Die Sitze des langsamen kastenförmigen Vehikels – wie er Deans kostbaren Impala mit Vorliebe bezeichnete – luden ihn dazu ein, sich tiefer in den weichen Stoff zu lehnen. Dunkelheit hatte ihn umschlossen und gemütliche Wärme lullte ihn ein, als seine Augenlieder zufielen.
In einem plötzlichen Anfall von Ärgernis zwang er sich dazu seine Augen wieder zu öffnen und starrte blind nach vorn. Für wenige Sekunden tanzten schwarze Punkte in seinem Blickfeld, doch nach einigen Momenten wurde alles klar und deutlich konturiert. So deutlich und konturiert wie es die Dunkelheit seinen erschöpften, beinahe menschlichen Sinnen erlaubte.
Dean saß hinter dem Steuer – wie immer – und Sam auf dem Beifahrersitz. Sie schwiegen. Er drehte seinen Kopf zur Seite und wandte seinen Blick auf die Dinge hinter dem kalten Glas, außerhalb des fahrenden Autos. Vieles rauschte am Fenster vorbei. Es könnten Bäume sein, Straßenlichter oder sogar Häuser. Seine Wahrnehmung entsagte ihm eine genauere Einschätzung. Letztendlich war er immer noch ein Engel, um Himmels Willen – oder eher Unwillen.
Engel ließen sich nicht in Autos kutschieren und fühlte sich dabei, nicht gerade sicher, doch beruhigt und gewissermaßen entspannt. Engel teleportierten sich selbst und andere durch Raum und Zeit, sie töteten Menschen und holten sie durch eine simple Berührung wieder zurück ins Leben. Sie hatten übermenschliche Fähigkeiten und Kräfte, sie brauchten weder Essen noch Trinken, oder gar Sauerstoff. Und sie kämpften erst recht nicht gegen Schläfrigkeit an, weil sie sich nicht auf eben jenes niedere Bedürfnis herablasen mussten.
Aber wach zu bleiben war ermüdend, atmen war ermüdend, so schwach zu sein... war menschlich. Bisher hatte ihn der Ärger darüber wach gehalten. Nicht der gegen den Himmel gerichtete – die dort nichts Besseres zu tun hatten als sich gegenseitig abzuschlachten -, sondern gegen sich selbst – beeinflussbar zu sein, Grenzen zu haben – oder die Winchesters. Dafür, dass beide Brüder so nah daran waren ihren Widerstand gegen Michael aufzugeben.
Die schleichende Wut akzeptierte er, dennoch kroch immer mehr Angst in sein Bewusstsein. Bisher war ihm die Kontrolle noch nie entglitten. Tot zu sein, bedeutete für ihn nichts zu spüren. Doch er war immer wieder zurückgekehrt, in die Welt der Menschen und in seine eigene Kontrolle. Einzuschlafen würde bedeuten die Kontrolle abzulegen, praktisch nur halb-tot zu sein. Er war sich sicher, dass Menschen immerhin etwas der Ereignisse um sie herum bemerkten, wenn sie schliefen. Oder er hoffte es. In diesem Zustand könnten sie mit einfachsten Methoden verletzt werden und würden nicht ansatzweise in der Lage sein sich zu verteidigen.
Dämonen und Engel hatten Zugang zu Träumen, konnten sie steuern und eigene Welten erschaffen. Wie würde es sich anfühlen, selbst diesem schwebenden unsicheren Nichts ausgesetzt zu sein?
Als er sich die Frage stellte und in seinen losen Gedankengängen nach Antworten suchte, verlor sich das Motorengeräusch des Impalas immer mehr in nächtlicher Ferne. Ein vernebeltes Grün, unterbrochen von hellen und dunkleren Flecken schob sich in sein Sichtfeld. Hunderte von Bäumen, jeder ähnelte einem anderen so sehr wie sie sich voneinander in kleinen Details unterschieden. Er musste sich auf einer Art Lichtung oder grob geschlagenen Schneise befinden. Helles Licht stach an manchen Stellen durch den dichten Wald, der ihn umgab, und erhellte seine Umgebung soweit, dass er sie mühelos erkennen konnte, doch den Schatten hinter der ersten Reihe Bäume nicht erhellte.
Wenige Meter vor ihm sprang jemand aus dem Wald, drehte sich auf den Hacken um und blieb stehen. Eine Frau, wilde Locken zu einem Zopf zusammengebunden. Ihre Augenbrauen senkten sich für eine Sekunde, als sie musterte. „Kommen Sie! Oder wollen Sie von den Engeln getötet werden?“ Ihr Tonfall sprach zugleich von Ärger, Sorge und der Bedrängnis ihrer Aufforderung sofort nachzukommen.
Im nächsten Moment stand er vor ihr. „Ich weiß, dass ich vom Himmel ausgeschlossen bin. Doch es ist neu, dass mich tatsächlich töten wollen. Wer ist es? Michael? Luzifer? Gabriel?“ Er legte den Kopf schief. „Sind Sie ein Prophet?“
Sie schien verwirrt zu sein und ging einen Schritt nach hinten. Seine nicht wahrnehmbare Bewegung musste sie in Staunen versetzt haben. „Gehören Sie zur Agency?“ Ihr Blick wanderte zu seinen Händen. „Wo ist Ihre Gelenkfessel?“
„Wovon sprechen Sie?“ Menschen waren in der Tat unverständliche Wesen. Er sah auf seine Handgelenke herab, verborgen durch seinen hellen Trench Coat.
„Offensichtlich nicht“, antwortete sie und konzentrierte sich auf etwas hinter ihm. „Die Engel kommen näher. Im Moment sind sie mit dem Riss beschäftigt, das wird sie nicht lang genug täuschen. Kommen Sie!“ Sie drehte sich um und rannte los.
„Warten Sie! Welcher Riss?“ Doch sie war bereits im düsteren Wald verschwunden. Er entschloss sich ihre Worte und Besorgnis zu entziffern. Er wandte sich um und blinzelte gegen das helle Licht an, das durch die Bäume brach und lange Schatten über ihn warf. Der Wald erschien beinahe Surreal, eine Künstlichkeit in einer erdachten Welt. Irgendwo zwischen den Bäumen entdeckte er die Umrisse einer regungslosen Figur. Eine Statue anscheinend. Mitten im Wald. Wieder eine Eigenschaft der Menschen die er nicht verstand. Sie stellten Dinge an Orten auf, an denen sie niemand vermutete, oder je zu Gesicht bekommen würde.
Neugierig ging er auf sie zu, hielt einen Arm vor die Augen um sie vor dem einfallenden Licht zu beschützen. Die Statue war verschwunden. Zumindest war sie nicht mehr dort, wo sie vor wenigen Sekunden gestanden hatte.
Castiel ließ seinen Arm wieder sinken und sah sich fast Nasenspitze an Nasenspitze mit einem verwitterten steinernen Gesicht gegenüber, das den Mund zu einem stummen Schrei aufgerissen hatte. Ein Arm erhoben, die perfekt gemeißelte Hand ausgestreckt, als wollten die Finger nach etwas greifen. Automatisch sprang er zurück und zwang mehr als wenige Zentimer Platz zwischen sie. Der andere Arm der Statue hatte sich beinahe um seine Seite geschlossen, doch verharrte in der Bewegung.
Wie hatte es sich bewegen können? Eine Statue.
Sie schien dynamisch zu sein, eingefroren im Moment einer flüssigen, gezielten Bewegung, das Gesicht jedoch verzweifelt. Er betrachtete die steinernen Züge genauer. Kleine Vampirzähne hoben sich aus dem offenen Mund hervor, der von eingefallenen Wangen und einem leeren Blick und einem angeschlagenen Kinn begrenzt wurde. Flügel sprossen der Statue aus dem Rücken, überragten die schmalen Schultern und breiteten sich hinter dem Körper der Statue aus.
„Du bist der Engel, gesandt, mich zu töten?“, fragte er, ohne eine Antwort zu erhalten. „Wie kannst du dich bewegt haben? Du bist aus Stein gemeißelt, mit der Zeit vernachlässigt und verwittert. Warum rufst du Angst in Menschen hervor?“ Er lehnte sich vor, eine Hand vor seinem Gesicht erhoben, um seine Fingerspitzen über den kalten Stein gleiten zu lassen.
„Nicht blinzeln!“, schrie eine Stimme hinter ihm. Dieses Mal war es eine männliche. Castiel drehte sich um und erblickte einen schlaksigen Mann der fanatisch mit einem Arm wedelte. In der Hand hielt er etwas umschlossen, das an einem Ende grün leuchtete und möglicherweise der Form eines Schraubendrehers ähnelte. „Nicht!“, schrie er wieder.
Er hätte den Fremden mehr Aufmerksamkeit zukommen lassen, doch jemand, oder etwas, um seinen Vorstellungen mehr zu entsprechen, raffte seinen Kragen und warf einen kalten krauen Arm um seinen Hals. Instinktiv hob er beide Hände zu dem Arm und stieß gegen rauen Stein.
Der Schreihals mit dem leuchtenen Schraubendreher kam näher und starrte konzentriert an ihm vorbei. „Ich habe Ihnen gesagt, Sie sollten nicht wegsehen.“
„Sie haben gesagt, ich solle nicht blinzeln“, korrigierte Castiel ihn, leicht genervt von der unberechtigten Flapsigkeit des Mannes. „Wer sind Sie?“
„Das bedeutet bei Weinenden Engeln das gleiche. Sie können sich nur bewegen, wenn Sie den Blick abwenden – oder blinzeln. Und sehen Sie ihnen nicht in die Augen, das erlaubt ihnen Zutritt zu ihren Gedanken und... nun, sie nach Belieben durcheinander zu bringen.“
Obwohl sein Blick sich auf die lebende Statue hinter ihm konzentrierte, wedelten seine Arme umher, als würde eine Erklärung nur mit Worten nicht ausreichend sein.
„Wer sind Sie?“
„Ich bin Der Doktor. Wie bekommen wir Sie frei? Und wer sind Sie? Sie sind nicht in Rivers Team gewesen.“
„Hören Sie zu, Doktor. Gehen Sie einen Schritt zurück, ich werde mich selbst befreien. Es scheint, als habe ich hier wieder Zugang zu meinen vollen Kräften. Ich bin ein Engel des Herren.“ Oder bin es mal wieder für eine kurze Zeit. Da der Fremde es nicht für nötig befand seinen Namen zu nennen und seinen Beruf für ausreichend ansah, erwiderte Castiel es im gleicher Weise.
„Nein! Nein, Sie sind doch kein Engel. Sie sind nicht aus Stein. Sie bestehen aus Blut, Knochen und Fleisch. Sie können reden ohne sich fremde Stimmbänder zu leihen.“ Der Doktor schlug ihn mit dem Schraubendreher auf die Finger und Castiel verzog ungewollt das Gesicht. „Sehen Sie, Sie fühlen sogar.“
„Ein Engel des Herren“, wiederholte Castiel.. „Ein Geist, um es genau zu fassen und ich kann diese Statue mühelos explodieren lassen. Sie müssen sich nur aus dem Explosionsradius entfernen.“ Für einen Moment fragte er sich, weshalb er so viel über sich verriet und warum er den Fremden warnte. Wahrscheinlich weil er und diese Frau ihn hatten warnen wollen, wenn nicht gar retten. In seiner Welt rettete niemand grundlos einen Fremden.
Zu seiner Überraschung ging der Doktor – oder wie auch immer er wirklich hieß – mehrere Schritte zurück, seinen Blick fest auf den gemeißelten Stein gerichtet, der Castiel festhielt.
Er sammelte seine ganze Kraft und schickte Einzelteile des steinernen Engels durch die Luft, bis sie mit einem dumpfen Aufprall weit entfernt auf dem Waldboden aufschlugen. Als er nach vorne trat, fiel er über seine eigenen Füße. Etwas zog an seinem Fußgelenk und zwang ihn zu Boden.
Der Waldboden näherte sich ihm in unangenehmer Geschwindigkeit, bis er sich behelfsmäßig auffing, seine Hände in den lockeren Erdboden schlugen und seinen Körper abfederten. Der Boden roch nach Jahrelanger Verrottung und vielen kalten Wintern, die ihn geformt hatten. Als er seinen Blick wandte sah er nichts weiter als eine Wurzel, die aus der Erde gebrochen war und in der seine Schuhspitze sich verhakt hatte.
„Stehen Sie auf, Engel. Sie wollen doch nicht vom Riss verschluckt werden.“
„Wohl kaum“, erwiderte Castiel mit so viel Stimme wie er auf dem Boden zusammenkratzen konnte. Ein metalisches Summen ertönte über ihm, das in seinen Höhen und Tiefen schwankte, und eine fremde Energie schummelte sich in sein Kraftfeld. „Was machen Sie da?“
„Ich scannen Sie.“
Castiel sah auf, während er versuchte auf seine Füße zu kommen ohne desorientiert zu wirken, oder wieder auf dem Boden zu landen. Der Doktor blickte erwartungsvoll auf seinen leuchtenden Schraubendreher herab. Seine Arme und Beine fühlten sich tonnenschwer an, dennoch versucht er sich an dem Baum, in dessen Wurzel er sich verhangen hatte, hochzuziehen.
Wahrscheinlich diente dem Doktor sein Beruf als vorübergehender Einstieg und war weniger dazu gedacht seine Identität zu verbergen. Es musste die gleiche Funktion haben wie schwarzäugige Monster Dämon zu nennen – oder von einem Dämon besessen.
„Sie sind alt“, stellte der Doktor erstaunt und gleichsam fasziniert fest. „Und tatsächlich ein Engel. Keiner, der mir bekannt ist.“
„Endlich“, brachte Castiel zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. Er hatte sich nun ganz am Baum hochgezogen. Vorsichtig ließ er los, schwankte und umarmte den Baumstamm erneut, um ein wiederholtes Aufeinandertreffen mit dem nächtlichen Waldboden zu vermeiden. „Ich gehöre hier nicht her.“ Er war, trotz seiner zugezogenen Schrammen die der Sturz und die Nutzung seiner sporadisch auftauchenden Fähigkeiten verursacht hatten, stolz genug um den Baum noch einige Male zu umarmen anstelle, den Doktor um Hilfe zu fragen.
Der Doktor ließ ihm ein halbherzigen Lächeln zukommen. „Ich auch nicht. Sogesehen sind wir beide komische Aliens.“ Er sah sich um. „Wie kommt es, dass Sie erst auf der Erde und dann hier landen? Ihre Steuerung ist wohl durcheinander geraten, hm?“
„Sind Sie immer so neugierig?“ Endlich stand er aufrecht, konnte nach vorne blicken, ohne dass sich alles drehte und war sich sicher einige Meter voran zu kommen, um diesem viel gefürchteten Riss zu entkommen.
„Ich bin der Doktor.“ Wahrscheinlich war die Phrase seine Lieblingssatz und er beantwortete jede Frage, die zu weit führte oder die er als zu unwichtig empfand um wirklich beantwortet zu werden damit.
„Ich habe mich gegen den Krieg aufgelehnt, was es zu einem Widerstand gegen den Himmel gemacht hat. Sie haben mich rausgeschmissen und hier sind wir.“ Castiel setzte vorsichtig einen Fuß vor den anderen, erfreut, dass es funktionierte.
Der Doktor kicherte in sich hinein. „Sie passen auf die Menschen auf, obwohl sie zuerst nichts mit Ihnen zu tun haben wollen und ernten als Dank Verachtung von Ihren himmlischen Kumpanen.“
„So ungefähr. Was haben Sie angestellt?“ Leider funktionierte der nächste Schritt nicht so, wie er es sich vorgestellt hatte. Obwohl er sein Bein zur Bewegung zwang, seinen Fuß, sich vom Boden zu lösen und sich nach sechzig Zentimetern wieder zu senken, geschah nichts.
Der Doktor versank in Nachdenken, bevor er eine Antwort gab. Er legte seinen Kopf schief, ein besorgter Ausdruck in seinen Augen. „Sie haben dem Engel in die Augen gesehen, nicht wahr? Sie wandeln sich zu Stein.“
„Ich – wovon reden Sie?“
Castiel folgte dem Blick des Doktors und sah auf sein gelähmtes Bein hinab. Sie schienen mit ihrer grau-weißem Maserung nicht zu ihm zu gehören. Probehalber spannte er seine Muskeln an, versuchte, sein Bein anzuheben. Ohne Erfolg. Der Stein kroch nun beidseitig zu seinen Knien hinauf und nahm die Spitzen seines langen Mantels in Besitz.
„Ich habe eine Kiste geklaut, meine gute Tardis und mir das Universum angesehen. Die Time Lords haben versprochen sich nicht bei den Menschen einzumischen. Ich konnte nicht widerstehen. Aber es war notwendig. Meine Leute mochten das nicht. Und während des Zeitenkrieges zerstörte ich die meisten Daleks und habe die Time Lords sicher weggeschlossen. Gallifrey brannte. Ich vermute, das Universum würde entflammen, würden die Time Lords je die Möglichkeit erhalten zurückzukehren. Wenn ich Glück habe, können sie sich nicht entscheiden, ob sie zuerst mich umbringen wollen oder die Erde anzünden, dann habe ich genug Zeit, mir darüber Gedanken zu machen, wie ich sie wieder wegschicke.“
Er versuchte den Blick des Doktors zu erhaschen und zu halten. Dieser verlor sich in der Vergangenheit. Oder wo auch immer sich der Blick eines Zeitreisenden verliert, wenn er über seine Vergangenheit spricht.
Castiel war kurz davor dem Doktor Enochisch und einen Bannkreis vorzuschlagen, doch wahrscheinlich waren ihre Welten zu verschieden, als dass Bannkreise ihre Wirkung täten. „Eine Apokalypse“, fasste er schließlich die Sorgend es Doktors zusammen.
Von beiden unbemerkt, war das Licht stärker geworden, wanderte Näher. Der Wald wurde nun von einer grimmigen hellen Kälte eingenommen. Das Licht musste von dem Riss herrühren, der ihnen wohl auch immer näher rückte. Der Stein erreichte beinahe die Fingerspitzen des Engels und verwandelte ihn von einem vom Himmel ausgeschlossenen Engel in einen, der von allen anderen Kreaturen gefürchtet und gemieden wurde.
„Nennen Sie es, wie Sie wollen. Sind Sie von der anderen Seite des Risses?“
Seine Hände hatten sich komplett zu stein gewandelt. Er spürte sie nicht mehr und war beim besten Willen nicht mehr in der Lage seine Arme, oder seinen Oberkörper großartig zu bewegen. „Was ist auf der anderen Seite? Die Hölle?“
„Es ändert sich. Dort war mal ein Gefängnis. Es könnte jetzt ein anderes Universum sein.“
Es wäre nicht das erste Mal, dass er in eine unbekannte Welt gebracht wurde. „Ah.“
„Ich kann Ihnen nicht helfen, wieder Sie selbst zu werden.“ Vielleicht war es ein entschuldigendes Lächeln, das zu ihm durchbrach, vielleicht auch Verwunderung oder Neugierde.
„Das habe ich erwartet. Was passiert, wenn ich durch den Riss gehe?“
„Weiß ich nicht. Wahrscheinlich werden Sie nie geboren worden sein.“
„Ha! Noch ein neuer Weg zu sterben.“ Sarkasmus mischte sich in seinen Ausruf. Auch wenn es ihm nichts ausmachte, wieder zu sterben, machte er sich Sorgen um Dean und Sam, sogar Bobby, die er nicht mehr beschützen konnte. Seine Menschlichkeit musste ihm schlussendlich jeder seiner Fähigkeiten beraubt haben, als er sich aus dem Griff des Engels befreit hatte. Er hatte keine Relevanz mehr. Keinen Nutzen für ihn selbst, keinen Nutzen gegen den Krieg, keinen Nutzen für die Winchesters.
Hieß nie geboren zu sein, nie zu sterben? Würden die Engel einander in ihrer hinterhältigen Art schon getötet haben? Würde ein anderer verrückt genug sein, um seine Position zu übernehmen? Wütend schüttelte er diese sinnlosen Gedanken ab, und bemerkte, dass die steinerne Schicht sich bis zu seinem Brustkorb ausgebreitet hatte. Gleichzeit brannte das Licht in seinen Rücken, warnte ihn, zu fliehen. Ein anderer Sinn sagte ihm, er solle diesen Zeitreisenden verfolgen.
„Verschwinden Sie, Time Lord. Ich werde Sie töten und dann werden wir beide vom Riss verschluckt.“
„Erstaunlich, selbst im Tod würden wir uns in unseren Problemen gleichen.“
„Laufen Sie, Sie Idiot“, schrie Castiel. Er konnte seinen Mund nicht mehr schließen, da sein Unterkiefer versteinerte. Seine Arme versteinerten ausgestreckt vor seinem Körper. Wenigstens konnte er ihm noch einen warnenden Blick zuwerfen.
„Oh, ein böser Blick aus blauen Augen ist noch böser. Wir sehen uns.“ Und der Doktor verschwand in den Tiefen des Waldes. Wenige Sekunden später hörte er den fernen Ruf nach Geronimo.
Er bemerkte, dass er sich wieder bewegen konnte, doch es war zu spät. Weiße Wirbel des so sehr gefürchteten Lichtes schlossen ihn ein. In der Umdrehung blendete es ihn, brannte im Stein und zog ihn mit sich. So sehr er auch seine Augen schloss, das gleißende Licht blendete.
„Hey, aufwachen, Schlafmütze.“
„Vielleicht ist er im Koma“, schlug eine andere Stimme vor.
„Ehrlich, Sammy, wenn du seit Gott weiß wie lang nicht mehr geschlafen hast, würdest du es auch nicht ausnutzen?“
Wo auch immer eine Stimme herkommt, findet sich meistens ein dazugehöriger Körper. Und ein redender Körper bedeutete Leben, zumindest im Großteil der Fälle. Seine Augen öffneten sich und er zuckte vor dem blendenden Lichtstrahl zurück, schlug mit dem Kopf gegen etwas Lederndes.
„Verflucht, macht die Taschenlampe aus.“
Hinter den flirrenden Lichtpunkten grinste Dean ihm entgegen. „Du hast angefangen zu sabbern.“
Seinen Reflexen folgend, wischte er sich mit dem Handrücken über den Mund. „Habe ich nicht“, stellte er klar. Fasziniert blickte er seine Hand an, ballte sie zur Faust, nur um sicher zu gehen. So menschlich wie Jimmy es ihm zur Verfügung gestellt hatte. Erleichtert sank Castiel im Sitz zurück.
„Nah, nicht wieder einschlafen.“
„Bin nur froh, wach zu sein. Wie könnt ihr Menschen euch durch Schlaf erholen? Es ist furchtbar.“
Natürlich antwortete keiner der beiden auf seine Frage. Er kletterte aus dem Impala während Sam ihn misstrauisch beäugte. Für einen Moment wollte er fragen, ob Menschen normalerweise solchen Mist träumten. Gedanklich konstruierte er die möglichen Reaktionen und steckte dabei seine Hände in die Manteltaschen. Kalter Staub bauschte zwischen seinen Fingern auf.
Eine Stimme sagte ihm es sei Sand, nichts anderes als geriebener Stein.
Eine andere sagte ihm, er sollte sich nicht darum bemühen.