Mit offenem Mund starrte der Friseur auf seinen Bildschirm. Er war starr, vor Entsetzen. Für einen Moment überlegte er einfach alles zu löschen oder vielleicht doch lieber mit beten zu beginnen. S´Tueto nahm ihm die Entscheidung ab, indem er ihm einen Blaster an den Schädel hielt. »Du stehst jetzt auf und kommst mit mir mit!« Der Friseur starrte weiterhin auf den Bildschirm, der aus dem Deckenterminal mit vielen Kabeln und Gestängen vor ihm hing. »S´Tueto, ich dachte ... .« Langsam drehte er sich zu dem Melkorianer um. Das gerade die Dreinase ihn scheinbar ausgetrickst und ausspioniert haben soll, konnte er kaum fassen. »S´Tueto, steckst du etwa,..., nein, du solltest,.... Und ich dachte immer, ich sei der Söldner hier, aber in Wirklichkeit bist du es. Du warst es die ganze Zeit« Undall, der Friseur, stand auf, hob die Hände hoch und wandte sich zu S´Tueto um. Der ihn angrinste, wie ein kleines Kind, das ausnahmsweise mal Recht hatte. »Ja natürlich Undall, was hast du denn gedacht? Wir Melkorianer sind alle Söldner, stimmts Jungs?« Rief er triumphierend über die Schulter und erntete ein melkorianisches »Ahuy!«
Erst jetzt sah Undall, dass sämtliche Nachteulen seiner Schicht Melkorianer waren. Sieben an der Zahl. Und alle hatten diesen bescheuerten kindischen Ausdruck im Gesicht. Als wüssten Sie alle Bescheid und hätten ihn gerade voll und kalt erwischt. Irgendwo hatten sie das ja auch, musste Undall zugeben. Obwohl er kein Kämpfer im herkömmlichen Sinne war, schätzte er kurz seine Chancen ein, irgendwie trotzdem zu entkommen. Ein Blick zum Ausgang, an dem ebenfalls zwei bewaffnete Wachleute standen und bedrohlich auf ihn zeigten, ließ ihn allerdings gänzlich verzagen. Dann kam der Schlag, so schnell, dass er nicht mal blinzeln konnte.
Langsam öffnete Undall sein rechtes Auge. Dann das Linke. Momentan war noch alles verschwommen und sein Kopf dröhnte. Er wollte etwas sagen oder fragen, doch zunächst kam nur ein Stöhnen aus seinem Mund. Er war gefesselt auf einem kalten Stuhl und konnte sich nur marginal bewegen.
»Wo, wo bin ich? Was habt ihr mit mir gemacht?« Brachte er schließlich doch noch heraus. Erhielt aber keine Antwort. Alles Rütteln und Schütteln brachte ihm gar nichts ein. Nur noch mehr Schmerzen. Sein Kopf ließ kaum einen geordneten Gedanken zu. Stattdessen feierte seine Phantasie gerade ein Horrorszenario nach dem Anderen. Das war nicht sehr hilfreich. Um sich zu beruhigen, sah er sich im Raum etwas um. Sein Blick wurde wieder klarer. Vielleicht gab es ja irgendeinen Anhaltspunkt, um heraus zu finden, wo er sich befand. Es war sehr dunkel, obwohl es eine Lichtquelle gab. An der Decke waren Neonlichter und die Wände waren grau oder graumeliert und schienen das Deckenlicht eher zu absorbieren, als widerzuspiegeln. Deswegen wirkte der Raum auch so dunkel und bedrohlich. Wahrscheinlich war er in irgendeinem geheimen Befragungsraum. Sein Herz rutschte ihm in die Hose. Er begann zu zittern und hielt den Atem an bei jedem kleinen Geräusch. Das ging noch gefühlt eine Stunde so weiter und dann traute er sich endlich wieder den Mund aufzumachen. Er fragte nochmals, wo er sei, und erhielt diesmal tatsächlich eine Antwort.
Vor ihm ging ein Licht an, dass ihm den Blick auf eine verspiegelte Fensterscheibe freigab, die er vorher nicht wirklich erkennen konnte. Die grauen Wände waren genietete unpolierte Metallkacheln, die übereinander lappten, wie Lamellen. Deshalb haben sie auch das spärliche Licht verschluckt. Eine dröhnende Stimme aus vermeintlichen Lautsprechern hinter ihm begrüßte ihn mit den Worten: »Willkommen, Soldat. Mein Name ist Machnir Gonrar.« Vor Schreck riss Undall die Augen weit auf und begann den Kopf zu schütteln. »Bitte glauben Sie mir. Ich wollte mit der Sache nichts zu tun haben! Ich hätte alles gelöscht und wieder vergessen. Ich schwöre Ihnen, dass ich ein treuer Söldner der Cooperatio bin. So war ich schon immer.« Log Undall voller Panik, da er damit rechnete, jeden Moment getötet zu werden.
Doch so viel Glück sollte er nicht haben. Gonrar lachte hämisch ins Mikrofon. »S´Tueto hat mir was ganz anderes erzählt. Um es kurz zu machen. Ich glaube ihm.« Undall verlor jede Farbe aus seinem Gesicht. Für solche Situationen war er nicht gemacht. »Damit werden sie nicht durchkommen!« Brüllte er die Scheibe vor sich an. »Oh doch, das bin ich schon längst.« Dann räusperte sich Gonrar und begann ein kurzes Anschreiben vorzulesen. »Sehr geehrte Frau Doronga, leider habe ich die traurige Pflicht Ihnen mitzuteilen, dass Ihr Sohn Undall in Ausübung seiner Tätigkeiten ums Leben gekommen ist. Ein Chemieunfall, von dem Sie sicherlich aus den Medien bereits gehört haben, führte leider dazu, dass wir etliche Mitarbeiter verloren haben. Ihr Verlust tut uns als Timurai Cooperatio und mir als dessen Vorsitzender besonders Leid. Ich setze mich persönlich für eine umfassende Aufklärung des Vorfalls ein, das versichere ich Ihnen. Um Ihren Verlust etwas zu mildern, haben wir einen kleinen Betrag auf ihr Konto transferieren lassen. Die sterblichen Überreste Ihres Sohnes konnten leider nicht geborgen werden. Ich verbleibe mit freundlichen Grüßen und herzlichem Beileid. Ihr Machnir Gonrar, Konzern CEO.« Feierlich beendete er das Anschreiben.
Undall, dem die Tränen über das Gesicht liefen, schluchzte nur noch vor sich hin. Der Gedanke an seine Mutter, die vor Verlustschmerzen nicht mehr ein noch aus wissen würde, brach ihn völlig. »Ich tue alles, was Sie wollen, bitte, bitte. Verschonen Sie mich und tun Sie das meiner Mutter nicht an.« Er fühlte sich völlig hilflos. Als würde er mit einem Saurier diskutieren, der ihn sowieso auffressen würde. Dann zischte ein Schott hinter ihm auf und warf mehr Licht in den Raum. Das große Licht vor ihm erlosch wieder. Das Fenster verdunkelte sich. Undall zog die Nase hoch und hielt den Atem an. Würde man ihn einfach von hinten erschießen?
Dann klickte es zweimal und seine Hände waren frei. Undall fiel mehr vom Stuhl, als dass er aufstand, drehte sich blitzschnell um und sah die beiden verzerrten Karikaturen von Menschen, die er zuvor auf der Bilddatei gesehen hatte direkt vor sich stehen. Leibhaftige Dämonen. In Real sahen sie noch gruseliger aus. Sein Herz schien stehen zu bleiben und sein Blut wollte nicht mehr durch seine Adern schießen. Noch vor gefühlt einer Stunde, war sein Leben einigermaßen in Ordnung gewesen und jetzt sollte er sterben, als Leckerbissen für Wesen, dessen Existenz er noch vor Kurzem für völlig absurd gehalten hatte. Das war einfach zu viel für einen einfachen Mann, wie ihn. Dann hatte Krugan Gemek also versagt?
Aus dem Lautsprecher dröhnte nochmal die Stimme Gonrars. »Willkommen bei Phase 4, Soldat. dem Feldtest.« Das war das Letzte, was Undall Doronga, der Friseur, je hören sollte. Dann waren die beiden Biester schon über ihm und schlitzten ihn auf.
Sein letzter Gedanke war: Oh Gott nein!
Die meisten großen Medien hielten dieses Thema für zu heiß, als dass sie es einfach hätten bringen können, obwohl die Quelle eindeutig bestätigt werden konnte. Timurai zahlte Schmiergelder und ließ den ein oder anderen aufmüpfigen Reporter einfach verschwinden. Auch die Behörden der Kosmischen Konstellation konnten durch großzügige Spenden und eine spezielle Waffenlieferung an besagten Außenposten im Nelepadillimon Cluster besänftigt werden. Am Ende kam nichts an die Öffentlichkeit und der Bericht verschwand wieder in dunklen Archiven. Ob Krugan Gemek überlebt hatte oder nicht, und wenn ja, wo er sich aufhält, blieb ungeklärt. Fakt ist jedoch, dass G-HAN 89 nicht gesprengt wurde. Gonrars Abteilung sandte eine Söldnerarmee nach der anderen zur Station, um die Lage in den Griff zu bekommen und die beiden Exponate zu fangen. Aber es war viel schwieriger und kostspieliger, als ihm lieb war. Sie hatten es hier tatsächlich mit einer anderen Welt zu tun. Die Allgemeinheit ahnt bis heute nicht, in welcher Gefahr die umliegenden Welten schwebten. Da die anderen Vorstandsmitglieder mehr und mehr erkannten, auf welchen Wegen Machnir Gonrar wandelte und welche Gefahr für den Konzern dadurch entstand, drängten sie ihn zum Rücktritt. So trat er als CEO zurück mit einer hübschen Abfindung. Man munkelt, er befinde sich nunmehr auf der Flucht vor dem Gesetz.
Bis heute konnten die Vorfälle um G-HAN 89 nicht restlos aufgeklärt werden, da die Timurai Cooperatio weiterhin alles abstreitet. Was hatte man auch anderes erwartet. Auch die massenhafte Psychose, die in Aglaran City auf der Tauta Zet Heimatwelt Tauta zum Erliegen der öffentlichen Ordnung und zahllosen Unruhen geführt hat, konnte nicht gänzlich aufgeklärt werden. Eine Verbindung zwischen diesen Ereignissen und denen auf G-HAN 89 können nicht ausgeschlossen werden, sind aber spekulativ. Da ein Gegenmittel gegen die Psychosen der Bevölkerung von Aglaran City gefunden wurde, scheint die Krise damit abgewendet worden zu sein. Und morgen fragt Niemand mehr nach, was wirklich passiert ist und wer davon profitiert hat. Ein kleiner Tipp, die Bevölkerung hat nicht profitert. Nach dieser Geschichte lacht wohl nur Mepholon, der alte Drache.