Der couturier stolzierte durch die offene Tür.
Hinter ihm lag der lange, mit Gold geschmückte Korridor. Der Franzose war klein, hatte einen geschwungenen Bart und schwarze lockige Haare. Sein Jacket saß ihm gut. "Monsieur", sprach die Dame in rot zu ihm," haben sie unsere selbst kreierte haute-couture dabei?" Bevor dieser seine einschmeichelnde Antwort gab, verbeugte er sich tief und geschmeidig. Die anwesenden Damen kicherten und ich war le seul, dem nicht dazu zumute war.
Das beobachten meiner Schwestern kam mir viel interessanter vor, denn sie waren immer unberechenbar und heute hatten sie mich zur Abwechslung für meine opinion früh am Morgen aus meinem Gemach geholt um ihre neuen Gewänder beurteilen zu können. Sie waren allesamt dem französischen flaire wieder einmal verfallen. Auf ihren Köpfen trugen sie weiße Türme mit silbernen Stecknadeln und auf ihren Gesichtern befand sich mehr Puder als Haut. Ihre Kleider waren weit, bunt und bestanden aus den neusten Stoffen à la manière française.
Es gab kein Zweifel und jeder wusste es, dass unsere Familie mehr auf ihr Äußeres achtete als auf das vorhandene Geld. Unsere Eltern besaßen mehr Schulden wie jeder in der Stadt und trotzdem hinderte diese Situation sie nicht daran, den Lebensstandard der riches weiterzuführen. Es ärgerte mich.
Der couturier schaute seine "Madames" an und stellte ihnen seine neuste Mode vor. "Est-ce que vous êtes interessées?", fragte er meine kleinen Geschwisterchen und lächelte herausfordernd in die Runde.
Mit den Armen verschränkt, stand ich an der Blumentapete unter dem Gemälde unserer Kaiserin und bemerke die aufgeregten Stimmen der Frauen. Hysterisch und faux klangen sie dabei und kurz bekam ich den Drang meine Meinung zuzugeben:" Merci, ich bewundere ihr talent monsieur Marchellier, mais denken sie nicht, dass sich mes sœrs diese Kleider nicht leisten können?"
Nun hatte der etwas ältere Herr einen erstaunten Ausdruck auf seinem schmalen Gesicht. Wie ein Engel blickte er zuerst mich und dann meine älteste Schwester an, die auf einem Sessel in blauer Seide saß. Ihre Beine hatte sie auf graziöser Weise überschlagen und auf ihrem Schoß lag ihr Hund "Grand". Obwohl sie sich durch die Blicke ihres Vorbildes sichtlich geschmeichelt fühlte, behielt sie ihre aufrechte Haltung und meinte schnell in einem kühlen Ton zu mir : "Leonard! Wir sind uns unserer situation gewiss. Jede Frau in unserer famille à nun einmal besoin eines Ballkleides und wir besitzen nicht viele." Alle um sie herum nickten und gaben zustimmend ihr : "Oui.", während sie schwärmerisch zu dem kleine Mann schauten, der befriedigt zurück lächelte. Diese Geste von ihm machte es mir schwierig meiner Schwester zu widersprechen. Naturellement wurde ich dadurch furieux und schaute verbissen hinaus.
Aus dem großen Fenster hinter ihnen schien, hinter ein paar Wolken, die Sonne in den Vorraum des linken Flügels herein. Die Wärme, die sie ausstrahlte, ließ mein Herz rasen und meine Probleme, die ich gerade noch hatte, für einen Moment vergessen. Mein Blick schweifte von ihr zum Garten unseres chateau, der inzwischen schon in seiner vollen Pracht blühte. Er war grün und prunkvoll mit allen möglichen Blumenarten geschmückt. Plötzlich fühlte ich mich wieder unwohl und bekam das Bedürfnis la chambre zu verlassen. " J'ai faim", sagte ich und fügte mit einer kurzen Verbeugung hinzu:" meine Damen, "Monsieur", ich verabschiede mich. "
Ein Wenig später saß ich dann am langen, gedeckten Tisch in unserem großen Esszimmer und verspeiste genüsslich ein Schweinefilet mit champignons.
"Was für ein Leben!"