Kapitel 1 (noch nicht vollständig)
>> Wenn du diesen Fehler noch einmal wiederholst, ist es kein Fehler mehr, sondern eine Entscheidung >>, wies er mich mit Tränen in den Augen darauf hin. Doch ich wusste, es gab nur eine Möglichkeit. Schweigend wand ich mich ab und ging an den hohen hell leuchtenden Laternen vorbei, die Straße hinab. Lag ich am Ende etwa doch falsch? Ich wollte mir nicht eingestehen, dass das die einzige Lösung war. Die einzige, die ihm nicht schadete. Schlussendlich konnte ich diese Entscheidung sowieso nicht mehr rückgängig machen. Es war vorbei. Und das war einzig und alleine meine Schuld, obwohl ich nicht wusste wieso. Zu viel war in letzter Zeit passiert, was kein Mensch begreifen konnte. Und das führte zu meinem neuen ich. Meinem gebrochenen neuen ich. Niemand hätte diese Ereignisse durchstanden, ohne Wunden herbeizurufen. Seelische und auch körperliche Wunden, wobei man die seelischen wahrscheinlich noch sein ganzes Leben mitträgt und nie mehr vergisst. Die körperlichen, die als Narben zurückbleiben, verweilen als Erinnerung an die seelischen.
Es gab keine andere Wahl. Manchmal muss man Menschen, die man liebt, verlassen, um seinen Weg wieder zu finden. Auch wenn du dich verläufst, schlussendlich kommt jeder am Ende dieses Weges an. Manche können auf die glücklichen Momente zurückschauen, die man erlebt hat. Andere nicht.
Aber ich möchte zu denen gehören, die nichts in ihrem Leben bereuen müssen. Zu denen, die friedlich ihre letzten Minuten des Weges genießen können.
Mein Bein schmerzte. Ich hatte die Zeit vergessen und so fand ich mich auf einer großen Wiese wieder. Zunächst fragte ich mich, wie viel Zeit schon vergangen war. Dann kniete ich mich nieder und pflückte ein Gänseblümchen. Er liebt mich. Er liebt mich nicht. Woher wissen Gänseblümchen eigentlich, wer wen liebt?
Die große Fläche war nicht vergleichbar mit den traumhaften Orten in Märchen oder Filmen. Trotzdem hatte sie etwas Magisches an sich. Der heutige Vollmond erleuchtete die Weide so hell, dass man mit etwas Mühe die Blumen erkennen konnte, denen es in dieser lauen Sommernacht viel zu trocken war. Ich verbrachte meine Zeit gerne hier. Sooft lag ich nur am Boden und schaute den Mond und die Sterne an und dachte zur Abwechslung einmal an nichts. Das ist meine Art zu entspannen und die einzig mir bekannte Möglichkeit, durch das Leben zu gehen.
Ich zuckte zusammen, mein Handy vibrierte. Es waren meine Eltern! Zu meinem Erstaunen wussten sie noch immer nicht, dass ich mich nicht mit meiner sogenannten besten Freundin treffe. Stattdessen liege ich hier auf dem – wegen des Nachmittags – nassen Gras wie üblich. Ich war noch nie einer dieser Menschen, die sich plötzlich alleine gefühlt hatten. Einer von denen, deren Leben wie aus Zauberhand den Bach hinunterging. Ich war einer von denen, die sich schon seit sie sich erinnern können, einsam waren. Obwohl ich dann später eine beste Freundin gefunden hatte, lebten wir uns immer weiter auseinander. Es war komisch, dass wir noch immer beste Freunde waren, trotz unseren verschieden Lebenseinstellungen. In der Schule hatte ich auch noch andere Freunde, jedoch war ich auch mit denen nicht auf einer Wellenlänge. Seltsamerweise würde ich nicht behaupten, ich hätte ein äußerst geringes Selbstwertgefühl. Es gibt zwar Momente, an denen ich mich nicht wohl fühle, trotzdem bin ich sehr zufrieden mit mir in den meisten Fällen.
Aber vielleicht täusche ich mich auch.
Erst als ich verträumt auf mein Handy Display geblickt hatte, bemerkte ich, wie spät es schon war. Warum müssen die schönen Momente immer so schnell vorbei ziehen?
Dann begegnete ich ihm. Er war schon einmal besser gelaunt gewesen. Seine starken Stirnfalten stachen hervor und obwohl seine eisblauen Augen leuchtend strahlten, schien er erschöpft und ausgelaugt. Das erste Mal bin ich ihm genau hier über den Weg gelaufen und schon da hatte er etwas Besonderes an sich, das ich noch nie zuvor bei jemandem wahrgenommen hatte.
>> Hey << Ich bemerkte die Wunden an seinem linken Unterarm. Lucy. War das nicht seine Ex?
Wir kamen ins Gespräch und seit langer Zeit verspürte ich endlich wieder in mir ein Zustand des Wohlbefindens.
>> Wäre ich weg, würde es keinem auffallen, ich bin ohnehin für alle unsichtbar << merkte er an. Was machen wir überhaupt falsch, dass nichts in unserem Leben funktioniert? Ich weiß es nicht.
Letztmalig gab ich ihm eine Umarmung. Ich wusste, unser nächstes Wiedersehen würde dauern.
Lebwohl.
War es ein Fehler? War es ein Fehler, die eine Person zu verlassen, die mich geliebt hat? Ich begab mich aus meinem Bett und wollte Richtung Badezimmertür gehen, als ich einen kleinen Zettel auf meinem Schreibtisch bemerkte.
Du bist wundervoll. Vergiss das nie. – CC
Ich lächelte mit Tränen in den Augen. Ich werde dich nie vergessen. Du warst und wirst für immer meine einzig wahre Liebe bleiben, Calypso Caulé. Fest drückte ich den Zettel und gab ihm einen Kuss. Danach legte ich ihn in mein Tagebuch. Noch nie war ich mir so sicher, jemanden nie mehr so lieben zu können, wie ich CC geliebt habe.
Nachdem ich mein Badezimmer betreten hatte, registrierte ich im Spiegel mein müdes bleiches Gesicht, das meine Seele wiederspiegelte. Noch nie war ich an dem Punkt auf meinem Weg angekommen, an dem ich mich so leer gefühlt hatte.
Immer wieder begann ich aufs Neue mir die schon vorher vorbereiteten Sätze aufzusagen. Vielleicht klang es lächerlich, doch es gab mir Sicherheit. Der Gedanke daran, dass mich heute noch ein Frisörtermin erwartete, ließ mich langsam verzweifeln. Es würde mich beruhigen, zu wissen, dass viele Menschen ähnliche Komplexe wie ich im Bezug auf das Thema hätten. Jedoch wusste ich, dem war nicht so. Schon seit ich mich erinnern konnte, wurde ich unsicher, wenn jemand ein Gespräch mit mir erwartete. Es reichte schon, nur ein Getränk im Restaurant bestellen zu müssen. Und mit solchen Problemen kämpfte ich noch bis heute. Zu mancher Erstaunen wurde es nicht besser, eventuell sogar schlimmer.
Nicht einmal einer kurzen Konversation, einem einfachen „Hallo“ kann ich problemlos entgegentreten. Stunden davor wäge ich alle Möglichkeiten ab, in welche Situationen ich an dem Tag verwickelt werden könnte und präpariere mich dementsprechend. Ich verbringe teilweise mehrere Stunden damit, über solche Dinge nachzudenken. Für manche scheint das traurig, ist es vielleicht auch, aber ich bin nicht der Meinung. Ich weiß nicht ob ein solches Verhalten überhaupt irgendetwas bedeutet oder es eine psychische Krankheit oder ähnliches ist, ich bin mir nicht einmal sicher, ob derartiges geheilt werden kann, aber zurzeit ist es mir ziemlich egal. Gerade eben ist mein Leben an einem solchen Tiefpunkt angelangt, an dem es nicht mehr weitersinken kann. Des Weiteren habe ich weitaus größere Sorgen, mit denen ich fertig werden muss.