worden. Sie hatten sogar auf eine verdrehte Art, fast etwas Menschliches an sich. Was mich nur noch mehr anwiderte.
In der Kantine, die zuvor leer war, wartete zu meinem Unglück dieses Schweineding auf uns, umgeben von einem Haufen Leichen. Keine Ahnung wie das alles zusammenhing, aber es war so. Das Schwein stellte sich als Boss Exon vor. Was für ein völlig unpassender Name. Schweinebacke hätte es wohl besser getroffen. Na ja. Die anderen Monster jaulten ihrem vermeintlichen Anführer lauthals zu. Ich wurde in eine der vielen Hände dieses Monsters übergeben, wie ein Stück Fleisch. Während das Ding, also Exon, mit mir sprach, flogen Blutspritzer in mein Gesicht. Er lachte darüber und verschmierte sie mit einer anderen Hand über mein ganzes Gesicht. Er sprach mit mir wie mit einem Haustier. Und ich dachte, dass ich in seinen Augen nicht viel mehr war, als der nächste Snack.
Doch dann kam eine Erkenntnis tief in mein Herz hinein, die mich wie angekündigt mehr verblüffte, als ängstigte. Denn sie barg auch Hoffnung in sich. Hoffnung, die ich in diesem Moment schon gar nicht mehr für möglich gehalten hatte.
In Wirklichkeit schien ich nämlich die Schlüsselperson für diesen Schweinedämon zu sein, um etwas sehr Wichtiges zu erreichen. Er nannte es den Übergang. Um es kurz zu machen. Die Sagen um die Engel, den Himmel und die gefallenen Engel sind vermutlich alle wahr. Diese ganze Sache mit dem Lichtbuch aus der Vala scheint keine Erfindung zu sein, die wir unseren Kindern erzählen, um unserer Existenz etwas Bedeutung zu verleihen. Es ist einfach alles wahr. Diese Dämonen waren gefallene Engel, die aus irgendeinem Grund keinen Zutritt mehr in unsere Dimension hatten und vermutlich an dieses Meridiangestein gebunden waren oder es irgendwie zu nutzen schienen, um die Dimensionen zu durchschreiten. Und sie hatten mich arme Kreatur auserwählt ihnen die Freiheit zu schenken. Nichts lag mir ferner, als diese Monster rauszuholen. Das müssen sie mir glauben. Doch leider blieb mir nicht viel übrig. In meiner Traumwelt zeigte mir Exon einen Vorgeschmack darauf, was passieren würde, wenn ich ihnen nicht gehorchen würde. Ich starb etliche Male qualvoll und missbraucht von Wesen, die ich auch nicht weiter beschreiben möchte. Einmal zerteilten sie mich tatsächlich in der Mitte meines Körpers. Solche Schmerzen hatte ich noch nie in meinem Leben. Es dauerte gefühlt noch endlose zehn Sekunden, bis ich endlich starb. Ein anderes Mal biss Exon mir alle Gliedmaßen ab. Einfach schrecklich. Leider erwachte ich immer wieder in diesem Alptraum mit intaktem Körper und war jedes mal ein Stück mehr gebrochen und williger, alles zu tun, was das Schwein wollte. Die Qual hörte erst auf, als ich schließlich völlig gebrochen aufgab und einwilligte. Der dreckige Jubelschrei der Dämonenmeute bringt mich noch jetzt zum Zittern. Ich musste es laut aussprechen, dass ich ihm gestatte über mich zu verfügen und meinen Körper übergebe. Erst dann waren sie zufrieden. Exon warnte mich eindringlich ihn nicht zu betrügen und mich nicht auf Gonrar, Mykro oder einen anderen Sterblichen zu verlassen. Dann drückte er mir einen glühenden Metallring um den Hals mit einer langen Kette dran. Ich dachte, dass ich jeden Moment ersticken oder in Flammen aufgehen würde. Stattdessen wachte ich wieder in meiner Dimension auf. Verändert, sehr verändert!