............. Wichtige Eilmeldung: neue Entwicklungen beim Chemiewaffen-Skandal der Timurai Cooperatio, Haupttäter stellt sich den Behörden ............
Die automatische, fliegende Kameraeinheit zog einen großen Schwenk über das prachtvolle Hauptgebäude der Timurai Cooperatio, dem sogenannten Timurai Milfordium. Ins Bild kam plötzlich die sehr beliebte und äußerst hübsche Journalistin Esequeb Naresi und begann gewohnt gelassen ihren Report.
»Herzlich willkommen, hier ist ihre Esequeb Naresi, wie immer live vor Ort, wenn was großes, Kosmisches in der großen Kosmischen passiert.« Mit einem für sie typischen, süffisanten Lächeln unterbrach sie ihre Anmoderation und blickte dann nickend zum riesigen Milfordium. »Direkt hinter mir sehen sie die riesige Zentrale der Timurai Cooperatio. Immerhin noch das drittgrößte Gebäude der ganzen Konstellation. Hier werden die großen Deals gemacht, hier fließen die Credits. Und ganz da oben ist die Chefetage mit dem zwölfköpfigen Vorstand. Dieser verliert heute überraschenderweise einen ihrer Mächtigsten und ältesten Mitglieder. Borys Jokscher. 20 Jahre lang lenkte er die Geschicke des Konzerns. Doch jetzt kam heraus, dass er wohl mit dem korrupten und wahnsinnig gewordenen Machnir Gonrar unter einer Decke gesteckt habe, von dem er sich noch vor Monaten vehement distanziert hatte. «
Ein Einspieler mit Bildern der Verhaftung von Borys Jokscher wurde eingeblendet. »Wie sie sehen, ist Jokscher bereits abgeführt worden. Laut Angaben der Justizbehörden soll er sich durch einen Anruf beim zuständigen Ankläger im Chemiewaffen-Fall selbst gestellt haben. Der Druck, der auf ihm gelastet habe, sei einfach zu groß gewesen. Eine Insider Quelle aus der Führungsetage der Timurai hat unlängst bestätigt, dass die Suche nach Machnir Gonrar ebenfalls beendet wurde. Ob dies das schon lange vermutete Ableben Gonrar's bedeute oder dessen parallele Verhaftung, konnte oder wollte meine Quelle zum jetzigen Zeitpunkt weder bestätigen noch verneinen.« Plötzlich unterbrach sich Esequeb, fasste sich an ihren Ohrenstöpsel und schaute abwechselnd zum Milfordium hinter ihr und wieder zurück in die Kamera. »Offensichtlich gibt es neue Entwicklungen. Es wurden zwei Leichen gefunden. Und eine davon soll Machnir Gonrar sein. Die Anwälte von Borys Jokscher treten just in dieser Sekunde vor die Kameras, um eine Erklärung zu verlesen. Wir schalten direkt rüber.« Mit einer Schwarzblende wurde das neue Bild eingeblendet. Eine Versammlung von mindestens 15 schick gekleideten Anwälten verschiedener Völker stand vor den Kameras. Der Sprecher der Gruppe, ein groß gewachsener Meloka, verlas mit monotoner Stimme.
»... des Weiteren erklärt Herr Jokscher in Notwehr gehandelt zu haben. Sowohl Machnir Gonrar, als auch dessen Leibwächter kamen im Rahmen eines kurzen Feuergefechts ums Leben. Die Leichname wurden bereits der Gerichtsmedizin zur weiteren Untersuchung übergeben. Unser Mandant Borys Jokscher bekennt sich zur gemeinschaftlichen Verschwörung gegen die Timurai Cooperatio, ihre Organe und Angestellten für schuldig. Eine genaue Liste mit Vergehen wurde dem zuständigen Richter bereits übermittelt. Dies tut unser Mandant im freien Willen und Vollbesitz seiner Kräfte und um weiteren Schaden von der Timurai Cooperatio abzuwenden.« Endlich erhob der Sprecher seine Augen in Richtung der Journalisten. Er hatte einfach alles vorgelesen. Ein anderer Anwalt trat ans Mikrofon und verkündete im Namen der Timurai folgendes Statement. »Im Namen des Vorstands der Timurai Cooperatio, darf ich ihnen allen versichern, dass der gesamte Vorgang nun endlich und restlos aufgeklärt werden wird.«
Nach einer weiteren Schwarzblende kam Frau Naresi wieder ins Bild, die eine Hand weiterhin an ihrem Ohrstöpsel hielt. »Nun, meine Damen und Herren, wie es aussieht, kommt damit wieder Bewegung in den Chemiewaffen-Fall. Der langjährige Vorsitzende Borys Jokscher hat sich offensichtlich selbst gestellt. Welche Auswirkungen dies auf die laufenden Ermittlungen haben wird und ob es dadurch endlich die großen Entschädigungen geben wird, erfahren sie natürlich hier bei uns, auf Constellatio Consensius, als erstes.« Ihr jahrelanges, eingeübtes Lächeln gefror zu einer Maske, die sie noch einige Sekunden aufrechterhielt, um nicht in eine peinliche Situation zu geraten, falls die Kamera noch live übertragen sollte. Dann endlich fiel die Maskerade von ihr ab. Sie kramte in ihrer Seitentasche und holte sich einen Fumastift heraus, den sie sich sogleich in den Mund steckte. Der Qualm des ersten Zuges war immer der aromatischste. Und den genoss sie gerne mit geschlossenen Augen, bis gelbe und grüne Lichtpunkte vor ihrem inneren Auge zu tanzen begannen. Das war das Zeichen, dass das Fuma bereits seine berauschende Wirkung zeigte. Sie öffnete ihre glasigen Augen und pustete genüsslich den gelben Rauch aus ihrer Nase.
Ihr Sendeleiter faselte irgendetwas Belangloses in ihr Ohr. Sie beschloss kurzerhand, den Ohrenstöpsel herauszunehmen. Sie war der eigentliche Star der Sendung. Die Nachrichten waren nur Garnitur.
Ihr Korder vibrierte. Endlich, dachte sie vergnügt und hielt ihn an ihr Ohr. »Naresi hier.« Sie schaute sich kurz um, ob jemand in Hörreichweite war. Das war nicht der Fall. »Schießen sie schon los, ich bin sicher, keiner kann mich hören.« Ungeduldig spielte sie mit der freien Hand mit einer silbernen Strähne ihres Haares. »Selbstverständlich! Ich habe alles genauso formuliert, wie sie es mir zuvor gesagt haben. Außerdem war ich live auf Sendung. Das Ding ist sozusagen schon raus im Äther, wenn sie verstehen … ich, ja natürlich … darauf habe ich geachtet und das Timing war perfekt!« Der Kerl, mit dem sie hier einen Deal abgeschlossen hatte, kam ihr plötzlich fordernd und kalt vor, fast, wie ein Roboter. Er versprach ihr vorab die Exklusivrechte an einer Infotainment Kampagne, die sie als Starreporterin erhalten würde. Das wäre der nächste logische Schritt. Ein Erfolg, den sie unbedingt brauchte, um Climwen, den fetten Sendermanager endlich davon zu überzeugen, dass sie längst eine eigene Latenightshow verdient hatte. Aber jetzt war sie sich nicht mehr so sicher, ob der Deal mit ihrem ominösen Anrufer, der sich als Vorstandsmitglied ausgab, wirklich so gut war, wie sie dachte. Energisch unterbrach sie den Anrufer. »Stopp, jetzt hören sie mir mal zu! Ich habe alles genauso gemacht, wie sie es wollten. Jetzt müssen sie liefern, und zwar schnell! In einer Woche interessiert sich keine Sau mehr für Borys Jokscher. Ich brauche heute die ersten Impressionen aus dem Vorstand. Ich brauche echte Emotionen. Familienbilder und dreckige Details, wenn ich bitten darf. Ich will, dass … ehrlich? Sie meinen jetzt gleich? … und wie komme ich an ihren vielen Security vorbei?« Naresi blickte sehnsüchtig zur obersten Etage. Der Ort, an dem sie und ihre Kamera gleich wertvolle Bilder aufnehmen werden. Sofern der Anrufer tatsächlich das ist, was er behauptet zu sein. »Ich soll also einfach beim Empfang warten? Na gut, ich bin unterwegs. Halten sie ihr Wort, dann lasse ich sie gut dastehen in der Reportage.« Sie beendete das Gespräch, steckte den Korder in ihre Hosentasche und betätigte den Knopf für die interne Übertragung der Kamera ins Studio. Mit einem breiten Lächeln verkündete sie, dass sie drin wäre und gleich die Bilder des Jahres liefern werde. Dann schaltete sie die Kamera wieder aus und ging eifrig zum Haupteingang des Milfordium.
Byram Quantvallier steckte seinen Korder zurück in seine Brusttasche und verschränkte die Arme vor der Brust. Er starrte mit seinen verbesserten Augen auf den kleinen schwarzen Punkt, der sich zielstrebig auf das Gebäude zu bewegte. Er befand sich im Obersten Stockwerk des Milfordium, dem 310ten Stockwerk. Der schwarze Punkt war Esequeb Naresi, die Laifan Schönheit, die ihre Karriere über alles stellte. Genau das wusste Quantvallier auszunutzen. »Noch zwei Tage Sturm und einbrechende Kurse, dann wird sich der Wind wieder drehen!« Sagte er zu den beiden Männern hinter ihm. Diese sahen sich fragend an, bis einer von ihnen das Wort ergriff. »Wie können sie da so sicher sein, Quantvallier?« Er drehte sich zu den beiden alten Herren um und legte den Kopf schräg. »Wenn ich mich wundern könnte, würde ich mich jetzt über sie wundern. Sie scheinen relativ wenig Vertrauen in ihr eigenes Werk zu haben, verehrte Gentlemen. Denn sie haben mich doch dafür erschaffen und auserkoren hier im Vorstand für die Wahrung der Konzerninteressen alles zu tun, was nötig sei. War es nicht so?« Die beiden Herrschaften blickten sich mit hochgezogenen Augenbrauen erstaunt an und nickten dann zustimmend. »Dann lehnen sie sich zurück und genießen sie die Show! In einigen Minuten wird Frau Naresi durch diese Tür kommen und als erste Journalistin überhaupt hier drin filmen dürfen. Dafür und durch eine emotionale Bindung, die ich gedenke mit ihr aufzubauen, wird sie unendlich dankbar und gefügig sein. Ich habe außerdem vorrausgesehen, dass sie in absehbarer Zeit Chefredakteurin des einflussreichsten Senders der gesamten Konstellation werden wird. Das alles wird dem Konzern in die Karten spielen. Positive Berichte über unsere vielfältigen sozialen Projekte, sowie die von der Religio unterstützen Waisenhäuser, die großzügige Unterstützung der Beamtenrentenfonds und vieles Weitere werden die zukünftigen Schlagzeilen über die Timurai Cooperatio bestimmen. Dafür werde ich sorgen. Haben sie noch Fragen zu meiner Strategie? Dann fragen sie jetzt!«
Wieder blickten sich die alten Herren an. Diesmal vergnügt und zufrieden. Doch eine Frage hatten beide tatsächlich noch. »Nur eines noch Quantvallier. Wie wollen sie die Emotionale Bindung zu dieser Frau denn sicherstellen?«
Quantvallier drehte den Herrschaften wieder den Rücken zu, senkte den Kopf und musste lächeln. »Ihre Phantasie scheint sehr begrenzt zu sein. Ich werde natürlich mit ihr schlafen und eine Liebschaft anfangen.«
»So, so«, raunten die beiden im Chor mit großen Augen und schwebten dann mit ihren altersgerechten Lapsaren, die kostspielig an sie angepasst waren, um ihnen weitere 20 oder sogar 30 Jahre Lebenszeit zu ermöglichen, davon, bevor die Reporterin eintraf.
Dann öffnete sich die berühmte rote, gemaserte Massivtür zum Konferenzraum. Hinein trat die sonst so selbstbewusste, doch plötzlich etwas eingeschüchtert wirkende Nachrichten-Sprechpuppe Naresi, begleitet von vier muskulösen Volonen-Sicherheitsagenten.
Quantvallier kam offenherzig und freudestrahlend auf sie zu. Mit einer kurzen Handbewegung schickte er den Sicherheitsdienst fort. Er ergriff die zitternde Hand Naresi’s und küsste sie behutsam. »Sie sind eine wahre Augenweide Fräulein Naresi. Keine Kamera und sei sie noch so gut, vermag je den wahren Glanz ihres Antlitzes ganz einzufangen. Wollen wir gleich beginnen?« Sein Lächeln gefror zu einer Maske, die Naresi nur zu gut kannte. Von sich selbst. Dann wird das hier also ein Geben-und-Nehmen-Deal der alten Schule? Meinetwegen und hübsch bist du ja auch. Dachte sie und lächelte so herzlich zurück, wie sie konnte.